Rom, Italien; Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die neue Koalition in Rom und für Italien scheint zu stehen. Und Salvini schein raus zu sein. Doch der Schein trügt.
Unter der Überschrift „Fünf Sterne und Sozialdemokraten einig – Koalition gegen Salvini“ heißt es in der „Welt“ (28.8.2019), dass „die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien … sich mit den Sozialdemokraten auf Giuseppe Conte als neuen Premier einer gemeinsamen Regierung verständigt“ habe und „falls Präsident Mattarella“ zustimme, „Hardliner Salvini leer“ ausgehe.
Nun, Matteo Salvini ist nicht der Chef der Hardliner, sondern der Lega, und Conte wie Fett, das oben schwimmt. Er war schließlich Regierungschef in Rom, auch wenn er kürzlich, genauer: am 20. August 2019, quasi zurücktrat. Doch auf Ersuchen von Staatspräsident Sergio Mattarella blieb sein Sozusagen-Rücktritt ein formeller und er übergangsweise im Amt. Nun soll also der alte Chef auch noch der neue sein. Super?
Die Italo-Sozen von der Partito Democratico (PD) unter Parteichef Nicola Zingaretti finden das anscheinend gut und Luigi di Maio, Chef der Movimento 5 Stelle, offensichtlich auch nicht schlecht.
Matarella könnte Conte schon morgen „einen Regierungsauftrag erteilen“, wie es in „Spiegel-Online“ (28.8.2019) unter der Überschrift „Neue Koalition in Italien – Fünf Sterne und Sozialdemokraten einigen sich – Salvini ist raus“ heißt. Könnte, doch deswegen ist oder wird nicht alles gut. Im Gegenteil!
Diese neue Koalition ist auf keinen Fall eine Liebesheirat, sondern eine aus der Not geborene vermutliche Vernunftehe, denn Movimento 5 Stelle, die bei der letzten Wahl noch 33 Prozent erhielt, ist in der Gunst der Wähler tief gesunken. In Umfragen rutschten deren Mitglieder und Mandatsträger auf rund 17 Prozent runter.
Die PD hingegen kletterte von 19 Prozent, die sie bei der Wahl erhielt, in den Umfragen auf 24 Prozent.
Doch die Lega mit Salvini an der Spitze, die zur letzten Wahl bereits 17 Prozent erhielt, steigt weiter und erklimmt in Umfragen derzeit die 40-Prozent-Marke. In Friaul-Julisch Venetien, in der Lombardei und vor allem in Venetien kommt die Lega schon deutlich über 40 und nah an 50 Prozent.
Die Parteien der neuen italienischen Koalition haben also Angst vor Neuwahlen, vor dem Sieg von Salvini und der Lega. Auch im Aostatal und im Piemont kippt die Stimmung immer mehr zur Lega. Mit anderen Worten: der Norden Italien wählt mit großer Mehrheit Lega. Zudem gewinnt die Lega mehr und mehr Wähler in Marken, Umbrien und Abruzzen. Auch in der Emilia-Romagna, der Toskana und in Ligurien stürmen sie über die 30-Prozent-Marke Richtung 40 Prozent.
Vermutlich wird das neue Zweckbündnis auch mangels permanenter Pleite und leerer Kassen nicht lange halten, während die Lega kritisiert und auf über 50 Prozent kommt.
Das wären für manche Italiener Zustände, die der Aufstände wert wären.
Bislang führt das nur zu einer Koalition von Politiker, die sich im Grunde genommen nicht leiden können. Mancher Kenner spricht auch von sich hassenden Politikern und Parteien.
Unter „Conte bleibt Ministerpräsident – Jetzt fliegt Salvini
aus der Italien-Regierung – Lega-Chef Salvini hat sich verzockt: Sozialdemokraten einigen sich mit Fünf-Sterne-Partei“ in „Bild“ (28.8.2019) steht sogar, dass „die sich eigentlich bisher stets bekriegt hatten“.
Daran wird sich auch im Wesentlichen nichts ändern, auch wenn es so erscheinen mag. Dass es laut „Bild“-Zeitung „durch die Einigung … eine neue Regierung in Italien geben“ werde und zwar „ohne Neuwahlen und Conte bleibt Regierungschef“ ist zu kurz gedacht.
Nicht „Salvini raus“ oder „Salvini steht am Ende“ oder Abgrund muss es heute heißen.
Das Gegenteil ist der Fall. Italien steht am Abgrund. Die Gesamtverschuldung ist auf über 130 Prozent der volkswirtschaftlichen Leistung gestiegen. Zur Erinnerung: Erlaubt sind laut Maastricht-Vertrag, an den sich kaum eine Regierung eines EU-Staates hält, nur 60 Prozent.
Italien steht am Abgrund und wird unter der nächsten Conte-Regierung nun nicht (zwangs)geeint, sondern spätestens im Laufe der nächsten Konjunkturkrise mit noch größerem Karacho kaputtgehen und könnte als nächster Staat aus der EU ausscheiden.
Um das zu erkennen, muss man kein Hellseher sein, sondern Historiker.