Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der Leipziger Jens Fuge hat mit seinem Buch „Du bist der Schrecken aller Klassen“ diese Tage seine grandiose Chemie-Leipzig-Fantrilogie abgeschlossen. Diesmal schickt er uns auf eine Reise, die in der Wendezeit beginnt und in der Gegenwart endet.
Viel tut sich in diesen Jahren bei Chemie. Nach der Wende wechselt der Verein mehrfach seinen Namen, kickt lange Zeit unter dem seltsamen Namen Sachsen Leipzig, scheitert mehrfach in wichtigen Relegationsspielen und schnuppert nie die Luft der 1. Oder 2. Liga.
Windbeutelproduzenten und fiese Molche aus der Baubranche wechseln an der Spitze des Clubs, der immer mehr zum Spielplan Menschen wird, denen ihr eigenes Süppchen wichtiger ist, als der Verein mit seiner Arbeiter-Tradition und all seinen bunten Fangruppen. Die färben sich um die Wendezeit ordentlich braun ein, wie überall im Osten übernehmen rechte Kerle das Kommando in der Kurve. Das ändert sich erst, als Ende der 90er die Ultrakultur Einzug hält. Nun wächst der Einfluss eines weltoffenen, studentischen Milieus. Als die Ultras Mitte der 2000er das Graswurzel-revolutionäre Projekt Chemie Leipzig in der untersten Liga unterstützen und Sachsen Leipzig den Rücken kehren, ist das der Anfang des Sachsenendes.
Fuges großer Verdienst, er zeigt die Chemie/Sachsen Fanszene ungeschminkt im Alltagsprech und in ihrer ganzen Komplexität. Rechte wie linke Gruppen kommen zu Wort, das Buch ist auch in seiner Bebilderung ein kunterbuntes, riesendickes Sammelwerk, erst am Ende ändert sich der Stil und wird weitestgehend von Ultrasprech dominiert. Der ist strukturierter, weniger wild und unberechenbar als vorher, klingt manchmal nach Rechtfertigungsprotokoll – Chemie ist in der Neuzeit angekommen. Aber ernsthaft, wer hat 2018 noch Bock auf Vögel, die „Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher“ jodeln? Das mag manchen verbohrten Altchemiker schmerzen, doch ohne das frühe Engagement der Ultras wäre Chemie heute nicht mehr vorhanden.
Und die Zukunft? Die aktuellen Zuschauerzahlen bei Chemie sind nicht schlecht, reichen aber bei weitem nicht an die Sachsen Leipzig Zeiten der 90er heran. Nur wenn alte und junge Chemiker gemeinsam am Zipfel ziehen, hat Chemie eine Chance im Profifußball.
Bibliographische Angaben
Jens Fuge, Du bist der Schrecken aller Klassen, Chemie Leipzig und seine Fans – Band 3, 660 Seiten, Backroad Diaries Verlag, Leipzig 2018, ISBN: 3-981-602-371, Preis: 39 EUR