Magisch-realistisch mutet Coppolas filigranes Kino-Kunstwerk in manchen Momenten an. Den präzise eingefangenen Stimmungsgemälden scheint eine geheime Doppelbedeutung inne zu wohnen. „Failed. Twentieth Century Boy“ verspottet Johnny die auf dem TV-Bildschirm leuchtende Spielanzeige von Guitar Hero. „Was sollen wir tun?“, quäkt ein italienischer Popsong auf einer Preisverleihung. Die überreichte Trophäe ist eine lachende Katzenstatuette. Eine gignatische Cheshire Cat, die zu sagen scheint: „We ´re all mad here.“ Wer Johnny Marco sei, fragt ihn ein Journalist. Johnny kann es sich selbst nicht beantworten. Gefangen in sinnloser monotoner Dekadenz treibt Johnny von Drehorten zu Interview, von Publicity-Auftritt zu Hotelsuite. Auf seine weiblichen Bekanntschaften hat der Filmstar die Wirkung eines Don Juan De Marco, dessen anglizierten Namen er trägt. Keines der gleichgültigen Groupies kann seine Isolation milder. Einzig in seiner jungen Tochter Cleo (Elle Faninng) findet Johnny eine Bezugsperson. Doch ihre gemeinsame Zeit in einem Kokon aus Zuneigung ist begrenzt.
„Somewhere“ ist ein einsamer Film. Die Wüste um Johnny ist seine Seelenwüste. Eine emotionale Leere, die sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken scheint. Seine Versuche, sie an zufüllen, sind kläglich und zum Scheitern verurteilt. Cindy, Bambi, Shania, Shannon: Die Frauen im Leben des gefeierten Filmstars ähneln einander. Wie die eineiigen Zwillinge, die für ihn strippen, sind sie ununterscheidbar, austauschbar. So unpersönlich wie der Ort, an dem Johnnys Hotel steht. Dass es tatsächlich mehrere Hotels sind, entgeht dem Betrachter fast. Auch Coppolas Protagonisten scheinen es kaum zu bemerken. In der gleißenden Sonne verschmelzen die Luxushotels zu ein und derselben Übergangsstätte in Amerika, Italien, „Somewhere“. Ihre Zimmer sind Nicht-Orte, die Johnnys Heimatlosigkeit symbolisieren. Als ewiger Gast lebt er in den Raststätten vor sich hin, ohne innerlich zur Ruhe zu kommen. Manchmal scheint die innere Anspannung ihn fast zu zerreißen, doch ein Ventil für seinen unbefriedigten Antrieb findet er nicht. Es bleiben nur leere Gespräche, leerer Sex, leere Bierflaschen. Mehr unerträgliche Leere.
In kunstvollen, enigmatischen Bildern macht Sofia Coppola die ziellose Sehnsucht fast physisch greifbar. Ein unentrinnbarer Sog geht von den wortkargen Szenen aus. Die Einsamkeit durchdringt die Leinwand und zieht den Zuschauer in die träge Filmwelt. Die melancholisch-süße Studie mündet auf dem emotionalen Ödland, in dem sie begann. Eine endlose Straße ins Nirgendwo – „Somewhere“.
Titel: Somewhere
Land/ Jahr: USA 2010
Genre: Drama
Kinostart: 11. November 2010
Regie und Drehbuch: Sofia Coppola
Darsteller: Stephen Dorff, Elle Fanning, Chris Pontius, Michelle Monaghan
Kamera: Harris Savides
Schnitt: Srah Flack
Musik: Phoenix
Laufzeit: 98 Minuten
Verleih: Tobis