Berlin, BRD (Weltexpress). Während Frankreichs Präsident Macron gerade mit Hilfe der Faschisten Marine Le Pens einer Rechtsregierung den Weg bereitet, hat Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella zu den Gedenkfeiern in D ‚Ampezzo anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung der Gebiete der Carnia und Friulis im September 1944 durch die Partisanenarmee und die Errichtung von Partisanenrepubliken als Beitrag zur Befreiung vom Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht und ihrer Gehilfen Mussolinis gewürdigt. „Hier liegen die Wurzeln unserer Verfassung und unseres demokratischen Lebens“ erklärte er und erinnerte an die grausamen Verbrechen der Nazis, an denen das von Mussolini errichtete Regime der Italienischen Sozialrepublik 1 beteiligt war, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur „ANSA“. Die Regionalpräsidentin des Partisanenverbandes ANPI, Antonella Lestani, verwies darauf, dass unter den zwanzig freien Partisanenzonen, die im Sommer/Herbst 1944 in Norditalien gebildet wurden, die Republiken von Carnia und Alto Friuli mit etwa 2.000 Quadratkilometer zwischen den Bergen von Udine, dem Alto Pordenone-Gebiet und des Cadore-Zentrum die Größten waren. Werfen wir einen Blick aufdenhistorische Beitrag der Antifaschisten Italiens zum Sieg über den Faschismus im April/Mai 1945.
Die erste befreite Zone entstand bereits im August 1944 im Ergebnis der größten Partisanenschlacht im Gebiet von Montefiorino, wo die Partisanen um die Ortschaft auf dem strategisch wichtigen 800 Meter hohen Apennin einen Keil in die deutsche Verteidigungsstellung, die so genannte Gotenlinie, trieben. Die Besatzungstruppen versuchten vergeblich, die Partisanen zu vertreiben. Die befreite Zone verteidigten 8.000 Kämpfer gegen drei deutsche Divisionen, die mit schwerer Artillerie (152-mm- und 88-mm-Geschützen), Panzern und Flammenwerfern in drei Richtungen angriffen. Nachdem die Angreifer anfänglich Geländegewinne erzielt hatten, schlugen die Partisanen sie überall zurück. Die Besatzer verloren 2.080 Tote. Bei den Partisanen fielen 250 Kämpfer, 70 wurden verwundet. Bis zum Ende des Befreiungskrieges gelang es den Besatzungstruppen nie, die freie Zone von Montefiorino zurück zu erobern.
Das zeugte von der Schlagkraft der Partisanenverbände, gegen die die Wehrmacht bereits Anfang 1944 15 Divisionen einsetzen musste. Die Partisanentruppen wuchsen zu einer schlagkräftigen, nach regulären militärischen Grundsätzen aufgebauten Armee an. Bereits im November 1943 wurde auf Initiative der IKP ein einheitliches Generalkommando gebildet, dem alle Partisaneneinheiten unterstellt wurden. Luigi Longo vom PCI und Sandro Pertini vom PSI waren die beiden Befehlshaber. Es nahm seinen illegalen Sitz in Mailand. Das Kommando verfügte über einen Aufklärungs- und Sicherheitsdienst, eine Militärgerichtsbarkeit und ein Polizeikorps. Ein »Sicherheitsbericht« des Wehrmachtskommandos gab im Juni 1944 an, dass im Mai des Jahres 2.035 und im Juni ungefähr 2.200 Partisanenaktionen stattfanden, dabei im Juni 17 Munitionsdepots und 24 Kasernen und Garnisonen des republikanischen Heeres (die faschistischen Hilfstruppen Mussolinis) sowie eine deutsche Kommandantur angegriffen wurden. 2
Darunter fiel der als »kühner Handstreich von Belluno« bekannte Überfall der Brigade »Nino Nanetti«, die am 15. Juni 1944 mit elf Partisanen, sieben davon in deutschen Uniformen und vier in der Rolle von Gefangenen mit Handschellen, sich in das schwer bewachte Gefängnis der Stadt, begab, die Wachmannschaften überwältigte und 73 politische Häftlinge befreite. Nach 20 Minuten entkam das Kommando zu seinem Stützpunkt in den Bergen. Um die peinliche Niederlage zu verhüllen, verbreitete die Wehrmachtskommandantur, die Stadt sei von 3.000 Partisanen umzingelt worden, 600 hätten das Gefängnis überfallen. Der Handstreich fand große Zustimmung vor allem unter Jugendlichen, von denen Hunderte danach zu der Brigade in die Berge gingen.
Es gelang der IKP, einen an der Basis tief verwurzelten Patriotismus zu wecken, von dem die in Dokumenten und Veröffentlichungen wiedergegebenen Briefe und Bekenntnisse zeugen. Battaglio/Garritano zitieren aus einem Brief, den der kommunistische Arbeiter Eusebio Giambone vor der Hinrichtung durch ein Wehrmachtskommando an seine Frau schrieb: »Ich sterbe ungern, aber ich fürchte mich nicht zu sterben. (…) Ich bin ruhig, denn ich bin mir dessen bewusst, dass ich während meines kurzen Lebens Gutes getan habe, nicht nur in den engen Schranken der Nächstenliebe, sondern indem ich mich ganz, all meine Kräfte, waren sie auch nur bescheiden, pausenlos im Kampf für die große heilige Sache eingesetzt habe, für die Befreiung der unterdrückten Menschheit.« In einem Lied sagt ein Partisan beim Abschied von Frau und Kind: »Wenn der Morgen kommt, muss ich zieh’n. Und Italiens Feinden im ganzen Land, wird das Lachen bald vergeh’n«. Und wenn er fallen sollte, ist er sicher: »Unser Volk, das nie unseren Kampf vergisst, wird dem Söhnchen Vater sein«.
Vom mutigen Kampf der Partisaninnen und Partisanen zeugen unzählige Heldentaten. Giani Nicolò, genannt Gianni, ein Kämpfer der Patriotischen Kampfgruppen (Gruppi di Azione Patriottica – GAP),3 verteidigte sich am 16. Juli 1944 fünf Stunden allein in den Trümmern eines Hauses gegen rund Einhundert deutsche und italienische Faschisten, Als er keine Munition mehr hatte, warf er mit Steinen und fiel mit dem Ruf »Mörder! Verräter des italienischen Volkes! Meine Genossen werden mich rächen!«. Am 14. August 1944 wurde Irma Bandiera, Kurier einer GAP-Gruppe, grausam ermordet. Nach ihrer Gefangennahme wurde sie gefoltert und, als sie den Stützpunkt ihrer Brigade nicht preisgab, geblendet und dann auf offener Straße erschossen. In den Chroniken der Resistenza steht der Name des siebenjährigen »Straßenjungen« Pasqual Illuminato, eines italienischen Gavroche, der während des Aufstandes in Neapel im September 1943 Handgranaten auf einen deutschen Panzerwagen warf und umkam. Unvergessen sind die sieben Brüder der Familie Cervi, die alle im bewaffneten Kampf den Tod fanden.
Gegen den italienischen Widerstand führten in der Salò-Republik Wehrmacht, SS, SD, Gestapo und Sicherheitspolizei mit ihren italienischen Erfüllungsgehilfen – den Camice Nére (Schwarzhemden) und der Miliz – einen grausamen und erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Für Geiselerschießungen, das Niederbrennen von Dörfern, Mord und Folter stehen als Beispiele die Ardeatinischen Höhlen bei Rom (335 durch Genickschuss ermordete Geiseln), die Gemeinde Marzabotto (1.830 viehisch umgebrachte Bewohner) oder der Fall des SS-Henkers von Mailand, Hauptsturmführer Savaecke (verantwortlich für die Ermordung von über 2.000 Juden und Widerstandskämpfern).4 Wie der westdeutsche Historiker Gerhard Schreiber festhielt, wurden in der Salò-Republik im statistischen Mittel – ohne die gefallenen Partisanen und regulären Soldaten einzubeziehen – täglich 165 Kinder, Frauen und Männer jeden Alters umgebracht. 5
Die Partisanenarmee zählte in der Endphase der Resistenza 256.000 Kämpferinnen und Kämpfer, von denen die IKP mit ihren aus Kommunisten und Sympathisanten zusammengesetzten Garibaldi-Brigaden 155.000 stellte.6 Es gab 70 vor allem aus Sozialisten bestehende Matteotti-Brigaden, 198 von der Aktionspartei formierte Giustizia e Libertà genannte und 181 vor allem auf die DC ausgerichtete Brigaden des Volkes. Von 70.930 Gefallenen waren 42.558, von 30.697 Verwundeten 18.416 Angehörige der Garibaldiner. 206.000 Partisanen zählten die örtlichen Gruppi di Azione Patriottica (GAP).
Am 18. April 1945 wurde in Turin der Generalstreik ausgerufen, an dem sich fast alle von der Hitlerwehrmacht noch besetzten Städte Norditaliens beteiligten. In Mailand, Turin, Genua, Bologna, Brescia, Padua, Udine, Venedig und etwa 200 weiteren Städten begann der bewaffnete Aufstand, der noch vor dem Eintreffen der alliierten Truppen zu ihrer Befreiung führte. Mailand wurde nach schweren Kämpfen am 27. April eingenommen, fünf Tage vor dem Eintreffen der Alliierten am 2. Mai. In den befreiten Städten nahmen die örtlichen Komitees des Befreiungskomitees Norditaliens CLNAI sofort ihre Arbeit als revolutionäre Machtorgane auf. In den Fabriken, die von den Unternehmensleitungen verlassen worden waren, bildeten Kommunisten und Sozialisten Fabrikräte, welche die Leitung der Produktion übernahmen. Die Partisanenarmee eröffnete zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von über 400 Kilometern ihre letzte Offensive gegen die Wehrmacht, deren Truppen in Stärke von 19 Divisionen zwischen Friuli und Carnia konzentriert waren. Auch in dieser letzten Offensive kämpften die Garibaldi-Brigaden der IKP in vorderster Linie. In Genua ergab sich der Ortskommandant der Wehrmacht, General Meinhold, den Garibaldinern und ging mit 9.000 Mann in Gefangenschaft. Die Kapitulationsurkunde unterzeichnete der Arbeiter Remo Scappini, Kommunist und Vertreter des Befreiungskomitees. Am 27. April kapitulierte das X. Panzerkorps der Wehrmacht. Am 30. April nahmen Garibaldiner am Monte Grappa 33.000 deutsche Soldaten gefangen. Den Partisanen ergaben sich zwischen dem 25. April und 4. Mai allein im Veneto 140.000 Soldaten der Wehrmacht. Die Gefangenen wurden nach dem Eintreffen der alliierten Truppen diesen übergeben. In allen Fällen hatten die Partisanenkommandeure hier einer Forderung von US-General Clark zuwider gehandelt, Wehrmachtsangehörige nicht gefangen zu nehmen, sondern in den Stellungen zu verharren und auf das Eintreffen der alliierten Truppen zu warten. Dabei sollten die deutschen Soldaten sogar ihre Waffen behalten dürfen.
Am Morgen des 27. April wurde die Autokolonne des »Duce«, der, begleitet von einer deutschen SS-Einheit, in die Schweiz flüchten wollte, hinter Como bei der Ortschaft Dongo von einer Partisaneneinheit gestoppt. Die SS lieferte Mussolini und seine Begleitung den Partisanen aus und durfte dafür ihren Marsch fortsetzen. Das Befreiungskomitee entsandte aus Mailand ein von der 52. Garibaldi-Brigade gestelltes Exekutionskommando unter dem Befehlshaber der Garibaldi-Brigaden, Oberst Walter Audisio (Kampfname Valerio). Am 28. April wurde am Ufer des Sees von Dongo das vom CLNAI verhängte Todesurteil gegen Mussolini und weitere führende Faschisten, die sich geweigert hatten zu kapitulieren, vollstreckt.
Die Leichen Mussolinis und seiner Begleitung wurden nach Mailand gebracht und auf der Piazzale Loreto mit den Köpfen nach unten aufgehängt. Am selben Ort hatten die Mussolinifaschisten am 12. August 1944 fünfzehn ermordete Geiseln auf dieselbe Weise zur Schau gestellt. Die Vollstreckung der Todesurteile an Mussolini und seinen Komplizen gab das CLN am 29. April 1945 bekannt.
Auch mit der Hinrichtung Mussolinis war eine Weisung des Alliierten Kommandos ignoriert worden, diesen bei einer Gefangennahme zu übergeben. Um diese Brüskierung nicht einzugestehen, verzichtete das Alliierte Kommando auf Einwände. Wie Pietro Secchia und Filippo Frassati in ihrer »Storia della Resistenza« berichteten, erklärte der für die Lombardei zuständige Vertreter der Amgot, Oberst Charles Poletti, auf einem Empfang, den er in der Präfektur von Mailand für das CLNAI und eine Partisanenabordnung gab: »Wir haben in Mailand alles in ausgezeichneter Disziplin vorgefunden. Wir sind auch auf der Piazzale Loreto gewesen und haben dem CLN und den Partisanen unsere vollste Anerkennung für ihre bewundernswerte Operation ausgedrückt.« 7
Anmerkungen:
Der Autor schrieb zum Thema „Die Resistenza. Italien im Zweiten Weltkrieg, PapyRossa Verlag, Köln 2014.
1 Nach seinem Sturz im Juli 1943 kehrte Mussolini am 23. September in das von der Wehrmacht besetzte Italien zurück und bildete eine neue Regierung. Einen Monat später, am 25. Oktober, proklamierte er einen Stato Nazionale Repubblicano d’Italia, der am 1. Dezember 1943 in Repubblica Sociale Italiana – RSI (Italienische Soziale Republik) umbenannt wurde.
2 Roberto Battaglia/Giuseppe Garritano: Der italienische Widerstandskampf 1943 bis 1945, Berlin/DDR, S. 158 f.
3 Die GAP waren regionale, vor allem in den Städten operierende kleine Kampfgruppen, die oft nur 3 bis 4 Mitglieder zählten.
4 Savaecke wurde von US-Truppen am 29. April 1945 gefangen genommen und unbeschadet seiner Verbrechen von der CIA in Dienst gestellt, für die er bis 1951 in Westberlin im Headquarter Germany arbeitete. Danach setzte er seine Karriere im Bundeskriminalamt fort, wo er zum Regierungskriminalrat aufstieg, Leiter der Abteilung Hoch- und Landesverrat und schließlich Stellvertretender Chef der Sicherungsgruppe Bonn wurde. Trotz erdrückender Beweise, die u. a. Turiner Ermittlungsbehörden übergaben, wurde gegen den SS-Verbrecher nie Anklage erhoben. Als Savaecke 1971 pensioniert wurde, schloss die Dortmunder Staatsanwaltschaft den »Vorgang«.
5 Deutsche Kriegsverbrechen in Italien, München 1996.
6 In diesen Zahlen sind nicht die in Jugoslawien und Griechenland in den Reihen der dortigen Partisanenarmeen kämpfenden Italiener enthalten, die meist den Kommunisten und Sozialisten bzw. ihren Sympathisanten zuzurechnen waren. Allein in Jugoslawien kämpften zwei Divisionen, darunter eine, die sich nach Garibaldi nannte.
7 Pietro Secchia/Pilippo Frassati: Storie della Resistenza, Rom 1956.