Als Herbert Frahm, der spätere Willy Brandt, aus seinem sicheren Osloer Exil einreist in die Reichshauptstadt Berlin. Mit falschem Pass und unter falscher Identität, um als Student Gunnar Gaasland in der Höhle des Löwen den Widerstand gegen Adolf Hitler und das Dritte Reich zu organisieren. Ob in einem Anflug von sozialdemokratischer Zivilcourage oder rebellischem Leichtsinn, darüber mag man durchaus streiten.
Buntes Kaleidoskop
Denn von Anfang an hat das Eintauchen in die Berliner Illegalität etwas zutiefst Bedrückendes. Daran lässt das Stück nicht den geringsten Zweifel, wenn es in eindrücklicher Intensität die frühe Phase des deutschen Faschismus skizziert. Zu einer Zeit, als viele von der Olympia-Inszenierung geblendete Deutsche noch nicht zu ahnen schienen, wohin die Reise geht.
So mischt Wurster auch als Regisseur die Stimmung jener Zeit in schneller Abfolge zu einem bunten Kaleidoskop unterschiedlicher Charaktere und Stimmungen. Stellenweise heiter und humorvoll, vor allem aber verunsichernd und beängstigend. (Robert Seiler als Willy, an seiner Seite in wechselnden Rollen Mirko Böttcher, Juliane Köster, Thomas Lotz, Natascha Petz und Nicolas Weidtmann). Allein die Einreise mit dem Zug über Paris nach Berlin gestaltet sich während der Fahrkartenkontrolle zu einem aussagekräftigen Stimmungsbarometer.
Vorherrschender Opportunismus
Zu einer Zeit, in der man als Andersdenkender nicht sicher weiß, wem man vertrauen darf, ohne dabei etwas zu riskieren. Und steckt hinter der netten Hauswirtin mit „Berliner Schnauze“ nicht vielleicht doch eine Denunziantin aus Überzeugung oder aus Berechnung? Erste Selbstzweifel lassen das selbst gewählte Risiko für ihn in einem neuen Licht erscheinen, zumal relativ schnell der vorgetäuschte norwegische Akzent durchschaut wird.
Als besonders enttäuschend erweist sich die von ihm wahrgenommene Prinzipienlosigkeit der Sozialdemokraten, deren Widerstand er doch gerade organisieren will. Denn diese schwärmen – welch peinliche Anspielung auf die Gegenwart! – von dem neuen Großflughafen Tempelhof, dessen Vollendung zügig voranschreite. Und leben dazu in dem offen geäußerten Bewusstsein, dass es unter der nationalsozialistischen Führung trotz einiger Bedenken doch merklich vorwärts gehe.
Spannungsgeladene Stimmung
Demgegenüber die spannungsgeladene Stimmung im Einwohnermeldeamt, in dem sein (gefälschter) Pass eine überlange Zeit einbehalten wird. Eine Nerven aufreibende Situation, in der die Willkür des Unrechtsstaates deutlich spürbar wird, selbst wenn der Bär zuweilen ausgelassen steppt (Musik/ Komposition/Arrangement: Thomas Lotz).
Der junge Willy entgeht jedoch seiner persönlichen Katastrophe. Nicht aber ohne sich mit dem Ausruf „Ich komme wieder!“ in prophetischer Pose von seinen Berliner Widersachern zu verabschieden. Und ein vom ständigen Rollen- und Szenenwechsel des rasanten Theaterabends beeindrucktes Publikum begeistert zurückzulassen.
Weitere Aufführungen bis 16.09.2014, www.contra-kreis-theater.de