Die 9-jährige Yuki lebt mit ihrer japanischen Mutter und dem französischen Vater in Paris. Nina ist ihre beste Freundin, trotz der unterschiedlichen Temperamente der träumerischen Yuki und der lebhaften Nina. Zwischen Yukis Eltern hingegen sind die Differenzen zu groß geworden. Sie wollen sich trennen. Plötzlich wird alles anders für Yuki. Mit ihrer Mutter soll sie nach Japan ziehen, fort aus ihrer Heimatstadt, von ihrem Vater, von Nina. Ein von Yuki im Namen der Liebesfee an Mama und Papa geschriebener Brief bewegt die beiden auch nicht zur Versöhnung. Nina weiß Rat: sie müssen eine Entführung vortäuschen, weglaufen zumindest! Doch allein im Wald kann man sich leicht verirren. Yuki verliert Nina aus den Augen und gelangt zu einem abgelegenen Häuschen. Doch auch hier gibt es Kinder. Sie sprechen japanisch und laden Yuki zu sich ein. Yuki besucht eine fremde und dennoch vertraute Welt, die wirklich oder geträumt sein könnte. Gemeinsamkeiten und Gegensätze spielen in „Yuki und Nina“ zusammen wie die beiden jungen Titelfiguren. Die westeuropäische und die asiatische Kultur, Freundschaft und Trennung, Vorstellung und Wirklichkeit verschmelzen zu einem magischen und dennoch wahrhaftigen Kinderfilm. Die Reise, welche ihr im wahren Leben bevorsteht, will Yuki nicht antreten. Also begibt sich das kleine Mädchen auf eine Reise in ihre Fantasie.
Kunstvoll verflechten Suwa und Girardot Elemente der westlichen und östlichen Märchenwelt. Yuki wandert durch den finsteren Wald und stößt auf ein Häuschen. Hier hausen weder Hexe noch böse Räuber, sondern eine japanische Familie. Yuki tobt mit den andern Mädchen herum und bewegt sich in einer asiatisch eingerichteten Wohnung. Indem sie ein Stück des Alltags jener anderen Kultur kennen lernt, in welcher sie zukünftig aufwachsen wird, verliert Yuki ihre Angst davor. Was Yuki fürchtet ist nicht, dass es in Japan, dem sie schon durch die Herkunft ihrer Mutter verbunden ist, schlechter sei. Sie fürchtet das Fremde und die Veränderung. Dabei ereignet sich der schwierigste Wandel in Yukis Leben unabhängig von ihrem Umzug nach Japan. Die Eltern lassen sich scheiden. Diese Trennung assoziiert Yuki direkt mit dem Umzug. Dieser reale Verlust ihrer bisherigen familiären Gemeinschaft wächst verbunden mit der bevorstehenden Änderung ihres Lebensumfeldes ins Übermäßige. Yuki glaubt, alles aufgegeben zu müssen, was ihr Halt gibt: ihr Zuhause, ihre Eltern, ihre beste Freundin Nina. Unterbewusst stellt sich Yuki ihrer Angst, um sie zu bekämpfen. Indem sie aus eigenem Antrieb ausreißt, verhindert sie eine erzwungene Trennung. Auf ihrer Traumreise zu den asiatischen Spielgefährtinnen im Wald erkennt sie, dass die Veränderungen in ihrem Leben sie auch in ihrer Heimat einholen würden. Selbst wenn ihre Mutter in Frankreich bliebe, würden sie und Yukis Vater nicht wieder zusammenkommen.
In kleinen, zärtlichen Momenten erzählen Suwa und Girardot, wie „Yuki & Nina“ beide lernen, mit Trennung und Sehnsucht umzugehen. Dabei leugnet der Kinderfilm nicht die schmerzliche Seite der Trennung. In Japan hat Yuki eine neue Freundin gefunden. Ihre beste Freundin bleibt dennoch Nina. Die sensible Erzählung weicht dem Konflikt nicht aus, indem sie eine idealisierte neue Lebenssituation für Yuki erschafft, sondern zeigt Loslassen als Teil einer Beziehung. Indirekt lernt Yuki so auch das Verhalten ihrer Eltern zu verstehen. Fast allegorisch ist der Erzählton von Suwas und Girardots Werk, welches mit seiner komplizierten Thematik leicht und humorvoll umgeht, ohne sie zu verwässern. Von der Erzählung vom Fuchs und den Nachtigallen, mit welcher der Film beginnt, bis zum leise sehnsüchtigen Ausklang ist „Yuki & Nina“ einer der schönsten Beiträge der Berlinale Generations: darüber, in weiter Ferne so nah zu sein.
Titel: Yuki & Nina
Berlinale Generations
Land/ Jahr: Frankreich/ Japan 2009
Genre: Kinderfilm
Regie und Drehbuch: Nobuhiro Suwa, Hippolyte Girardot
Darsteller: Noe Sampy, Arielle Moutel, TSUYU, Hippolyte Girardot, Marilyne Canto
Laufzeit: 92 Minuten
Bewertung: ****