„Ich brauche eine stabile Kiste“ – Vor zehn Jahren verstarb der Humorist Manfred Schmidt

Als Manfred Schmidt zur Quick stieß, nordete ihn der zuständige Redakteur Anton Sailer (genannt „Humor-Toni“, nicht zu verwechseln mit dem in Japan bis heute als Karaoke-Star populären Ski-Olympioniken gleichen Namens) ein: Reichlich Busen und Popos solle er zeichnen, dann werde die Sache schon laufen. Schmidts Stift entsprach der Direktive, und der Erfolg gab ihm recht.

Schmidt hinterließ nicht "nur" Knatterton, sondern außerdem spaßige Reisebücher, die er mit Knatterton-artigen Illustrationen versah. Naturgemäß veraltet solche Literatur recht schnell, doch kann sie dem historisch interessierten Leser auf unterhaltsame Weise die Anfänge des Massentourismus nahebringen, der Deutsche bald in alle Welt spülen sollte.

Doch zurück zu Knatterton. Die Serie verstand sich laut Schmidt vor allem als Parodie auf Superman-Comics. Heute erscheint sie als typisches Produkt ihrer Zeit, der brummenden Fünfziger. Lange vor der Emanzipationsbewegung herrschen in der jungen Bundesrepublik Galanterie und ihre Kehrseite, der Chauvinismus. Es wimmelt – wie von "Humor-Toni" gewünscht – von kurvigen Damen, die allemal Anlass zu eindeutigen Zweideutigkeiten geben. Wenn der Detektiv gegenüber einer üppigen Klientin verkündet, er brauche eine stabile Kiste, dann hat kein regelmäßiger Knatterton-Leser hier semantische Probleme. Den frivolen Doppelsinn pflegt Schmidt so liebevoll, dass ihn jeder drei Meilen gegen den Wind decodiert, und gleichzeitig so harmlos, dass ihm auch die heutige post-emanzipierte Leserin verzeiht.

Zum geflügelten Wort wurde Knattertons "Kombiniere: …", womit er seine Schlußfolgerungen einzuleiten pflegte. "Kombiniere: Ein neuer Fall ist fällig!" – "Kombiniere: Eine Warnung der Bande ‚Schwarzer Fuß mir rotem Herz‘!" – " Kombiniere: Gangster wollen mein Eingreifen verhindern…" – (erwacht aus Betäubung:) "Kombiniere: Ich kann wieder kombinieren!" – " Kombiniere: Dort geht etwas vor!" – "Ich kombiniere – blubb – blubb – das ist Wasser – blubblublubb …" – weitere Beispiele können der nebenstehenden Abbildung entnommen werden.

Die Geschichten um Knatterton sind auf amüsante Weise selbstreferentiell, da der Erzähler Schmidt sich immer wieder vermittels kleiner Textkästchen einschaltet und das Geschehen kommentiert; Selbstironie ist dabei Trumpf. Die Anmerkungen und Kommentare in Textkästchen überwuchern regelmäßig das Geschehen. Sprech- und Denkblasen vermitteln oft mehr als nur eine Information pro Figur pro Szene. Wo Schmidt die verhassten Superhelden-Comics parodieren wollte, entstand so ein unverwechselbarer eigener Stil. Ein besonderes Highlight bilden pseudo-exakte Darstellungen der Schaltpläne raffinierter Erfindungen. Viele der Seitenhiebe auf politische Ereignisse der Entstehungszeit sind auch heute noch verständlich und amüsant. Den Zeitgeist der Fünfiziger – zuzüglich seiner Kritik – vermittelt Knatterton sicher besser als es jedes Geschichtsbuch könnte.

Verglichen mit heutigen Kriminalgeschichten oder deren Parodien erleben wir bei Knatterton durchgängig sex and crime light: Am Ende versöhnen sich die Kontrahenten meist, und selbst Mordversuche werden generös unter den Teppich gekehrt.

Die seit 2007 erhältliche Gesamtausgabe der Knatterton-Comics bringt – wie der nur noch zu einem hohen Preis erhältliche Jubiläumsband von 1998 – sämtliche 18 Abenteuer der Quick-Ära, allerdings leider schlechter reproduziert als zuvor. Die Geschichten sind nicht in der ursprünglichen Reihenfolge abgedruckt, so dass sich ein paar Diskontinuitäten ergeben — oder handelt es sich um eine Einladung zum Selberkombinieren?

Auflösung:

49/50 – 25/51 Der Schuss in den künstlichen Hinterkopf
26/51 – 43/51 Die Rasierseifen-Geheimwaffe
48/51 – 14/52 Die Goldadler von Bloody Corner
15/52 – 45/52 Das Verbrechen der losen Schraube
49/52 – 34/53 Der indische Diamantenkoffer
37/53 – 49/53 Die gestohlene Hüftlinie
51/53 – 10/54 Der Schatz im Gipsbein
12/54 – 29/54 Ein Schloss fällt in die Tür
30/54 – 48/54 Der Stiftzahn des Caprifischers
51/54 – 11/55 Der Drohbrief im Pyjama
27/55 – 1/56 Die Erbschaft in der Krawatte
41/56 – 13/57 Veridium 275
29/57 – 50/57 Die Million im Eimer
13/58 – 28/58 Freitag abend um 9 …
33/58 – 43/58 Das Geheimnis hinterm Bullauge
13/59 – 28/59 Affen, Frauen und Brillianten
36/59 – 51/59 Ein Kopf fällt in die Themse
36/64 – 51/64 Das Geheimnis der Superbiene)

Jedenfalls lohnt es, einen falschen Bart sowie den künstlichen Hinterkopf anzulegen und den alten Knatterton aus gegebenem Anlass wieder zur Hand zu nehmen.

Sollte sein geistiger Vater ebenfalls ein Freund stabiler Kisten sein, so hat er seine spätestens ganz am Ende bekommen. (Man sieht, Knatterton-Lektüre verleitet zum Kalauern.)

„Kondensiere: Ein Kombinator.“

Manfred Schmidt: Nick Knatterton: Alle aufregenden Abenteuer des berühmten Meisterdetektivs (Gebundene Ausgabe); Lappan Verlag; 432 Seiten; Preis: 24,95 €; auch als Wurfgeschoss verwendbar

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