Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wenn es denn so einfach wäre. Man erinnert sich bei der ersten Erklärung des im Amt des Präsidenten der USA befindlichen Herrn Biden an den alten Kinderreim. In dem heißt es: aufgestanden, Platz vergangen. So einfach dürfte es für die fragile Demokraten-Koalition in Washington nicht sein, an alte amerikanische Kriegskoalitionen anzuknüpfen.
Donald Trump hat als Präsident es nicht nur mit dem Schlamassel zu tun gehabt, den die Gewohnheiten aus den Häusern Clinton/McCain hinterlassen hatten. Er mußte den Zusammenbruch der USA unter allen Umständen aufhalten. Wenn man ihm nicht die Corona-Seuche präsentiert haben würde, wäre seine Bilanz genau das gewesen: Kollaps verhindert.
Eine Rückkehr von Herrn Joe Biden zu alten Gewohnheiten dürfte nur eine überaus unstabile Grundlage finden. Nicht nur deshalb, weil sich über dieses Wahlergebnis vom 3. November 2020 die Fragilität der staatlichen Basis durchaus verlängert. Die vier Jahre, in denen Präsident Donald Trump das schlimmste Szenario verhindern mußte, haben zu einem feststellbaren Rückzug der USA aus dem internationalen Szenario geführt, das wesentlich durch die USA installiert worden war. Da kommt der Kinderreim ins Spiel: aufgestanden, Platz vergangen. Die Freiräume, die die USA zwangläufig in Kauf nehmen mußten, haben andere Mächte genutzt. Sie haben es in Anbetracht der Herausforderungen durchaus auch noch klug gemacht, weil sie weder etwas verschüttet haben noch die Welt in einen Krieg gestürzt haben. Die Lage, in der wir uns alle befunden haben und noch auf lange Zeit befinden werden, hat der russische Präsident Putin vor wenigen Tagen in seinem Redebeitrag für das Weltwirtschaftsforum in Davos – gekonnt wie immer – in einem Bild zusammengefaßt: Wir könnten uns in Anbetracht der Lage, in der wir uns befinden, in einem „Krieg aller gegen alle“ wiederfinden.
Für die EU-Europäer kann man diese Fähigkeit zur offenen Darstellung der Herausforderungen nicht feststellen. Sie litten förmlich unter Entzugserscheinungen, als unter Präsident Trump die Vorgaben aus Washington ausblieben und die transatlantischen Netzwerke nur noch den sogenannten „politischen Beifang“ zu Tage förderten. Diesen Kräften kann man getrost unterstellen, sehnsüchtig einen amtierenden Präsidenten namens Biden zu goutieren. Jetzt kommt endlich wieder „schlüsselfertiges Denken“ aus Washington. Man hat zu lange diesen Umstand vermissen müssen und sich keinesfalls, bis auf Präsident Macron aus durchsichtigen Gründen, Gedanken über die künftige Rolle Deutschlands oder von EU-Europa gemacht. Wie waren doch die anheimelnden Bilder aus Berlin mit dem noch amtierenden US-Präsidenten Obama und der europäischen Verschwörertruppe unter maßgeblicher Führung der deutschen Bundeskanzlerin. Da will man aus Berliner Sicht jetzt mit dem amtierenden Präsidenten Biden wieder andocken, als hätte man vier Jahre unter dem Präsidenten Trump nur die Luft angehalten.
Man will aus Washingtoner Sicht so etwas wie Normalität vorgaukeln, was die eigene Handlungsfähigkeit anbelangt. Ob das gelingt, ist mehr als zweifelhaft, weil ein nicht zu leugnender Tatbestand seit langem Washington bestimmt. Die jeweils unterlegene Partei bei dem, was man in den USA Wahlen nennt, bestreitet die Rechtmäßigkeit der Wahl oder des Ergebnisses oder beides. Bei dem Wahlsieger Trump waren es die Russen, die reingefingert hatten. So wüteten die Clintonistas. Jetzt, bei Biden, war es die Art und Weise, wie Wahlen in den USA überhaupt zustande kommen und abgehalten werden. Atlantik-übergreifend wurde zugunsten des Gewinners Biden unterstellt, daß auch bei mehrfachem Auszählen die Mehrheit zugunsten von Herrn Biden unzweifelhaft gewesen sei. Dieses Argument läßt gekonnt außer acht, daß der amtierende Präsident landauf und landab die nicht bestreitbare Tatsache beklagte, daß die Regeln für die Wahl – nicht legitimiert – im Wahlverfahren geändert worden waren.
In einem Land, in dem Presseorgane das vermeintliche Ergebnis einer Wahl feststellen und nicht eine staatliche Wahlkommission, sollte man das wundern einstellen. Es ist immer nur erstaunlich, daß amerikanische Wahlbeobachter in anderen Staaten bei den Wahlen immer ganz genau wissen, was dort schief gelaufen war. Nicht wundern mußte man sich über den deutschen Leiter der Wahlbeobachtungsmission der OSZE, der am Tag nach der US-Wahl öffentlich feststellte, daß die Wahl am 3. November 2020 fair und frei verlaufen sei. Das könnte die OSZE in Übereinstimmung mit ihrer Rechts- und Verfahrensordnung dann feststellen, wenn man ihren Wahlbeobachtern in den amerikanischen Bundesstaaten den Zugang zu den Wahllokalen und den Auszählungen erlauben würde. In zahlreichen Bundesstaaten werden ausländische Wahlbeobachter unter Androhung von Waffengewalt von diesen Dingen ferngehalten, wie ausreichend dokumentierte Vorfälle bei der OSZE aktenkundig gemacht haben. Zwar sind die USA Mitglied der OSZE. Das bedeutet aber nicht, daß die Bundesstaaten das auch sind. Diese Ansicht ist weitverbreitet. Bei jedem anderen Mitgliedsstaat der OSZE würde man im Dreieck springen. Wie George Orwell es schon wußte: einige sind gleicher.
Da die Vorwürfe über das jeweilige Wahlverfahren und den Umstand, das Auszählungen gegen jedes internationale und nationale Wahlverständnis hinter verschlossenen Türen – nach Bekundungen nicht nur des Präsidenten Trump – vorgenommen und durchgeführt worden sind, wird nicht nur dauerhaft die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Wahl über dem derzeitigen Amtsinhaber schweben. Es wird die Antwort auf eine Frage immer dringlicher: Warum nimmt der jetzige Amtsinhaber die Vorwürfe nicht zum Anlaß, das amerikanische Wahlverfahren unter die Lupe zu nehmen, um nicht nur über ein Manipulationsregister auf Dauer und für die Zukunft in Ämter gewählt zu werden? Nimmt er es in Anbetracht aller Umstände billigend in Kauf, einem Makel auf Dauer ausgesetzt zu sein, weil es ihn ohnehin nicht schert?
Jetzt könnte man das getrost den Entwicklungen in den USA überlassen, weil man ohnehin nicht anders kann. Nur eines ist gewiß und geradezu sicher. Wer keinerlei Hemmungen im eigenen Haus kennt, wird sich auch anderen gegenüber so verhalten. Als in diesen Tagen der Präsident Biden und sein Außenminister Blinken vor den Kameras über Außenpolitik sprachen, hätte man hellhörig werden können. Wohl der Not gehorchend beglückte man die Verbündeten damit, wieder mehr auf Allianzen herkömmlicher Art setzen zu wollen. Die Hintersassen werden weisungsgemäß erfreut sein und sich fragen, was das denn bedeutet? Damit könnte man wenigstens der Form gerecht werden. Das wäre schon etwas. Man hätte sich bei diesen Aussagen in Washington aber auch gleich fragen können, warum man den Deutschen nicht einmal in Aussicht stellt, entsprechend dem Koalitionsvertrag in Berlin aus 2009 den Abzug aller gegen Ziele in Deutschland stationierten amerikanischen Nuklearwaffen in Aussicht zu stellen? Oder den Abzug der in Deutschland stationierten US-Truppen und zwar völlig. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands war Deutschland nur mit einer weiteren Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland vor dem Hintergrund der in Europa bestehenden Sicherheitsarchitektur bereit. Man wollte auf der Basis und der damaligen Wirklichkeit in Europa auch der noch bestehenden UdSSR und allen anderen Staaten Gewißheiten über die friedensbezogene Absicht des wiedervereinigten Deutschland geben. Es bestand nicht der geringste Schimmer und überhaupt keine Bereitschaft, der Führungsmacht in diesem NATO-Bündnis das Recht und die Fähigkeit zuzubilligen, die Welt für ihre Zwecke aus den Angeln zu heben und den Startschuß für eine globale Kriegführung ausgerechnet aus der Mitte Europas und damit Deutschland abzufeuern. Es ist nicht das geringste Anzeichen bei Präsident Biden festzustellen gewesen, dem endlich Rechnung zu tragen.
Nach fast einer Generation Erfahrung mit den Vereinigten Staaten seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien kann man mit Gewißheit eines sagen: Solange in Europa nicht alle damaligen Vertragspartner zu der Charta von Paris vom November 1990 zurückkehren und diese Charta zur Grundlage ihrer praktischen Politik machen, wird Europa durch die Vereinigten Staaten in den nächsten Konflikt mit Rußland, entweder durch einen Umsturz oder einen Krieg – siehe Präsident Putin – getrieben. Alexander Sosnowski und ich haben 2019 in unserem Buch „Und immer wieder Versailles – ein Jahrhundert im Brennglas“ auf den Mechanismus angelsächsischen Vorgehens hingewiesen. Ohne Versailles kein Herr Hitler und ohne diesen kein Krieg gegen Polen, um England und Frankreich die Möglichkeit zu geben, daraus einen Weltkrieg zu entfesseln. Abläufe in Europa, nicht nur in Kiew oder Minsk machen deutlich, das diese Modelle weiter in Gebrauch sind. Es wird dabei billigend in Kauf genommen, daß sich die aufs Korn genommenen Staaten nicht einfach in ihr Schicksal ergeben und Gefahr laufen, ein weltweit wenig schmeichelhaftes Bild abzugeben. Das ist das Ziel des aus Washington gesteuerten Vorgehens, um die eigene Bevölkerung zu einem Vorgehen kriegerischer Art zu motivieren. Diese Zielrichtung wurde spätestens mit Versailles manifest.
Der völkerrechtswidrige Krieg 1999 gegen Jugoslawien hat aber weitaus mehr deutlich gemacht. Um den USA getreu und zwangsläufig zur Seite stehen zu können, müssen wir unsere eigene rechtsstaatliche Ordnung und die eigene Verfassung aufgeben. Wie anders ist zu begründen, daß bei der ausdrücklichen Festlegung im Grundgesetz gegen jeden Angriffskrieg und deutscher Beteiligung es dennoch dazu kam? Das geht in der Aufgabe unserer Verfassungsgrundsätze weiter, wie der ehemalige Verteidigungsminister, Herr Professor Rupert Scholz mit seinem fortdauernden Verfassungsbruch und der Schutzlosigkeit deutscher Staatsgrenzen und den Millionen Grenzgängern seit September 2015 formulierte. Bei diesen umstürzlerischen Entwicklungen vermittelt sich eine Gewißheit. Wer auf das globale Ausgreifen der USA setzt, kann dies nur unter der Prämisse der Aufgabe seiner eigenen Verfassung tun. Wenn dagegen sich die Menschen aufbäumen und das zeigen diese Tage in Berlin ganz deutlich, werden dagegen die „Sturmtruppen der Neuen Weltordnung“ zwecks Einschüchterung auf die Straßen gelassen. In Kiev hat man dazu mit unseren Geldmitteln die ukrainischen Nationalsozialisten finanziert. Das wird natürlich ausgeblendet, wenn im Deutschen Bundestag aus gutem Grund an die Vergangenheit erinnert wird.
Es ist aber nicht nur Europa, das jeden umtreiben muß. Man ist fast hin-und hergerissen in der Überlegung, ob man sich auf Europa oder China/Asien konzentrieren soll. Dabei haben sich identische Vorgehens- weisen, fast zeitgleich zur Charta von Paris und den Entwicklungen in Asien ergeben. Was für Europa diese Charta als Grundlage für friedliche Beziehungen ist, das stellte für Asien die Idee des damaligen kasachischen Präsidenten Naserbajev dar. Er wollte, wegen der jederman klaren Konfliktlage auf dem östlichen Teil unseres Kontinentes, nach dem Modell der KSZE eine asiatische Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit. Es waren nicht nur ungeklärte Grenzfragen, die konfliktträchtig waren. Minderheiten durchziehen ganz Asien und haben zerstörerisches Potential. Die Vereingten Staaten, die in Europa gerade die KSZE nach vorne gebracht hatten, verweigerten sich ohne jede gute Begründung. Wenn man heute die Entwicklung in und um Hongkong und Taiwan sieht, kann man sich denken, warum das seinerzeit geschah, als man sich den Verhandlungen und friedlicher Konfliktbeilegen entzog. Eist ist doch keine Frage, daß Rufe in Hongkong auf Unabhängigkeit zwingende Auswirkungen auf jede Entwicklung in der Taiwan-Strafe haben.
In Washington kann und darf es nicht heißen: wir waren dann mal weg. Man sollte uns allen reinen Wein einschenken. Will man die Rückkehr zur Charta von Paris oder eine amerikanische Beteiligung an der heutigen „Shanghai Kooperationsgruppe“ oder nicht? Wenn die Antwort ein „nein“ sein sollte, wäre schon der Start der neuen Administration in Washington ein „Schuß in den Ofen“. So viele Kanäle können in den „Sozialen Medien des Imperiums“ gar nicht gelöscht werden, daß sich das nicht rumspricht.