Kollektivarbeit und Kreativität – Das 10. Berliner Schulorchestertreffen begeisterte Mitwirkende und Publikum

Alle wollten einfach nur zeigen, was sie können und was ihnen Spaß macht – in unterschiedlicher Besetzung – mal mit Kontrabass, mal ohne, mal mit dominanten Streichern, mal mit zahlreichen Flöten, mal mit Saxophonen. Es war zu erkennen, welches Instrument die Kinder besonders gern spielen. Am wenigstens reizt offenbar die Oboe.Wie finden sich die Orchester zusammen? Gibt es eine Auswahl? Larissa Israel, seit acht Jahren Projektverantwortliche für das Orchestertreffen, sagt: »Na klar müssen wir auswählen. Kommen dürfen alle, nur nicht alle auf einmal. Es ist ohnehin eine Marathon-Matinee. Vor den Sommerferien schicken wir Briefe und die Noten der empfohlenen Stücke an alle Schulen. Unter denen, die sich melden, müssen wir schauen, ob sie für ein bestimmten Werk geeignet sind. Für das vereinigte Orchester am Schluss brauchen wir auch gute Orchester als Rückgrat. Wir versuchen gerecht zu sein, dass alle mal drankommen.« Helge Grünewald ergänzt: » Das Prinzip ist nicht ein Wettbewerb von Eliten, sondern ein Treffen von Musikern, die ihre Qualität bestätigt sehen und die wir ermutigen wollen. Es sind Freizeitorchester und keine Pflichtveranstaltungen. Zudem gibt es ein Ungleichgewicht an Instrumenten, zum Beispiel 25 Flöten / drei Oboen. Dann laden wir noch einzelne ,,Fagotte", ,,Hörner" und ,,Oboen" ein aus Orchestern, die sich noch nicht gemeldet haben.«

Das Repertoire ist weit gespannt: Mozart, Brahms, Edward Grieg, Antonin Dvorak, Gustav Herbst und Ilio Volante, letzterer mit Militärmusik. Etwas Besonderes ist die Orchestergemeinschaft der Musikschulen unter Leitung von Georgios Sfyridis mit der Komposition  »Göcmen« von Taner Akyol, der selbst die Saz – eine Langhalslaute –  spielte und Verse von Ibrahim Karaca sang. Als fröhliche Truppe präsentierte sich das Orchester  und fünf Sängerinnen und Sänger des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums mit Auszügen aus dem Musical »Rebecca« von Sylvester Levay. 

Zum Educations-Projekt gehört traditionell eine Komposition von und mit Schülern der  beteiligten Schulorchester unter Leitung von Catherine Milliken und gemeinsam gespielt mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker. Acht Philharmoniker betreuten auch die  Vorproben zum großen Abschlusskonzert – allerdings in zwei Teilen. Zuerst alle Bläser mit der Suite Nr. 1 Es-Dur für Militärkapelle von Gustav Holst. Ihr Mentor Thomas Leyendecker, Posaunist der Philharmoniker, beklagt nämlich, dass die Bläser immer zu kurz kommen. Aber: im ersten seid ihr frei, im zweiten seit ihr Knechte. Weil Sir Simon Rattle, der traditionell das Schlusskonzert dirigiert, plötzlich erkrankt war, mußte  nun Leyendecker einen (geliehenen) Taktstock schwingen, was er »normalerweise freiwillig nie gemacht hätte«.

Freiwillig und mit Routine dirigierte hingegen der Geiger Stanley Dodd das Gesamtorchester mit dem Satz »Jupiter« aus »Die Planeten« op. 32 von Gustav Holst. Für 200 junge Musiker wurde die Bühne zum echten Kapazitätsengpaß, den die Techniker der Philharmonie perfekt überwanden. Jubel, Schluss, aus. Ein gelungenes Schulorchestertreffen, eine Kollektivleistung mit perfekter Logistik. Larissa Israel findet nur traurig, dass begabte Kinder, die das Educations-Team für den Unterricht an Musikschulen empfehlen möchte, nicht angenommen werden können, weil eben dort seit Jahren Lehrer eingespart werden. Und dass jeder dort ein Instrument ausleihen könnte, wie  in London oder wie einst in der DDR, das gibt es schon gar nicht.  Es bleibt eben immer der Haken an der Sache, dass der Erfolg zwar von Musikern gemacht wird, das aber ohne  »großzügig« gesponsertes Geld der Deutschen Bank nicht geht. Und die gibt sie auch nur dem »Leuchtturm« Berliner Philharmoniker und keinem anderen.

Ob es wohl in Deutschland einmal eine Staatsbank geben wird, die Schulorchestertreffen in allen Groß- und Kreisstädten unterstützt? Besser noch wäre eine Regierung, die von den Reichen genügend Steuern erhebt, um die Kultur ausreichend finanzieren zu können. Monatlich 10 Euro für Kinder aus Hartz-IV-Familien sind da nicht mehr als eine Verarsche.

Geschrieben am 17. Februar 2011.

Vorheriger ArtikelAltersirrer Gaddafi redet von „Millionen“, die hinter ihm stünden, von „Ratten“ auf den Straßen, droht Aufständischen ein „Gemetzel“ an, will Libyen „säubern“ und wedelt mit seinem Grünbuch
Nächster ArtikelNeulinge und Bewährtes – Pressekonferenz zur Auswahl der zehn bemerkenswerten Inszenierungen beim Theatertreffen 2011