Vier Tage – bis Sonntag (vom 17. bis 20. März 2011) – sind die Tore zur Leipziger Buchmesse geöffnet. 2.150 Aussteller lassen sich das Fest des Lesens nicht ent-gehen. Insgesamt 36 Länder sind vertreten, Serbien als Gastgeberland. Die meisten Aussteller von Publikationen aller Art – gedruckt und elektronisch – kommen aus Deutschland. Alle Großen der Branche sind dabei. Die Mehrheit aber, etwa zwei Drittel der Aussteller, sind kleine und kleinste Produzenten. Einige der Kleinen scharen sich in der Messehalle 5 um die so genannte ’Leseinsel der Jungen Verlage’. Viele der Kleinen sind mit zwei bis zehn Jahren Lebensdauer allerdings nicht mehr so jung. Sie haben Nischen nicht nur ausgefüllt, sondern fest in der Hand.
Ganz in Schwarz – einem etwas betont übergroßen leger sitzen Kostüm – präsentiert burschikos die Mittdreißigerin Daniela Seel – die etwas anderen Lyrikbändchen ihres Berliner Kookbooks-Verlages. In dieser kleinen Gemeinschaft hatten sich vor einiger Zeit „junge Menschen, Schreiber und ein Illustrator, zusammen getan. Etwas anders will zum Beispiel die Gestaltung des Covers sein. Auf ausklappbaren vierseitigen Umschlagsseiten erregen monströse Figuren vor folgender Lyrik und Prosa die erste Aufmerksamkeit. Etwa 50 Bücher hat dieser Kleine auf den Weg gebracht. Zwei Lesungen werden im Monat organisiert. Die junge Verlegerin ist selbst eine mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Lyrikerin. Ihre jüngste Kreation ist ein Gedichtband ’Ich kann diese Stelle nicht wiederfinden’.
Im besten Erwachsenenalter stellt der Wiener Milena Verlag seine zumeist humor-volle Literatur vor. Ob Krimi, Horror- oder Sachbuch über die besten Bergstei-gerinnen der Welt, – ein Augenzwinkern mit Schmunzeln ist meist dabei. Auch bei dem erneut aufgelegten ’Wenn das der Führer wüsste’ von Otto Basil: „Was wäre, wenn die Armeen Hitlers gewonnen hätten”¦“
Erzählte Literatur hat es dem Verleger Klaus Sander von Supposé angetan. „Wir produzieren keine klassischen Hörbücher, sondern Erzählungen ohne Vorlage. Vor Jahren lernte ich einen Philosophen kennen, der wunderbar erzählen konnte. Überhaupt gibt es viele Menschen, die lieber reden als schreiben. Die gute Rede geht dann oft verloren. Ich möchte derartig gute Erzählungen und Plaudereien konservieren.“ Dem Verleger mittleren Alters sind dabei gute Würfe – sprich Aufnahmen von Erzählungen – gelungen. Dazu gehören von Herta Müller, der Literatur-Nobelpreisträgerin von 2009, die Erzählung über ihre Kinder- und Jugend-zeit in Rumänien ’Die Nacht ist aus der Tinte gemacht’. „Wir nahmen die Erzählung vor dem Nobelpreis auf“, betont Sander. Breites Interesse dürfte die jüngste CD mit isländischen Saga-Aufnahmen finden. Auf vier CDS werden verschiedene Sagas wie die ’Njáll Saga’ oder die ’Saga der Leute aus dem Lachflusstal’ erzählt. Darüber hinaus erfährt der Hörer viel über die Geschichte und die gegenwärtige Bedeutung der Sagas auf Island.
Der Aviva Verlag hat sich die Wiederentdeckung von Bücher der 20er Jahre zur Aufgabe gemacht. Britta Jürgs ist geradezu begeistert von ihren Wiederent-deckungen von guten, aber unbekannten Autoren, deren Bücher damals nur einmal oder auch keinmal verlegt worden sind. Dazu gehört ein Roman der jüdischen Schriftstellerin und Kabarettistin Lili Grün ’Alles ist Jazz’. Ende der 20er Jahre ging Lily Grün von Wien nach Berlin und gehörte zur Kabarettszene von um Ernst Busch und Hanns Eisler. Ihr zweites Buch ’Zum Theater’ erlebt jetzt seine Widergeburt im Aviva Verlag.
Ein fünfter Kleiner ist der ’Verbrecher Verlag’, der von Studenten, die eigentlich keinen Verlag gründen wollten, im 94er Jahr doch gegründet worden war. Jörg Sundermeier der Verlagsname ist ein studentischer Scherz. Ernstzunehmen sind die Neuerscheinungen wie die Satiren ’Kosmas’ von Wolfgang Müller bezogen auf den Kunstbetrieb oder Georg Kreislers ’Ein Prophet ohne Zukunft’ über verlorene Generation der Nachkriegszeit.
Diese Kleinen unter den Kleinen, von denen die meisten gestandene Verlage geworden sind, sind ein Magnet für junge Leute, für Twens.
Übrigens – in diesem Jahr feiert eine Besonderheit der Leipziger Buchmesse Geburtstag – Zum 20. Mal heißt es „Leipzig liest“. Auf dem diesjährigen Lesefest mit mehr als 2.000 Veranstaltungen an insgesamt 300 unterschiedlichen Orten von der verruchten Kneipe bis zur Rechtsanwaltskanzlei werden 1.500 Autoren lesen, vortragen und diskutieren. Zum Lesen animieren ist wichtiger denn je.
Eine Forschung des Leipziger LEIF-Instituts ergab, dass 70 % der Deutschen in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Im Jahr mindestens ein Buch außerhalb von Ausbildung und Arbeit lesen. Die Zahl der Buchleser stagniert zwar. Vor fünf Jahren hatten noch 81 % der Bevölkerung mindestens ein Buch in der Freizeit gelesen. Literatur-Favoriten sind mit 60 % die Romane, mit 23 % Fachbücher (außer Schul- und Lehrbücher), mit 18 % Erzählungen und 17 % Krimis.
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