Nun endlich ist es amtlich: Baubeginn im August 2013 (noch vor den ersten Nachtfrösten) und Fertigstellung im März 2017. Eingehalten werden sollen aber die vom Dresdner Stadtrat im Januar 2013 beschlossenen Baukosten von 81,5 Millionen Euro.
Woran liegt die Verschleppung? Sie hat objektive und subjektive Gründe. Objektiv, aber von Subjekten gemacht, ist die Verschleppung der Beschlußfassung im Stadtrat über den Doppelhaushalt 2013/2014 von November 2012 auf Januar 2013. Gut, ein Haushalt ist kein Kinderspiel. Dann schalteten sich die »Subjekte« der Landesdirektion Sachsen ein. Im Freistaat Sachsen ist nämlich die Dresdner Volksvertretung (oder die Leipziger oder die Chemnitzer) nicht so frei, über ihren Haushalt frei zu entscheiden, sondern der muß vom Freistaat genehmigt werden! Das hat weitere zwei Monate gekostet.
Der subjektive Faktor, das heißt, das menschliche Versagen aber lag in der Auftragsvergabe an ein Planungsbüro. Im vergangenen Jahr ist ein Planungsbüro abgesprungen. Die Stadtverwaltung versäumte es, umgehend ein neues Planungsbüro unter Auftrag zu nehmen. Acht Monate gingen verloren. Die Folge: ein um acht Monate verzögerter Baubeginn, eine um 19 Monate spätere Fertigstellung, denn ursprünglich sollte die Dresdner Philharmonie bereits im September 2015 die Spielzeit im neuen Saal eröffnen.
Im Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner verhehlen verantwortliche Leute nicht ihre Verärgerung, denn die Verzögerung zwingt sie, qualifizierte Mitarbeiter länger dafür freizuhalten, was natürlich auch mehr kostet. Vier Monate der verlängerten Bauzeit werden vom Dresdner Presseamt damit erklärt, dass auch die Orgel mit eingebaut werden kann, nachdem ihre Finanzierung vom Förderverein zugesichert wurde. Gut, das ist ein Gewinn. Bezweifeln darf man jedoch die Versicherung der Stadtverwaltung, die infolge der Verzögerung unvermeidliche Steigerung der Baupreise durch »Optimierungen in der Planung zu kompensieren.« Einsparen kann man immer etwas Überflüssiges, doch wenn an der Güte der Ausstattung gespart werden soll, wie der leitende Architekt Christian Hellmund durchblicken lässt, kann der Konzertbesucher doch mißtrauisch werden. Die Opposition im Stadtrat wird sehr wachsam verfolgen, wie der Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) die Budgettreue gewährleisten wird.
Ein zusätzliches Problem sind die Kosten der Nutzer des Palastes durch den verspäteten Einzug. Der Mehraufwand der Dresdner Philharmonie für den Spielbetrieb an sieben Spielstätten wird auf 1,8 Millionen Euro beziffert. Das gleichen die eingesparten Betriebskosten von 1,8 Millionen aus. Für die städtischen Bibliotheken jedoch fallen Mieten von 460 000 Euro an. Vom Kabarett »Die Herkuleskeule« wird zur Zeit vom Finanzressort der Stadt nichts vorgerechnet.
Das Hauptproblem jedoch ist die zusätzliche Belastung der Dresdner Philharmonie, eines Spitzenorchesters, für dessen guten Ruf seine Qualität entscheidend ist. Ralf Lunau räumt ein, dass mit einer Übergangszeit von fünf statt von drei Jahren die Grenze des Zumutbaren für das Orchester erreicht sei. »Der tatsächliche Baubeginn wird das Orchester jedoch in seiner künstlerischen Arbeit beflügeln.« Gut gebrüllt, Löwe, doch der Chefdirigent Michael Sanderling, der mit seinen Musikern die künstlerische Verantwortung trägt, hat sich noch nicht geäußert. Sanderling hat sein Amt im Bewußtsein der Kompliziertheit des Schwebezustands bis zur Inbesitznahme des neuen Konzertsaals übernommen. Aber die Theorie ist das eine, das tägliche Leben das andere. Werden ihm seine Orchestermitglieder durch dick und dünn folgen?
Glück im Unglück: am 1. Januar 2015 wird ein neuer Intendant sein Amt antreten. Er wird weniger Stress haben, die erste Spielzeit im neuen Saal zum größten künstlerischen Nutzen für seine Musiker, für die Dresdner Musikfreunde, für die zum Konzertieren eingeladene Sächsische Staatskapelle Dresden und für die erwarteten renommierten Gastorchester vorzubereiten.
Gefordert ist nun der Kulturbürgermeister Ralf Lunau. Nachdem die fraktionsübergreifend besetzte Lenkungsgruppe des Finanzbürgermeisters und des Kulturbürgermeisters am Mittwoch von den Plänen informiert wurde, erwartet der Orchestervorstand der Dresdner Philharmonie, dass Lunau die Belegschaft unterrichtet, wie er das im Februar auch bei der Staatsoperette Dresden getan hat. Das Orchester verhält sich ruhig, jedoch ist es vom weit hinausgeschobenen Fertigstellungstermin verunsichert. Die Stadtverwaltung hat allen Grund, das wankende Vertrauen in ihre Führungstätigkeit wiederherzustellen. »das Orchester ist sehr hungrig nach dem neuen Saal, und es ist deswegen in der Übergangszeit auch leidensfähig,« sagte der Chefdirigent Michael Sanderling vor einem halben Jahr im Interview. Man kann durchaus zufrieden sein, dass der Umbau des Kulturpalastes trotz echter und künstlicher Hindernisse nicht wieder gekippt (worden) ist. Jedoch hat der Orchesteralltag seine Mühen, und die Geduld der Mitglieder der Philharmonie wird auf eine härtere Probe gestellt, als vorauszusehen war.
Mit desto grösserer Sorgfalt und Behutsamkeit muss die Stadt bemüht sein, den Musikern bestmögliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, zum Beispiel durch die Akustik im Probensaal. Eine Anfrage, ob und wann Bürgermeister Lunau mit dem Orchester sprechen wird, blieb bisher unbeantwortet.