Mit dröhnenden Motoren verwandelt die Propellermaschine ihre geballte Kraft in Bewegung. In einem langen Anlauf durchpflügen ihre Kufen die Wasseroberfläche des Roosevelt Lake und gewinnen bei hoch aufspritzender Gischt den Kampf gegen die Schwerkraft. Nach einer eleganten Rechtskurve in Richtung Scottsdale weitet sich der Blick über eine zerfurchte Landschaft, die in ihrer Schroffheit aus der Vogelperspektive ungeahnte Überraschungen verspricht. Wie den legendären Apache Trail, der sich deutlich erkennbar an einem Felsmassiv entlang windet. Oder das El Capitan Canyon, das wegen seiner hohen Felsstufen ohne Abseilen nicht durchquert werden kann.
Ja, der „Gran Canyon State“ Arizona muss nicht kleckern, sondern kann klotzen. Er bietet ein buntes Kaleidoskop wildromantischer Landschaften, die Lust darauf machen, sie aufzustöbern. Und dabei zu erleben, was die Erosion der vergangenen Jahrmillionen an landschaftlichen Kunstwerken hervorgebracht hat.
Dörfer wie Schwalbennester
Zum Beispiel im Reservat der Hopi-Indianer nordöstlich von Flagstaff. Hier erinnert eine Handvoll Tafelberge daran, welche Massen von Gesteinsmaterial einst durch die Kräfte der Erosion abgetragen worden sein müssen. Denn sonst gäbe es nicht die steil abfallenden Abbruchkanten, an denen sich die Häuser der Hopi-Dörfer wie Schwalbennester aneinander reihen. Nun bereits sei mehr als eintausend Jahren. Eine lange Zeit, in der sich die Hopis als Spezialisten für den Trockenanbau von Mais ihren Lebensunterhalt verdienten.
Schon die Auffahrt zu „Mesa Nummer 1“ erweist sich als abenteuerlich. Hundert Höhenmeter müssen auf gewundener Straße am Rande des Abgrunds überwunden werden, bis auf dem Felsplateau das Dorf Walpi vor den Augen erscheint. Ein bewohnter Ort, wie sich schnell herausstellt, auch wenn die Scheu der Bewohner gegenüber fremden Besuchern einer interessierten Neugier kaum Raum lässt. Anknüpfungspunkt für persönliche Gespräche ist jedoch die Hopi-Kunst, die zumeist in Form von Kachina-Puppen mit kultischem Hintergrund in vielen Variationen angeboten wird.
Zentrum des Universums
Einer der bemerkenswertesten Gesprächspartner ist hier Lawrence Namoki, der vor langer Zeit seinen Wehrdienst als Fallschirmjäger bei der US-Armee absolvierte. Das verraten seine Memorabilien auf einem kleinen Hausaltar. Dort stehen auch kleine Gefäße aus schwarzem gebrannten Ton, dezent verziert mit Symbolen aus der Hopi-Mythologie, vor allem aber mit Details aus dem Hopi-Schöpfungsmythos, die Lawrence bereitwillig erklärt.
Mit einer erstaunlichen Aussage, die verwundern muss. Denn die Hopis sehen sich nicht nur als Geschöpfe Gottes, sondern verstehen ihr Reservat zugleich als das „Zentrum des Universums“. Damit übertreffen sie sogar noch die alte Inka-Hauptstadt Cuzco als „Nabel der Welt“ oder China als das „Reich der Mitte“. Allerdings, so erklärt Lawrence, sehen sich die Hopis auf gleicher Stufe mit den Mayas, mit denen sie verwandt sind und deren kosmologische Vorstellungen sie teilen. Und mit ihnen natürlich auch den für Ende Dezember 2012 erwarteten Übergang in ein neues Weltzeitalter, das auch Lawrence nur als einen Wechsel sieht und nicht als eine apokalyptische Katastrophe.
Götterburg mit rotbraunen Zinnen
Als noch interessanter erweist sich jedoch, was das Hopi-Reservat selber an Geheimnisvollem aufzuweisen hat. Wie zum Beispiel die verborgenen Täler, die so versteckt sind, dass nicht einmal Wegmarkierungen auf ihre Existenz hinweisen. Da bedarf es schon der Hilfe von James, einem versierten Hopi, um auf der Spur von herum streunenden Kojoten zum gesuchten Coal Mine Canyon zu gelangen. Hier hat die Erosion spitze Sandsteinzacken herausgebildet, die ihre harmonische Schönheit bislang vor fremden Blicken bewahrt haben. Für Hopis, so erzählt James, ist dies allerdings die Stätte der Erinnerung an eine Hopi-Braut, die sich hier einst in die Tiefe stürzte. Noch heute ist zuweilen in dunklen Nächten ihr Geist als „tanzende Lady“ in den bizarren Felsnadeln erkennbar.
Auch das Blue Canyon will erst auf unmarkierten Wegen entdeckt werden. Doch dann präsentiert es sich plötzlich wie eine von Riesenhänden errichtete Götterburg mit rotbraunen Zinnen, die nur aus der Vogelperspektive bläulich schimmern. Ein weiteres geologisches Kunstwerk also, das nur darauf wartet, von Abenteurern oder Freunden des amerikanischen Südwestens entdeckt zu werden.
Eine neue verborgene Welt
Und denen ist das Gran Canyon natürlich längst ein Begriff, ebenso wie das Antelope Canyon mit seinen pittoresken Sandstein-Formen. Dagegen erschuf der Glen Canyon Damm, der den Colorado River aufstaut, eine relativ junge künstliche Welt. 93 Seitentäler umfasst der so entstandene Lake Powell, dessen gesamte Wasserlinie länger ist als die Westküste der Vereinigten Staaten zusammen. Und mit den vielen Nebentälern öffnet sich jeweils der Zugang zu einer neuen verborgenen Welt.
Eines davon ist das Labyrinth Canyon, das mit einem Schnellboot vom Antelope Point aus, einer der insgesamt fünf Marinas, in einer knappen Stunde erreicht wird. Hier warten in unmittelbarer Nähe der malerischen Navajo Mountain Rock Formation mehrere Hausboote zur Erschließung der Umgebung, besonders beim warmen Licht des Sonnenaufgangs oder des Sonnenuntergangs.
Entdeckungsreise in das Labyrinth Canyon
Hier kann man es kaum abwarten, bis das Kanu startbereit ist zur Entdeckungsreise in das Labyrinth Valley. Gary übernimmt die Führung, obwohl sich im Grunde niemand verfahren kann. Immer enger wird hier das Wasser des Lake Powell zwischen hoch aufragenden Felswänden zusammen gedrückt, bis das Ende des Wasserweges erreicht ist. Und erst auf dem Weitermarsch zu Fuß ist zu erkennen, dass die gegenüber liegenden Felswände schon bald mit ausgestreckten Armen gleichzeitig erreichbar sind. Eine dunkle Linie am Felsen hoch droben zeigt an, wie weit das letzte Hochwasser des Lake Powell einst reichte.
Und doch gibt es eine Steigerung. Denn nicht weit entfernt von dem Städtchen Page an der berühmten Hufeisen-Biegung des Colorado River gibt es das Secret Canyon. So verborgen, dass es nicht einmal aus der Luft erkennbar ist. Erst vor elf Jahren, also zu Beginn unseres Jahrhunderts, gaben die Navajo-Indianer, in deren Reservat das Tal liegt, ihr Geheimnis preis. Nur wenige Besucher hatten bislang die Gelegenheit, dieses Wunder der Natur für sich zu entdecken.
Mit dem Vorderrad in der Luft
Dies allerdings mit einem Hummer Car, der von außen so aussieht wie ein Geländewagen, der jedoch wesentlich mehr kann. Und das ist auch nötig in einem Gelände, das den in knalligem Gelb und Rot gehaltenen technischen Wunderwerken die Bewältigung einer Steigung von 45 Grad abverlangt. Drinnen allerdings ist es äußerst bequem in den weich ausgepolsterten Ledersesseln.
Brian ist heute der Fahrer, der die Geschichte der Erschließung des Secret Canyons zu einem großen Teil selbst miterlebt hat. Wie die Navajos sich irgendwann bereit erklärten, Besuchern den Zugang zu gestatten und dazu Brian und seinen Kollegen die alleinige Lizenz erteilten. Keine einzige Schramme habe er seinem Fahrzeug bislang zugefügt, berichtet er stolz. Und schon hängt das linke Vorderrad seines Hummer Cars bei extrem hohem Gefälle fast dreißig Zentimeter in der Luft.
Gebrochenes Licht in rötlich gelben Farben
Als schließlich der Taleingang erreicht ist, verabschiedet sich nach und nach das strahlende Blau des Himmels. Denn in der Höhe bewegen sich die Sandsteinwände aufeinander zu und bilden runde Kammern, in denen sich das gebrochene Licht in rötlich gelben Farben entfaltet. Eine Folge des sprudelnden Wassers, das sich hier nach jedem größeren Regenguss hindurch zwängt. „Wo das Wasser sich selbst malt“ heißt dieses Phänomen bei den Apachen in Arizona, die es mit dem Wort „Canyon“ entsprechend benannt haben. Eine Traumwelt der Formen und Farben, die bereits hinter der nächsten Biegung eine völlig neue Gestalt annehmen kann.
Es ist ein Naturphänomen, das es in der Tat verdiente, für größere Besucherzahlen erschlossen zu werden. Doch bis dahin bleibt es, wie auch die anderen verborgenen Täler, denen vorbehalten, die das Neue und Besondere suchen. Bei einer Suche, für die sich Arizona mit seinen bizarren Landschaften geradezu anbietet.
Reiseinformationen „Arizona“:
Anreise: Günstig mit United Airlines ab Frankfurt nach Phoenix mit Zwischenstopp in Washington bzw. Newark, www.united.com
Einreise: Mit Reisepass und Teilnahme an dem US Visa Waiver Programm für eine elektronische Einreiseerlaubnis („ESTA“), https://esta.cbp.dhs.gov
Reisezeit: Ganzjährig bei über 300 Sonnentagen; wegen der trockenen Luft ist die Hitze auch in den Sommermonaten erträglich.
Unterkunft: Phoenix: www.bestwestern.com/innoftempe, Hopi: www.experiencehopi.com, Scottsdale: www.fourseasons.com/scottsdale
Auskunft: Arizona: www.arizonaguide.com; Scottsdale: www.experiencescottsdale.com; Wasserflugzeug: www.desertsplashadventure.com; Secret Valley: www.hummeradventures.net; Lake Powell: www.AntelopePointLakePowell.com