Von Bilbo über Gernika bis Gasteiz
Leider ist das Baskenland nur eine Autonome Gemeinschaft und noch kein eigener Staat, doch wie die Katalanen mühen sich auch die Basken seit Jahrzehnten um Freiheit und Unabhängigkeit vom viele Jahre faschistischen Spanien unter Diktator Franco und seinem Gefolge. Bilbo ist für meinen Geschmack nicht wirklich schön, auch wenn wir Bellum Vadum, den Name der römischen Siedlung, ins Deutsche übersetzen und die Stadt am Fluß Schönfurt nennen. Daher sticht der neue Vito von Mercedes-Benz aus dem Häusermeer aller Architekturarten und Bauweisen hervor wie das Guggenheim-Museum im Stadtzentrum: als etwas Besonderes.
Bei diesem Hingucker hielten wir zu kurz und etwas länger am Museo Marítimo Ría de Bilbao, wo wir die Wagen wechselten, denn den Vito gibt es in mehreren Varianten. Über die Höhen und durch die Täler des Baskenlandes, vorbei an Gernika, dass die deutsche faschisten Luftwaffe, genauer: der Legion Condor, die auf Seiten Francos im Spanischen Bürgerkrieg mitmischte, großflächig aus der Luft zerstörten und Hunderten das Leben nahmen, fuhren wir an der Eiche von Gernika vorbei und durch den Naturpark Urkiola bis nach Gasteiz.
Stadt, Land und Werk
Gasteiz ist der baskische Name der Provinz Araba sowie der Autonomen Region Baskenland, die nicht wirklich autonom ist, aber in der Automobile gebaut werden. Vans unter dem guten Stern auf allen Straßen, kommen aus dem Werk Vitoria. Vitorio wird Gasteiz in der kastilischen Sprache genannt. In den letzten Eintausend Jahren machten sich auf der iberischen Halbinsel die Kastilianer und also das Kastilisch breit. Die anderen Völker wurden verdrängte und unterdrückte. Doch die Sitten und Gebräuche sowie die Sprache der Basken blieben bis heute erhalten.
Nach dem Putsch der Faschisten gegen die junge demokratische Republik schlug sich die Stadt, die noch im 19. Jahrhundert ein liberales Bollwerk war, auf die franquistische Seite Francos, so dass dort Hitler-Truppen stationiert wurden und von wo die Legion Condor ihre Einsätze gegen die Basken, gegen Gernika flog.
Unter kastilischer Herrschaft trägt Gasteiz, das mitten auf der alavesischen Hochebene liegt, den Doppelnamen Vitoria-Gasteiz. Weil die Faschisten unter Franco siegten, durfte sich die Stadt am Zadorra entwickeln. Aus einer Militär-, Verwaltungs-, Handels- und Hochschulstadt wurde auch eine Industriestadt. Am Rande der Stadt, in der heute rund 240 000 Menschen leben, liegt in einem großen Industriegebiet das Werk Vitoria der Daimler AG aus Stuttgart. Die dort gebauten Fahrzeuge werden Vito genannt.
Die Van-Produktion im Werk Vitoria-Gasteiz
Das Werk in Gasteiz ist das älteste Werk in Europa, in dem Großraumlimousinen gebaut werden. Angepasst und famos formuliert könnte wir schreiben, dass in Vitoria werden Vans fabriziert werden – und zwar seit 60 Jahren. Mehr als 900 000 Einheiten sind von den bisherigen Generationen von Vito und Viano vom Band gelaufen, jetzt läuft dort die Produktion der neuen Generation von Vito und V-Klasse.
Die Daimler AG teilt dazu mit, dass 1954 die Produktion in Vitoria-Gasteiz mit der „Fertigung des damaligen F 89 L der Auto Union“ begonnen habe, bevor „die damalige Daimler-Benz AG“ das Werk „weniger Jahre später“ übernahm und vom ersten „Auslandswerk für Fahrzeuge mit dem Stern, abgesehen von schweren Lkw“ 1995 die Stunde zum Werk für „Vito und V-Klasse“ einläutete.
Das mit rund 3.500 Beschäftigten auf 257 000 m ² Produktionsfläche auf einer Grundfläche von knapp 600 000 m ² ist das zweitgrößte Transportwerk der Daimler AG. In dieses Van-Werk seien 190 Millionen Euro für die Verbesserung der Produktion gesteckt worden, vor allem in den Rohbau, die Lackierung und die Montage des neuen „Midsize-Van“, hören wir von Dr. Jürgen Benzinger, einem der führenden Ingenieure bei Daimler, der eine Gruppe von Journalisten bei einer Werksführung begleitete und sich gesprächsfreudig zeigte. Bei den Antrieben, so Benzinger, würden Vorderrad-, Hinterrad- und Allrad-Antrieb geboten. Doch der Ingenieur scheint auf Heckantrieb zu stehen, denn er schwärmt davon und dem 4-Zylinder-Dieselmotor, der durchzugsstark sei und hohe Zuglasten aufnehmen könne. „Der ist super für hohen Leistungsstufen mit den anspruchsvollen Transportaufgaben“, sagt der Doktor. Frontantrieb wird wohl nur geboten, weil der Wagen leichter wird, also mehr zusätzliches Gewicht aufgenommen bzw. geladen werden kann, und vor allem weil er Kostenvorteile bietet. Dieser Kostenvorteiler sei für den Kunden ein Preisvorteil, sagt Benzinger. Daimler wolle das so für die niedrigen Leistungsstufen.
Vom Wirtschaftswunder und Hochsicherheitstransporter
Hervor hebt Benzinger noch, dass die Wartungsintervalle verlängert und die Wartungskosten verringert wurden, um die Betriebskosten zu senken. Gesenkt wurden der Kraftstoff-Verbrauch, angeblich um 20 Prozent, so dass der Normalverbrauch beim 116 CDI mit Blue Efficiency-Paket laut Hersteller bei „5,7 Litern pro 100 Kilometern“ liege. Der Vito ist also ein Wirtschaftswunder und der Mann, der das sagt, hat das in Deutschland ab den 1950er Jahren erlebt.
Neben der Wirtschaftlichkeit des Vito hebt Benzinger den Stand der Technik und die damit geschaffene Sicherheit hervor. Airbags, Assistenzsysteme wie das Intelligent Light System oder den Seitenwind-Assistent, den Parkassistenten, den Abstandswarnassistenten, den Totwinkel-Assistenten, den Spurhalte-Assistenten, die Reifendrucküberwachung, die dynamische Leuchtweitenregulierung, den Rückfahrwarner und die Rückfahrkamera machen den Vito zum Hochsicherheitstransporter in der Klasse der mittlere Großraumlimousinen und kastenförmiger Lieferwagen für den Warentransport.
Von den Wirtschaftswundern und Hochsicherheitstransportern stehen fix und fertig Dutzende als Kastenwagen, Mixto und Tourer auf den Parkflächen an den hohen Hallen und warten darauf, zu den Händler transportiert zu werden. Möge einer doch an die Hauptstadtredaktion des WELTEXPRESS geliefert werden. Ein neuer Vito aus Vitoria. Einer wenigstens.