Kein Loch im Netz – Der 1. FC Union Berlin spielt gegen den Karlsruher SC 0:0

© Foto: Hajo Obuchoff

Die großen Zeiten der Badenser im Fußball sind lange vorbei. Trotzdem – zu unterschätzen sind sie nicht. Ihr Trainer Markus Kauczinski hat ein kampfstarkes und gut eingespieltes Team aufgebaut. Wie sich schnell zeigt, weiß er auch ein dichtes Netz vor dem Tor von Dirk Orlishausen zu knüpfen. Der lange Torhüter, einst in Dienstes der rot-weißen Erfurter, spielt inzwischen seit drei Jahren für den traditionsreichen Verein vom mittleren Oberrhein. Und das nicht schlecht. Jedenfalls hält er am Ende die Null wie auch sein Gegenüber Daniel Haas. Das 0:0 feiern die Gäste nach dem Schlusspfiff wie einen Sieg. Für die Unioner ist es eine gefühlte Niederlage.

Dabei beginnt alles recht stimmungsvoll. 20 757 Liebhaber des rasanten Sports auf dem grünen Rasen haben die Traversen besetzt. Der Gästeblock ist prall gefüllt – das ist keinesfalls immer so, wenn Mannschaften aus der Ferne anreisen. Aber der blau-weiße Mob scheint vergnügt, zumal das Wetter auch mitspielt. Sogar die Sonne lugt immer wieder hinter fetten Wolken hervor. Und selbst wenn von den Fanfreunden des Ortsrivalen Hertha erst einmal Schmähgesänge gegen den Gastgeber über das Spielfeld schallen, lässt das die eiserne Übermacht gelassen lächeln. Die singen lieber ihre eigenen Lieder als sich um die Schar aus der Provinz zu kümmern.

© Foto: Hajo ObuchoffAls bei der Vorstellung der Gästespieler der Name Dominic Peitz fällt, gibt es sogar von den Hausherren Applaus und freundliche Zurufe. Der Peitzer, wie er genannt wird, hat immerhin einst für Union gespielt. Und einmal Unioner – immer Unioner, so heißt es an der Alten Försterei. Das verstehen die Blau-Weißen aber nicht.

Nach dem Anpfiff von Schiedsrichter Dr. Robert Kampka machen die rot-weiß gewandeten Lieblinge der Köpenicker sofort Druck in der generischen Hälfte. Leider fehlt es meist ein wenig an Feinschliff und Präzision. Die Karlsruher haben augenscheinlich die Lehren der Geschichte beherzigt. Sie wissen, dass die Mauer in Berlin, die vor genau 24 Jahren fiel, vorher immerhin 28 Jahre gehalten hat. Ihr Abwehrbollwerk braucht ja nur neunzig  Minuten stehen.

Die Männer um Kapitän Torsten Mattuschka – endlich ist er wieder dabei – versuchen sich als emsige Mauerspechte. Sie glauben gewiss auch: steter Tropfen höhlt den Stein. Es wird gerackert, gelaufen, der Ball von außen nach innen getragen, geflankt, geschossen und geköpft. Allein findet er entweder nicht die richtige Richtung oder wird von einem Bein, Hintern, oder den Armen des langen Mannes in Grün – Orlishausen – gehindert ins Netz zu fliegen.

© Foto: Hajo ObuchoffAuch nach der Pause geht es so weiter. Nun erschrecken sogar die Gäste ein, zwei Mal das fiebernde Berliner Publikum mit dem Bestreben, ein eigenes Tor zu fabrizieren. Welche Frechheit! Am Ende sagt die Statistik, dass die Eisernen 67 Prozent Ballbesitz hatten. Ein Gegentor der Gäste würde also den Spielverlauf auf den Kopf stellen, wie in solchen Situationen gern gesagt wird. Die Geschichte des Fußballs indes kennt ungezählte solcher Ereignisse.

Trainer Uwe Neuhaus, versucht in der 63. Minute dem Spiel seiner Unioner mit einem Doppelwechsel eine Art Infusion zu verabreichen: Sören Brandy kommt für Michael Parensen, und der lange Adam Nemec löst Simon Terodde als Sturmspitze ab. Brandy facht auch gleich die Flammen, die sowieso heiß brennen weiter an. Doch auch er vermag es mehrfach nicht, die Murmel ins Netz zu befördern. „Die hatten von Beginn an dicht gemacht, und wir haben kein Loch gefunden“, beschrieb Unions Außenverteidiger Marc Pfercel später das Spiel aus seiner Sicht. Und sein Spielführer, Mattuschka: „Ich glaube, die wollten nichts anderes als ein 0:0. Die standen mit 90 Mann hinten drin. Da ist es schwer durchzukommen.“ Sören Brandy trauert seiner vergebenen Chance kurz vor Schluss nach:“ Wenn ich gesehen hätte, dass ich so frei stand, dann hätte ich es anstelle mit dem Kopf mit einem Scherenschlag versucht.“

Ja, nachher weiß es jeder besser. Die Kicker von der Wuhlheide haben in den vergangenen drei Spielen gerade einmal ein Tor erzielt. Das sah vor wenigen Wochen noch ganz anders aus. Da lief es besser. „Klar, machst du irgendwann in der 60. Minute das Tor, dann müssen die aufmachen und es fallen vielleicht dann noch ein, zwei Tore, wie es gegen Sandhausen passierte“, erinnert sich Brandy. „Und dann sagen alle: Klasse, wunderbar.“

Union muss sich darauf einstellen, dass sie zum Kreis der Favoriten gehören und viele Mannschaften werden versuchen, an der Alten Försterei so zu spielen wie der KSC. Uwe Neuhaus meint: „Die Gier, die Bälle unbedingt über die Linie drücken zu wollen, müssen wir weiter entwickeln. In zwei Wochen werden sie die brauchen. Da wartet in Kaiserslautern ein anderer Aufstiegsaspirant. Jedenfalls werden dort wohl kaum 90 Mann hinten drin stehen.

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