Berlin, Deutschland (Weltexpress). Derbys strahlen immer einen Reiz aus. „In Berlin steigert sich dieser Reiz zu etwas Besonderem“, hat Unions Schweizer Trainer Urs Fischer beobachtet. Im Verborgenen blüht da wahrscheinlich noch das alte Ost-West-Denken. Urs Fischer saß beim Pokaltreffen der Hertha gegen Dynamo Dresden auf der Tribüne im Olympiastadion und war angenehm überrascht: „Ich hörte viel anerkennende Worte. Ich erhielt sogar Glückwünsche für unsere Spiele in München und Freiburg. Ich musste sogar viele Selfies machen.“ Das Thema Mauerfall-Jubiläum findet bei Trainer Fischer nicht statt: „Wir konzentrieren uns auf das Spiel. Es wird schwer genug.“
Der Union-Coach sieht keineswegs einen Vorteil für seine Männer, nur weil Hertha gegen Dresden in die Verlängerung und danach ins Elfmeter-Schießen musste. „Wenn du mit der letzten Aktion in der Nachspielzeit der Verlängerung den Ausgleich schaffst und danach das Elfmeter-Schießen gewinnst, bist du moralisch gut drauf. Dann nimmst du die gute Stimmung aus dem Olympiastadion mit. Von Müdigkeit kann bei Hertha bestimmt keine Rede sein“, ist Fischer überzeugt.
Die Herthaner bringen eine gute Qualität auf den Rasen. Der Unioner weiß das schon lange und meint: „In der Vorwärtsbewegung sind die Herthaner enorm schnell. Dazu beherrschen sie das Umkehrspiel sehr gut.“ Trotzdem glaubt Fischer, dass diese Aufgabe am Sonnabend in der „Alten Försterei gelöst werden kann. Der Trainer erhält dabei Unterstützung von seinem Kapitän Christopher Trimmel. „Wir müssen in jedem Spiel um jedes Tor und damit um jeden Punkt kämpfen. In der Bundesliga gibt es keinen Gegner, bei dem du mal die Beine hochnehmen kannst. Unser Hauptziel besteht daran, die Liga zu halten und so werden wir auch gegen Hertha spielen.“
Der Trainer muss die Mannschaft nicht motivieren. Bei dem Derby vor lange, lange ausverkauftem Haus besteht bei den Eisernen null Gefahr gedanklich Rost anzusetzen. „Da ist jeder hochmotiviert.“, verspricht Trimmel. Wen Trainer Fischer auf den Rasen schickt, behält der für sich: „Ich versuche immer, eine Startelf zu formieren, die ich für stark genug halte, um einen Sieg einzufahren.“ Der Schweizer gibt zu, dass es ihm an jedem Wochenende schwerfällt, die Aufstellung bekanntzugeben. „Weil ich immer Spieler enttäuschen muss.“ Wie so oft pocht er wieder auf die Wichtigkeit der Bank: „Wenn du beim Einwechsel neuen Schwung aufs Feld bringen kannst, bist du immer im Vorteil.“ Um die Fitness seines Teams macht sich Urs Fischer keine Sorgen: „Wenn du im Pokal die nächste Runde erreichst, findet die Regeneration viel schneller statt.“
Freundschaft
Am 27. Januar 1920 trafen sich wenige Wochen nach dem Mauerfall Hertha und Union zu einem Freundschaftsspiel. 51 270 Zuschauer drängten damals auf die Tribüne. Die Mannschaft aus dem Berliner Westend hinter der Mauer wurde auch in Ostberlin geliebt. Doch die Sympathien von damals scheinen durch den sportlichen Konkurrenzkampf etwas verflogen. So sagte Union-Präsident Dirk Zingler zu “Sport.de“ : „Ich mag diese politische Überhöhung von Fußball nicht. Wir haben den Mauerfall den Menschen zu verdanken, die in der DDR so mutig waren, sich gegen das Regime aufzulehnen.“ Der Fußball habe damit nichts zu tun. „Wir wünschen uns deshalb heute ein spannendes, heiß umkämpftes Spiel – mehr nicht.“
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Manfred Hönel wurde unter dem Titel “ Trotz Pokal-Stress – Fischer glaubt nicht an müde Herthaner“ am 2.11.2019 in „Märkische Oderzeitung“ erstveröffentlicht.