Beginnt man seine Route im „Lieblichen Taubertal“ in der ehemaligen Zisterzienser-Abtei Bronnbach aus dem 12. Jahrhundert, in deren Bursariat, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude und heute Gästehaus, man übernachten kann, zwar in mönchsschmalen Betten und ohne TV, aber mit großzügigem Bad, so erlebt man schon den ersten Kulturgenuss. Ausgetretene Treppenstufen, doch auch ein moderner Lift führen in die Zimmer. Nur 30 Mönche in ihren braunen Kutten lebten immer im Kloster mit der 960 Meter langen Klostermauer, aber 120 Konverse, die Laienbrüder, die, weil sie alle Arbeit verrichten mussten, nur einmal an Sonn- und Feiertagen zu beten brauchten. Dazu, so erzählt der Klosterguide, war der Altar der Klosterkirche mit dem 20 Meter hohen Turm und den später hinzugefügten goldenen barocken Altären durch einen hohen gemauerten Lettner abgetrennt, hinter den die Konversen keinen Zutritt hatten. Sie durften auch nie den Kreuzgang betreten. Eine Zweiklassengesellschaft auch in der geistlichen Welt.
Man glaubt es kaum, an die 400 Zisterzienser-Klöster soll es in Deutschland geben, 14 davon aktiv. Auch in Bronnbach leben noch drei Mönche, die die umliegenden Pfarreien betreuen.
Im Kloster-Shop kauft man kleine von Klosterbrüdern hergestellte Raritäten wie „Echten deutschen feincremigen Blütenhonig“, kandierte Veilchen- und Kloster-Rosenblüten und sogar Wein aus der Vinothek. Schon auf der Straße weist ein Schild auf den Biergarten hinter dem Kloster hin. Eine lange Tradition hat die Braukunst in Frankens Klöstern, denn „Bier ist flüssig Brot“, weshalb die Frater in der Fastenzeit gern darauf zurückgriffen. Und Franken ist nach eigener Werbung „die Heimat des flüssigen Goldes“.
Weiter führt die Route der Genüsse im nahen Wertheim am Zusammenfluss von Tauber und Main und an der Romantischen Straße, der Nummer zehn der 100 Touristenstraßen in Deutschland. Wertheim hat 24.000 Einwohner und 500.000 Tagesbesucher im Jahr, 2,3 Millionen Besucher allein im Wertheim Village, einem Outlet für die Kaufsüchtigen. 410 Weltmarktführer sind in Wertheim angesiedelt, etwa die bei Chinesen bejubelte Firma Alfi, die Isolierkannen herstellt. Auch Notenständer stammen aus Wertheim, das seinen Reichtum jedoch schon im 16./17. Jahrhundert dem Weinbau verdankt. Schon Goethe bestellte „6 bouteillen Wertheimer Weiß- und Rotwein“, wie ein erhaltener Bestellzettel mit seiner Unterschrift vermerkt. Der Zettel erbrachte heute bei einer Versteigerung 16.000 Euro. Auch Friedrich der Große war „dem Wertheimer“ nicht abgeneigt.
Hoch über der Altstadt thront Burg Wertheim, die Ruine einer Stauferburg aus dem 12. Jahrhundert. Der Blick aus den kleinen Fenstern des Spitzen Turms, 75 Zentimeter außer Lot, gewährt eine schöne Sicht auf Altstadt, Burg und die Tauber-Mündung in den Main. Der hohe Blechtopf, erfährt man, wird Buddescheißer genannt – irgendwohin musste der Turmwächter sich ja entleeren – und in Anklang daran heißt auch der leckere Pfirsichlikör mit Tresterbrand so, den Besucher kosten dürfen.
Weiter geht es mit einer Stadtführung auf der Route der Genüsse. Die Parfümerie Cremetöpfchen kreierte zwei Düfte, die gern als Souvenir gekauft werden, vor allem von Englisch sprechenden Gästen: „From Wertheim with Love“.
Im Kaffeeraum kann man Mokka und Espresso aus den Samen der weißen Süßlupinen verkosten, die in Wertheim angebaut, im Spätsommer geerntet, gereinigt und schonend geröstet werden. Die Bohnen sollen eiweißreich sein und reich an ungesättigten Fettsäuren. Ihre Namen Lupino, Lupresso, Lupino Mokka und Lupino arabico.
Schokoladenfans müssen bei Art of Chocolate reinschnuppern und die eckigen Traumpralinen mit den ungewöhnlichsten Füllungen wie Mandarine Olivenöl, Apfel Jalapeno, Melone Grappa oder die neue Bierpraline O`Zapft is probieren. Chocolatier Philip Aczél verkauft seine Schokoladentafeln als „Kleine Desserts“ mit dem Geschmack von Tiramisú, Apfelstrudel, Marille Topfen und hat Erfolg.
Dann aber wieder etwas Kulturgenuss. Das Atelier Schwab in der Fürstlichen Kemenate, wunderschön in der Mitte des Burghangs gelegen, zeigt ungewöhnliche und gewöhnungsbedürftige Fotografien und Gemälde – in immer neuen Ausstellungen. Aber auch damit kann man sich auseinandersetzen.
Am Abend könnte man sich ein Menü mit Kräutern aus dem Churfranken-Kräutergarten im Winzerort Großheubach schmecken lassen, am besten im Gasthaus zur Krone, und zu jedem Gang den passenden Wein. Küchenchef Ralf Restel zaubert als Vorspeise Tatar vom Bachsaibling mit Dill auf Kartoffelpuffer, dazu eine Scheurebe von Kremers Winzerhof Großheubach, eine Spargelcremesuppe mit Petersilienschaum, wozu ein Homburger Kallmuth Silvaner vom Weingut Fürst Löwenstein Kleinheubach passt, ein mit Salbei gefülltes Kalbsschnitzel auf Nudeln in Portweinsauce mit 2011er Buntsandstein Spätburgunder des Weinguts der Stadt Klingenberg, und als Dessert Matchamousse auf Erbeer-Mangosalat mit Vanille und Minze, zu dem die 2012er Rieslanerauslese vom Weingut Rudolf Fürst Bürgstadt mundet. Zum Abschluss darf`s ein feines Destillat aus dem Destilleum Michael Mayer aus Großostheim sein, eine feine Adresse.
Setzt man am nächsten Morgen mit der Mainfähre vom Stadtteil Mondfeld über nach Stadtprozelten, wechselt man die Bundesländer und tauscht Baden-Württemberg gegen Bayern. Ein schöner Blick auf die Ruine Henneburg, die man auch besichtigen darf. Bei der Weiterfahrt ins Landhotel Adler in Bürgstadt wartet die Martinskapelle, eine der ältesten Gotteshäuser Frankens, vermutlich aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts, auf Besichtigung, ein Juwel an Ausschmückung mit Fresken und Malerei. Die Bilder stellen die Erschaffung der Welt dar mit Sintflut, Arche Noah, aber auch den Lauf des Kirchenjahres mit den Kreuzweg-Stationen und teils frechen Sprüchen unter den Bildern, etwa “Judaß Der ungetreue Hundt küßt fälschlich den hern an seinem Mundt“.
Nach soviel Kultur tut ein Slow-Food-Menü im „Adler“ gut, kleine Köstlichkeiten aus Churfranken. Hausgebeizte Lachsforelle aus dem Spessart mit Dill-Senf-Sauce, Rote Bete-Carpaccio mit Mousse von der Räucher-Forelle und Meerrettich, Salat von buntem Spargel, gegrillte Gemüse mit einheimischem Ziegenkäse, Rindfleischsalat mit Kürbiskernen und Roten Zwiebeln, frische Erdbeeren mit Weißherbst-Weinschaum und hausgemachtem Erdbeer-Vanille-Halbgefrorenem. Die abrundenden Weine aus den Bürgstadter Lagen Centgrafenberg und Hundsrück rühren aus dem Weingut Burkhard Hench.
Perfekt gestärkt, sollte man die churfränkische Landkreis-Metropole Miltenberg, die „Perle am Main“, aufsuchen. Pittoreske Motive ohn` Unterlass, ob`s das „Schnatterloch“ ist, eins der meist fotografierten Urlaubsmotive in Deutschland, oder das älteste Gasthaus Deutschlands, das Gasthaus „Zum Riesen“. Schönstes Fachwerk in der gesamten Stadt. Und in der ganzen Gegend Madonnen, mal mit, mal ohne Kind an fast jeder Hausfassade, weshalb die Region auch Madonnenländle genannt wird.
In Miltenberg ist es fast schon ein Muss, die älteste Brauerei aus dem Jahre 1631 zu besichtigen, das Brauhaus Faust, inklusive Eiskeller und Schatzkapelle und – wohl am wichtigsten – Verkostung von Bier-Raritäten wie dem Auswandererbier und der 14-prozentigen auf Rotweinhefe und wie Rotwein schmeckenden Brauereireserve.
Ein Rundflug vom Flugplatz Mainbullau über die Genussregion könnte den Abschluss der Reise bilden.
Halten wir es mit Goethe: „Kein Genuß ist vorübergehend, denn der Eindruck, den er zurückläßt, ist bleibend.“
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Unterstützungshinweis:
Die Recherche wurde unterstützt von Tourismus Wertheim und Churfranken.