Berlin, BRD (Weltexpress). Am 11. Mai 2025 hat Robert Francis Prevost als Papst Leo XIV. offiziell sein Amt als Oberhaupt der katholischen Kirche und zugleich Staatsoberhaupt des Vatikanstaats angetreten. Zu seiner Wahl am 8. Mai schrieb „Vatikan News“ sein Wirken sei davon geprägt, engagiert den Dialog und Frieden zu fördern und für eine Kirche, die sich nicht an die Mächtigen „anlehnt“ und die Mission nicht mit religiösem Marketing verwechselt, einzutreten. Nicht wenige Aspekte seines bisher eingeschlagenen Kurses, stehen dem entgegen. Die Fragen, wohin die Reise des in den „Vatikan News“ medienwirksam vorgestellten „Einheitspapst“ geht, ist nicht einfach zu beantworten, da der neue Pontifex unermüdlich betont, das Werk seines Vorgängers Franziskus fortzusetzen. Hinzu kommt, dass er seinen Weg mit Rückblicken auf die Geschichte flankiert, deren Verlauf die heutigen Generationen der Katholiken kaum oder überhaupt nicht kennen und er darauf setzen kann, dass ihm Glauben geschenkt wird. Die wirksamste Methode ist hier, die Geschichte sprechen zu lassen.
Da wäre sich als Erstes der Frage zuzuwenden, dass Prevost den Namen von Leo XIII. ,Papst von 1878 bis 1903, angenommen hat. Für gewöhnlich soll die Wahl des Namens eines Vorgängers verdeutlichen, dass der neue Pontifex sich von Grundzügen seiner Politik leiten lassen will. Betrachten wir, wer Leo XIII. war, was er wollte und wie sein Umfeld aussah.
Frontwechsel
Gegen die Beseitigung seiner weltlichen Herrschaft und die Säkularisierung seiner Besitztümer hatte sein Vorgänger Pius IX., Papst von 1846 bis 1878, 1870 auf das schärfste protestiert, dem bürgerlichen Staat ewige Feindschaft geschworen, in feierlicher Form alle am „Raub des Patrimonium Petri“ beteiligten – das waren der König, seine Regierung und alle die ihnen irgendwie dienten – mit der höchsten ihm zur Verfügung stehenden Strafe belegt, der Exkommunizierung. Zwar nahm Leo XIII., der sein Pontifikat am 20. Februar 1878 antrat, die Verdammung nicht zurück, vollzog aber fast auf der Stelle stillschweigend einen Frontwechsel. Mit dem Gespür, das aus dem fast Zweitausendjährigen Hass gegen alles Fortschrittliche erwuchs, hatte der Klerus die mit der 1876 durch die Gründung der sozialistischen Arbeiterföderation in Italien entstandene Gefahr erkannt und reagierte. Der Hauptfeind waren nunmehr die marxistische Arbeiterbewegung, ihre Partei und alle, die sich an ihre Seite stellten oder auch nur mit ihnen sympathisierten.
Hüter des Privateigentums
Der Vatikan sicherte dem bürgerlichen Staat nicht nur in Italien, sondern ebenso in Deutschland und Frankreich die Unterstützung der Kirche „zugunsten der durch die aufrührerischen und unmoralischen Doktrinen – den Marxismus – gefährdeten sozialen und politischen Ordnung“ zu.1 Die 1891 erlassene Enzyklika „Rerum Novarum“, welche die Grundlage der katholischen Soziallehre bildete, forderte, „der Staat muss sich zum unerbittlichen Hüter des Privateigentums machen“ und ihm durch „die öffentlichen Gesetze (…) Schirm und Schutz bieten“. Wer die Aufhebung des Privateigentums fordere, müsse „im Namen der Moral, deren Fundament er zerstört, als außerhalb des Gesetzes stehend erklärt werden“. In scharfer Form machte „Rerum Novarum“ Front gegen die sozialistischen Arbeiterorganisationen: „Sollte eine Vereinigung einen Zweck verfolgen, der in flagrantem Gegensatz zur Rechtschaffenheit, zur Gerechtigkeit und zur Sicherheit des Staates steht, dann haben die öffentlichen Gewalten das Recht, deren Bildung zu verhindern oder, falls sie schon bestehen, sie aufzulösen.“
Sozialismus war „Pest“
Die Enzyklika wandte sich gegen „jede Form des Sozialismus“, den sie als „Pest“ brandmarkte und forderte: „Wenn die Massen sich von üblen Doktrinen hinreißen lassen, darf der Staat nicht zögern, mit starker Hand zuzufassen“. Ignazio Silone charakterisierte die päpstliche Schrift als „konterrevolutionäre Waffe im Schoße der Massen“.
Unter Leo XIII. betrat die Kurie jedoch kein Neuland. Sie hatte die kommunistische Ideologie schon in ihrer Entstehungszeit verfolgt, verflucht und verdammt. Noch bevor Marx und Engels 1847 das „Kommunistische Manifest“ veröffentlichten, hatte der Heilige Stuhl gegen die utopischen Sozialisten Front gemacht. 1846 wurde der Kommunismus in der Enzyklika „Qui Pluribus“ ausdrücklich zu den „monströsen Irrtümern“ gerechnet. 1864 rangierte er im Syllabus des Papstes mit dem Liberalismus, dem Sozialismus und der Freimaurerei unter den „Pestilenzen“.
Wenn die Kurie unter Leo XIII. nach dem Machtantritt der Großbourgeoisie Position für den Kapitalismus als von Gott gewollter Ordnung bezog, hieß das nicht, dass der Feudalismus aufgegeben wurde. Dort wo seine Überreste in Form von Monarchien oder auch nur deren Überbleibseln, aber auch politischen Strömungen und Sammelbecken reaktionärer Kreise weiter existierten, wie auch in Italien, hatten sie und haben sie noch heute die volle Unterstützung aus Rom.
Damm gegen die Sozialdemokratie
Die Hinwendung zum bürgerlichen Staat war als erstes gegenüber Deutschland und noch zu Lebzeiten Pius IX. eingetreten. Der Kurswechsel gegenüber dem deutschen Kaiserreich fiel leichter, da die staatliche Einheit im Gegensatz zu Italien unter der Hegemonie Bismarcks und der Junkerkaste erfolgt war und es dort keine Säkularisierungen päpstlichen Besitzes gegeben hatte. Nach dem Kulturkampf, nach den Mai-Gesetzen und der antiklerikalen Periode (1873-1875) versöhnte die Notwendigkeit, einen Damm gegen die Sozialdemokratie zu errichten, Bismarck und den Papst. Die endgültige Wende erfolgte mit dem 1878 an den Erzbischof von Köln gerichteten berüchtigten Brief, in dem Leo XIII. dem Staat des Kapitals nicht nur in Italien, sondern ebenso in Deutschland und Frankreich die Unterstützung der Kirche „zugunsten der durch die aufrührerischen und unmoralischen Doktrinen – den Marxismus – gefährdeten sozialen und politischen Ordnung“ zusicherte.2
Die Demagogie vom „Arbeiterpapst“
Aber auch die Demagogie kam nicht zu kurz. Leo XIII. kleidete seine rigorosen Forderungen nach Zerschlagung der revolutionären Arbeiterbewegung in kritische Bemerkungen am wachsenden Reichtum des Kapitals und heuchelte Verständnis für die Empörung der Arbeiter. So schrieb er, „das Kapital ist in den Händen einer geringen Zahl angehäuft, während die große Menge verarmt; es wächst in den Arbeitern das Selbstbewusstsein, ihre Organisation erstarkt; dazu gesellt sich der Niedergang der Sitten. Dies alles hat den sozialen Konflikt wachgerufen, vor welchem wir stehen.“ Derartige Demagogie verhalf ihm, sich in der Kirchengeschichte als „Arbeiterpapst“ feiern zu lassen. Der Vatikan nahm für sich in Anspruch durch „rerum novarum“ hätten „die deutschen Katholiken zur Zeit des Kaiserreiches führenden Anteil am Aufbau und Ausbau der Sozialpolitik“ genommen.3
Gegen Abweichler in den eigenen Reihen
Die marxistische Arbeiterbewegung übte dennoch einen großen Einfluss auf das geistige Leben aus und befruchtete auch das Wirken liberaler Persönlichkeiten, die sich gegen die Verfolgung jeglichen Fortschrittsdenkens durch den Klerus wandten und Zustimmung seitens der Sozialisten erhielten. Gegen Abweichler in den eigenen Reihen ging die Kurie in inquisitorischer Weise vor. Im Juli 1907 erließ Pius X. den Syllabus „Lamentabile sane exitu“, der ohne Namensnennung 65 Thesen des Hauptes der Modernisten, des großen französischen Theologen und Denkers Alfred Loisy, verurteilte. Zwei Monate nach dem Syllabus folgte die Antimodernisten-Enzyklika „Pascendi Dominici Gregis“, die ein Bild völliger Dämonisierung nicht konformer theologischer Denker darstellte. Die sogenannten Reformkatholiken wandten sich gegen Neuscholastik und Ultramontanismus, lehnten den religiösen Totalitarismus ab und suchten eine Einbeziehung der modernen Kultur und Wissenschaft in ihre Lehre. Einer ihrer herausragendsten Vertreter war der deutsche katholische Theologe, Professor für christliche Kunstgeschichte und vergleichende Religionswissenschaft in Würzburg, Hermann Schell. Seine Schrift „Der Katholizismus als Princip des Fortschritts“ (1897) wurde sofort nach dem Erscheinen auf den Index verbannt. Mit einem Motu proprio bedrohte der Papst alle mit der Exkommunikation, die es wagen sollten, der Enzyklika zu widersprechen.
Bündnis mit den Liberalen
Aber auch die weitere Entwicklung ist unter dem Aspekt aktueller Orientierungen zu betrachten. 1904 suchte der damalige Ministerpräsident Giovanni Gioltti die Unterstützung der Kurie für seine Liberale Partei zu den Wahlen. Nachdem Pius X. (Papst von 1903 bis 1914) ihm die Unterstützung der Regierungskandidaten durch die Katholiken in ganz Italien zugesichert hatte, löste er das Parlament auf und schrieb für November Neuwahlen aus, von denen er sich eine Niederlage für die Sozialisten erhoffte, die allerdings ausblieb. Nach den Wahlen hob der Papst das bis dahin bestehende Verbot der parlamentarischen Betätigung für Katholiken auf.
Die Befürchtung, dass von der Wahlreform 1912 4 vor allem die Sozialisten profitieren würden, führte zu einem neuerlichen Pakt zwischen der Regierung und dem Vatikan. Giolitti und der Präsident der Katholischen Wählervereinigung, Graf Vincenzo Ottorino Gentiloni, vereinbarten, dass die Katholiken dort, wo ihr Bewerber keine Chancen hatte, die liberalen Kandidaten unterstützen. Die Liberalen sagten dafür zu, die Ehescheidung abzulehnen, in den öffentlichen Schulen den Religionsunterreicht zuzulassen und den katholischen Privatschulen sowie Organisationen und Orden staatliche Unterstützung zu gewähren. Die Ergebnisse waren nicht gerade verheißungsvoll. Zwar erreichten die Liberalen mit 304 Sitzen (von 508) der Abgeordnetenkammer eine regierungsfähige Mehrheit, verloren aber gegenüber 1909 fast 20 %. Gentilono behauptete, ohne die katholische Wahlhilfe hätte Giolitti weniger als 200 Mandate geschafft. Eigentliche Wahlsieger waren die Sozialisten, die ihre Mandate mit 79 verdoppeln konnten.
Eigene Gewerkschaften und eine Partei
Im Ergebnis dieses Kurses wuchs der Katholizismus zu einem gefährlichen und gut organisierten Gegner der Arbeiterbewegung an. In Italien schuf die katholische Kirche ihre eigene Bewegung, deren Grundlage christliche Gewerkschaften bildeten. 1910 existierten 374 lokale Organisationen mit annähernd 170.000 Mitgliedern, davon 67.500 in Industrie, Handel und Verkehr und 100.000 in der Landwirtschaft. In der Textilindustrie, danach unter den Eisenbahnern, den Metallarbeitern, den Post- und Telegrafenarbeitern entstanden nationale katholische Berufsgewerkschaften.5 Ein Kongress in Bologna betonte ihre Aufgabe, dem Zusammenwirken von Arbeit und Kapital zu dienen. Um dem politischen Katholizismus eine Verankerung im Parteiensystem zu verschaffen und sowohl unter der katholischen Arbeiterbewegung als auch in kleinbürgerlichen Schichten ein Gegengewicht zur anwachsenden ISP zu bilden, gründete der Priester Don Luigi Sturzo im Auftrag des Vatikans 1919 die katholische Volkspartei, die nach Mussolinis Machtantritt 1922 in dessen Regierung eintrat.
Wenn Leo XIX, sich Grundzüge seines Namensvorgängers zurecht schneidern will, kann er zunächst davon ausgehen, dass die Kommunistische Bewegung heute in drei Parteien gespalten ein Nischendasein führt und in absehbarer Zeit von ihr keine Gefahr ausgehen dürfte, was ebenso auf die zerstrittene Linke zutrifft. Seine Kirche versucht er dagegen als Einheit aufzustellen, was heißt, die Reformer ordnen sich (bisher) unter während die reaktionären Kräfte in „gemäßigter“ Weise sich durchsetzen. Sie erhalten Auftrieb durch die Berufung Leo XIV. auf reaktionäre Kräfte, wie den Kirchenlehrer Aurelius Augustinius, der vor 1700 Jahren unter dem Kaiser Konstantin, Herrscher des römischen Sklavenhalterstaates, zur Sicherung seiner Macht ein Bündnis mit der katholischen Kirche einging, sie zur herrschenden machte, Nicht-Katholiken verfolgt wurden, wofür Augustinius mit seinen Lehren die Grundlagen schuf.
Unter all diesen Gesichtspunkten bleiben Bekundungen Leos die Macht der Reichen einzuschränken bloße Lippenbekenntnisse, wie auch seine Appelle, den Krieg in der Ukraine zu beenden, ausklammern, dass in Kiew unter Selenskyj ein Regime herrscht, das 2014 durch den Maidan-Putsch von Faschisten an die Macht kam, ganz abgesehen davon, dass die Russen nicht an der Oder stehen, sondern die NATO vor den Grenzen Russlands. Schritt für Schritt wird klar, dass bei allen Erklärungen Leos, den Kurs Franziskus‘ fortzusetzen, es zu seinem Vorgänger grundlegende Unterschiede gibt.
Geschichtsklitterung
Bei einem Empfang durch den italienischen Staatschef, Sergio Mattarella, auf dem Quirinale betonte Leo XIV. „das starke Band, das den Stuhl Petri mit dem italienischen Volk verbindet“ und die „herzlichen bilateralen Beziehungen zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl, die stets von aufrichtiger Freundschaft und wirksamer gegenseitiger Zusammenarbeit geprägt sind“, berichtete die Nachrichtenagentur „ANSA“ am 14. Oktober. Es handele sich um „eine glückliche Verbindung, die ihre Wurzeln in der Geschichte dieser Halbinsel und in der langen religiösen und kulturellen Tradition dieses Landes hat.“ Da betrieb das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates nun eine den Tatsachen gründlichst widersprechende Geschichtsklitterung. Aber auch hier konnte er davon ausgehen, dass die meisten einfachen Katholiken von diesen bis zu hundert Jahre zurückliegenden Ereignissen keine Kenntnis haben.
Vom Frontwechsel gegen jeden Fortschritt unter Leo XIII, war bereits die Rede. Zu den „herzlichen bilateralen Beziehungen zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl“ gehört, folgt man dieser Diktion Leo XIV. auch, dass die Kurie dem blutigen faschistische Terror, unter dem 1920 2.500 Italiener (Männer, Frauen, Kinder und Greise) unter den Kugeln der Faschisten starben, im ersten Halbjahr 1921 ungefähr 1.500 Menschen durch Kugeln Messer und Schlagstock der Faschisten getötet, 20.000 Bewohner der Städte fliehen mussten, 6 zusah und der im Februar 1922 neu gewählte Papst Pius XI, zusammen mit seinem Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri offen Partei für die Faschisten zu ergriff. 7 Wie bereits erwähnt, trat die von dem Priester Don Luigi Sturzo im Auftrag des Vatikans 1919 gegründete katholische Volkspartei in die Mussolini-Regierung ein und verdeckte ihren faschistischen Charakter.
Als 1924 angesichts antifaschistischer Proteste gegen die Ermordung des Sozialistenführers Giacomo Matteotti der Sturz des Mussolini-Regimes drohte, rettete der Vatikan mit dem Industriellenverband Confindustria ihn davor. Das Amtsblatt des Vatikans „Osservatore Romano“ lobte die „feste Haltung“ des Diktators und wandte sich gegen antifaschistische Aktionen, wofür sich der „Duce“ 1929 mit dem Abschluss der Lateranverträge, die die 1870 beseitigte weltliche Herrschaft errshcaftv des Papstesx wi3ederhestellten, des Papstes wiederherstellten, bedankte. In den Augen der katholischen Bevölkerung Italiens, aber auch der Christenheit in der ganzen Welt, wirkte das Konkordat als päpstlicher Segen für das faschistische Regime und erhob es zur von Gott gewollten Ordnung. Denn in einer Rede an der katholischen Universität hob Pius XI. die persönlichen Verdienste des „Duce“ am Zustandekommen der Verträge ausdrücklich hervorhob und nannte ihn „einen Mann, mit dem uns die Vorsehung zusammenführte“. Ausdrücklich lobte er „der Name Mussolinis wird in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholisch en Kirche eingetragen“. 8
Nach der kolonialen Eroberung Äthiopiens 1935/36, bei der 275 .000 Einwohner durch Giftgaseinsatz umgebracht wurden, würdigte der römische Klerus Mussolini als „einen wunderbaren Duce, der das Kreuz Christi in alle Welt trägt“. Die katholische Kirche zwang den Äthiopiern auf den Trümmern ihrer koptischen Kirche eine ihnen fremde Religion auf. Der Mailänder Kardinal Ildefonso Schuster feierte im Dom der Stadt die Heldentaten des italienischen Heeres, das in seiner Pflichterfüllung das „Licht der Zivilisation nach Äthiopien getragen“, einen „Evangelisationsfeldzug“ geführt und „ein Werk der christlichen Zivilisation zum Wohle der äthiopischen Barbaren.“ vollbracht habe. Durch das Werk des „Duce“ habe „Gott vom Himmel geantwortet“. „Angesichts der schicksalhaften Verbundenheit Italiens und des Vatikans (komme) den Italienern der Ehrentitel ‚Mitarbeiter und Gehilfe Gottes zu.“9
Als nach dem Abzug der Internationalen Brigaden es den spanischen Faschisten, darunter italienische Verbände, am 28. März 1939 gelang, in Madrid einzumarschieren, stellte sich Pius XII. der am 2. März gerade sein Pontifikat Angetreten hatte, wie sein Vorgänger an die Seite des Faschismus und übermittelte Franco eine Botschaft, in der es hieß: „Die von Gott als wichtigster Diener der Evangelisation der Neuen Welt und als uneinnehmbares Bollwerk des katholischen Glaubens auserwählte Nation hat soeben den Anhängern des materialistischen Atheismus unseres Jahrhunderts den erhabensten Beweis dafür geliefert, dass über allen Dingen die ewigen Werte der Religion und des Geistes stehen.“ 10
Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 ging es dem Vatikan mit den Palastverschwörern darum, sich „von Mussolini und die Deutschfreundlichen zu befreien, das System aber zu erhalten“ 11
Bei Kriegsende 1945 fügte der Vatikan seiner Politik des Bündnisses mit dem Faschismus eine neue Seite hinzu. Für Tausende und Abertausende führende Faschisten organisierte er unter Pius XII. die Flucht über die im Geheimdienstjargon „Rattenlinie“ genannte Route nach Südamerika oder beteiligte sich aktiv daran. Dazu gehörten neben international gesuchten Kriegsverbrechern wie Adolf Eichmann, der KZ-Arzt von Auschwitz Josef Mengele, der Kommandant der Vernichtungslager von Sobibor und Treblinka, Franz Sprangl, und der des Ghettos in Przemysl, Josef Schwammberger, der Führer der Ustascha-Faschisten und Chef des unter der Okkupation Hitlerdeutschlands proklamierten „Unabhängigen Staates Kroatien“, Ante Pavelic, mit fast seinem gesamten Kabinett. Wie der argentinische Historiker Uki Goni in seinem Buch „Odessa“ 12 recherchierte, waren wenigstens 300 der ausgeschleusten Faschisten bereits in Europa abgeurteilte oder angeklagte Kriegsverbrecher. Der österreichische Bischof Alois Hudal, der einen christlichen Nationalsozialismus („Für Kirche und Nation“) vertreten hatte, rühmte sich in seiner Autobiographie mit den Dankschreiben Dutzender Nazis, die er „mit falschen Ausweispapieren ihren Peinigern durch die Flucht in glücklichere Länder entrissen“ habe. Die so ihrer gerechten Strafe Entkommenen prahlten damit, wie es in einem Dankschreiben hieß, „bis 1945 im Kampf gegen den Bolschewismus, für Europa“ gestanden und „während dieser gewaltigen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus“ an der Front und in der Heimat „unbeugsam und kompromisslos“ ihre Pflicht erfüllt zu haben.13
Im Staatssekretariat des Vatikan leitete die Rettungsaktion Giovanni Battista Montini, der spätere Papst Paul VI. Zu seinen Helfern gehörte der SS-Sturmbannführer Karl Hass, der zusammen mit dem SS-Chef von Rom, Herbert Kappler, und dessen Stellvertreter Erich Priebke u. a. an der Ermordung der 335 Geiseln im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom beteiligt war. Als Ressortleiter gehörte Montini zur Spitze des 1943/44 gebildeten vatikanischen Geheimdienstes Pro Deo, der eng mit dem Office of strategic Service (OSS) und später mit seinem Nachfolger, der CIA, zusammenarbeitete. Montini stellte OSS/CIA die Akten über politisch aktive Priester zur Verfügung, von denen viele als Agenten angeworben wurden. Um die Verbindungen zum Vatikan zu festigen traten führende CIA-Leute wie James Angleton, Chef des OSS in Rom, die langjährigen CIA-Direktoren John McCon und William Casey in den Orden der Malteserritter ein. Laut 1975 in Washington freigegebenen Aufzeichnungen von Beamten des Finanzministeriums habe der Vatikan bei Kriegsende vom faschistischen Ustascha-Regime in Kroatien Gold im Werte von 250 Millionen Schweizer Franken „in Verwahrung“ genommen. Das wurde durch Unterlagen des OSS belegt. Die 250 Millionen stammten aus dem Vermögen von insgesamt 350 Millionen Schweizer Franken von mehreren Hunderttausend Serben, Juden, Sinti und Roma sowie oppositionellen Kroaten, die das Ustascha-Regime von 1941 bis 1945 umbrachte. 100 Millionen hatten britische Truppen an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz bei Kriegsende sichergestellt. Battista Montini hatte während der Rettungsaktionen für die Ustascha-Faschisten mit dem Pavelic-Vertrauten Krunoslav Draganovic im Kloster San Girolamo in Rom extra für diese eine „kroatische Sektion“ gebildet.14
Mit Ausnahme von Johannes XXIII. und Franziskus standen Pius XII. und alle seine Nachfolger grundsätzlich an der Seite der faschistischen Regimes der italienischen Nachkriegszeit, die auch mit der wiedergegründeten Mussolinipartei Movimento Sociale Italiano (MSI) paktierten. Pius XII. ließ „zur Kontrolle der innenpolitischen Entwicklung und des Kampfes gegen den Kommunismus in Italien“ im Vatikan ein Sonderbüro bilden, das Batista Montini leitete. Zu den im April 1948 anstehenden ersten Parlamentswahlen nach Kriegsende fürchteten die USA und die italienischen Rechtskräfte einen Wahlsieg der auf einer Einheitsliste antretenden Kommunisten und Sozialisten. Erzbischof Flannally hetzte in Anwesenheit von Kardinal Francis Spellmann in der St. Patrick’s Cathedral von New York: „Das Mittelmee ist ein christliches Meer, das nicht durch den atheistischen Kommunismus mit seiner tödlichen Faust rot gefärbt werden darf“. Pius XII. rief öffentlich auf, die Democrazia Cristiana (DC) zu wählen. Durch einen Erlass des Heiligen Officiums ließ er massenweise Kommunisten und Sozialisten exkommunizieren, um von der Wahl der Arbeiterparteien abzuschrecken. Die von den USA finanzierte klerikale „Azione Cattolica“ bildete 20.000 Bürgerkomitees, die in hasserfüllten Losungen verkündeten, bei der Wahl gehe es um Christ oder Antichrist, Gläubige oder Gottlose, Rom oder Moskau. Der Komitee-Vorsitzende, Luigi Gedda, forderte, die Mussolini-Nachfolgerpartei MSI in ein „nationales Bündnis“ einzuschließen. Der Faschismus, so Gedda, sei lediglich „ein Exzess großherziger und gesunder Ideale von Patriotismus und Autoritätsgläubigkeit“ gewesen. Die Pfarrer schrieen von den Kanzeln herab von „mongolischen Lagern im Schatten des Kolosseums“. Der General der Jesuiten, Giovanni Batista Jansen, setzte sich dafür ein, die Wahlkampagne des MSI auch finanziell zu unterstützen. Im Ergebnis der vom Vatikan aktiv unterstützten Hetzkampagne erreichte die DC 48,5 %, während Kommunisten und Sozialisten dennoch 37 % errangen.
Der einflussreiche Kleriker Don Luigi Sturzo, 1919 Gründer der katholischen Volkspartei, rief 1952 die DC und die anderen bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit dem MSI und den Monarchisten einen Einheitsblock gegen die „rote Machtübernahme“ zu bilden. Als sich mit Beginn der 50er Jahre die Forderungen verstärkten, das MSI als Nachfolger der Mussolinipartei zu verbieten, wandten sich Vatikankreise dagegen. „Civiltà Catolica“ verurteilte es am 18. März 1953, „die 20 Jahre Faschismus als völlig negativ zu bewerten“ und nannte das „eine Verleumdung des Vaterlandes“.
Schließe wir die ohnehin unvollständige Liste einer „glücklichen Verbindung“ Italiens mit dem Vatikan, deren Wurzeln Leo XIV. in der Geschichte und in der langen religiösen und kulturellen Tradition dieses Landes mit der Kurie sieht, ab und halten fest, dass die Erklärung des Papstes gegenüber Staatspräsident Mattarella, der im Grunde die Regierung Giorgia Melonis toleriert, auch eine entsprechende eher wohlwollende Zustimmung seinerseits zu ihr ist. Dabei hat der führende kommunistische Philosoph Luciano Canfora erst unlängst an Hand der Herkunft ihrer Partei der „Brüder Italiens“ aus der im Dezember 1946 von dem Staatssekretär Mussolinis, Giorgio Almirante, wiedergegründeten Nachfolgeorganisation der faschistischen Partei des„ Duce“ in Gestalt des Movimento Sociale Italiano (MSI) klass Meloni zu dessen Erben gehört, die »nicht abschwören«. 15
In diesem Kontext wachsen Befürchtungen, dass Leo XIV. den faschistenfreundlichen Pius XII. Seligsprechen will, was bekanntlich die Vorstufe zur Heiligsprechung ist. Auch hier gibt es Zeichen, die nur den Insidern auffallen und selbst ihnen erst im Nachhinein. So hatte Prevost zu seiner Amtseinführung neben Vertreter der Ostkirchen persönlich den Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Di Segni, eingeladen und bereits ausdrücklich mitgeteilt, dass er die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Zusammenarbeit mit dem jüdischen Volk im Geiste des »Nostra Aetate« – der Erklärung von 1965 zur Haltung der katholischen Kirche zu nichtchristlichen Religionen – einhalten werde. Das jüdische Oberhaupt in Rom folgte dann der Einladung mit 15 Vertretern der Gemeinde. Drei Wochen später folgte ein Ereignis, das dann zum Nachdenken führte. Während eines Besuchs in der päpstlichen Resistenz Castel Gandolfo machte Leo XIV. am Kryptoportikus – den archäologischen Überresten der Audienzhalle des Kaisers Domitian – Halt und sagte, er wolle an das mutige Handeln von Papst Pius XII. erinnern, der 1944 im Zweiten Weltkrieg über 12.000 Menschen vor der Bombardierung in den Castelli Romani Zuflucht gewährt habe. Das sollte offensichtlich vergessen machen, dass Pius XII. die ihm von dem späteren Papst Johannes XXIII. , damals Nuntius (Botschafter) des Vatikans in Istambul im Jahr 1944 übermittelten Informationen über die Greuel in Auschwitz ignorierte. Die Informationen stammten von zwei Juden, die im April 1944 aus Auschwitz fliehen konnten, und deren Berichte später Teil der »Protokolle von Auschwitz« wurden. 16 Das ließ die Betonung der Einhaltung von »Nostra Aetate« im Zusammenhang damit sehen, Israel dafür zu gewinnen, einer Würdigung von Pius XII. in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als Schritt zu seiner Seligsprechung zuzustimmen.
Als Nächstes ließ aufhorchen, das Leo XIV, der auch Chef des Vatikanstaates ist, am 22. September in „Vatikan News“ sich zur „schrecklichen“ Situation in Gaza gegenüber der „wir nicht abstumpfen dürfen“ äußerte, aber betonte , der Heilige Stuhl sei derzeit nicht der Ansicht, „dass man eine Erklärung zur Definition von Genozid abgeben könne“. Die Definition sei „ sehr technisch, und offiziell sieht der Heilige Stuhl derzeit keinen Grund für eine Stellungnahme“. Damit stellt sich das Oberhaupt von weltweit 900 Millionen Katholiken gegen die vom Internationalen Strafgerichtshof der EU erlassenen Haftbefehle gegen den israelischen Premier Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Gallant unter anderem wegen Völkermord und mutmaßlicher Kriegsverbrechen. Auch hier war offensichtlich, dass der Papst sich nicht gegen Netanjahu wenden will, weil er von Israel erwartet, dass es keine Einwände mehr gegen eine von ihm geplante Seligsprechung von Pius XII. vorbringt.
Gerade hat er am 28.Okober zum Abschluss des internationalen Friedenstreffens der Gemeinschaft Sant’Egidio vor dem Kolosseum in Rom noch einmal gezielt nachgelegt und vor führenden Persönlichkeiten, darunter des Judentums, des Hinduismus, des Islams, des Buddhismus und afrikanischer Religionen an einem Gebet teilgenommen. Danach erinnerte er erneut an den 60. Jahrestag und an die Gültigkeit der Erklärung „Nostra aetate“ des Zweiten Vatikanischen Konzils und fügte hinzu, „wir müssen dafür sorgen, dass diese vom Krieg und von der Überheblichkeit der Stärke geprägte Epoche der Geschichte bald zu Ende geht und eine neue Geschichte beginnt“. Es ist im Zusammenhang mit dem Bezug auf seine frühere Erklärung zu „Nostra aetate“ wieder einmal eine vielseitig interpretierbare Erklärung.
Sucht Leo XIV. Leitbilder im Mittelalter?
Auf einem Symposium am 7. Juni 2025, auf dem die Vorbereitung des 1700. Jahrestages des Konzils von Nizäa beraten wurde, erklärte Leo XIV. , dieses solle zu einem Kompass werden, der „zur vollen sichtbaren Einheit der Christen führen muss“. Laut „Vatikan News“ sagte der Papst, das Konzil habe unter anderen par excellence „die Norm des christlichen Glaubens“ verkündet, und hob hervor, das erste Konzil In Nizäa, dem heutigen Iznik in der Türkei, hat nicht etwa ein Papst, sondern ein Kaiser, Konstantin der Große, einberufen. Sollte der Papst diese Linie, modifiziert auf die heutige Zeit, anwenden, wäre das die bisher deutlichste Abkehr von der von seinem Vorgänger Franziskus angekündigten Überwindung des „Modells einer absoluten Monarchie“, um der Kirche eine gemeinschaftliche Struktur zu geben, in der die Episkopate mitentscheiden können, welche Strategien die Kirche in der gegenwärtigen Epoche verfolgen soll und wie der Glaube in der heutigen Gesellschaft gelebt werden kann“. Lassen wir die Geschichte auch hier zu Wort kommen zu dem, was vor 1700 Jahren geschah.
Stütze für die weltlicher Macht
Es war der einsetzende Zerfall des riesigen römischen Imperiums der Sklavenhalterordnung, der Konstantin I. veranlasste, die christliche Kirche zum Verbündeten zu machen, um diesen aufzuhalten. Zunächst tolerierte er die verfolgte Kirche bis 313, privilegierte sie dann und erhob sie schließlich zur Staatskirche. Als äußeres Zeichen ließ er das Christusmonogramm auf die Schilde seiner Soldaten malen (Konstantinische Wende). Endgültig wurde das Christentum dann durch das Religionsedikt „Cunctus populos“ (An alle Völker) 380 von Kaiser Theodosius I. (379-395) zur herrschenden und allein tolerierten Religion des Reiches erklärt. Es verbot „alle heidnischen Religionen und schaltete die vom Katholizismus abweichenden mit Zwangsmaßnahmen“ aus Damit wurde die Mehrheit der Bewohner des Römischen Reiches der katholischen Religion unterworfen. Denn der durchschnittliche Anteil der Christen dürfte um 350 bei fünf bis fünfzehn Prozent gelegen haben. Der Sklavenhalterstaat vereinnahmte so den Katholizismus als Staatsreligion. Nur die dem Gesetz folgten, wurden als katholische Christen anerkannt, alle nichtkatholischen Varianten „für wahrhaft toll und wahnsinnig“ erklärt. Eine wichtige Rolle spielte die Schrift des 248 von Papst Fabian (236-250) zum Bischof von Karthago geweihten Cyprian „Die Einheit der katholischen Kirche“, die den Aufbau einer einheitlichen autoritären hierarchischen Herrschaft der Kirche einleitete, mit der ein gnadenloser Kampf gegen Andersgläubige begann. Bezeichnenderweise kam ein Mann aus Karthago, der Provinz Bischof Cyprians, der Prediger Aurelius Augustinus (354-430), ein Anhänger des Manichäismus, der zum Christentum übertrat und 395 zum Bischof geweiht wurde, nach Rom, um für die unter Konstantin I. eingeleitete Verfolgung von Abtrünnigen das theoretische Rüstzeug zu liefern.
Prediger der „Demut, Ergebenheit und Leidensliebe“
Eine weitere Gelegenheit zu einem Ausflug ins Mittelalter bot am 4. Oktober das Gedenken an den großen Kirchentheoretiker Franz von Assis, der an diesem Tag bereits zwei Jahre nach seinem Tod am 3. Oktober 1226 heilig gesprochen wurde. 1181 oder 1182 in Assisi in der Region Umbrien Italiens als Giovanni di Pietro di Bernardone geboren, war er Begründer des Ordens der Franziskaner, der sich binnen weniger Jahre in ganz Europa ausgebreitet hatte und gegen Ende des 13. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern Europas über 1000 Klöster zählte. 1230 gründete er im Herrschaftsgebiet der Deutschordensritter eine Niederlassung in Riga. Er trug auch die Christianisierung/Eroberung der Ostgebiete durch den Deutschen Ritterorden, die unter dem Motto „Taufe oder Tod“ erfolgte, mit. Während die Deutschritter ihre Herrschaft mit dem „Schwert“ durchsetzten, bestand ihre Aufgabe darin, die Macht der Feudalherrscher und des Papstes zu sichern, indem sie „den Volksmassen Demut, Ergebenheit und Leidensliebe“ predigten. Franziskus lehrte, dass der Mensch sich zu seinem Körper verhalten solle wie zu einem Esel und ihn deshalb „einem strengen Joch unterwerfen, häufig peitschen und mit schlechter Speise nähren müsse“. Der Mensch müsse so dahin gebracht werden, „alle Leiden und Kränkungen, und Ungerechtigkeiten und Demütigungen mit Geduld und Gleichmut zu ertragen“. Eine andere Aufgabe war, „keine Kritik an der offiziellen Kirche und ihrer Hierarchie“ zu üben, sondern im Gegenteil auf jede Weise die Loyalität „gegenüber dem päpstlichen Stuhl“ zu sichern. 17 Dass führte zwangsläufig dazu, dass die Franziskaner neben den Dominikanern 18 sich ab der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vor allem in Italien, Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich auch an der Verurteilung von Häretikern im Rahmen der Inquisition beteiligten. 19 Aber der Orden nahm „nicht nur an der Unterdrückung „fremder häretischer Bewegungen teil, sondern sah sich gezwungen, auch den Aufruhr in den eigenen Reihen zu unterdrücken. Das geschah, wie gewöhnlich in solchen Fällen, mit größter Grausamkeit“. 20
Auch wenn in den letzten Jahrzehnten Autoren versuchten, der katholischen Kirche ein gemäßigteres, menschlicheres und weniger legendenhaftes Bild von der Person des Franziskus zu vermitteln, 21 steht dem entgegen, dass Leo XIV. in einem kürzlich „Vatikan News“ gegebenen Interview zu den Lehren der Kirche sagte, sie werde „so bleiben, wie sie ist“, womit er bekräftigte, an denen Franz von Assisis, als eines maßgeblichen reaktionären Kirchenlehrers des Mittelalters, anzuknüpfen.
Als er auf einer Messe am 3. November der verstorbenen Kardinäle und Bischöfe der Kuriengeschichte gedachte, die „neue, österliche Hoffnung gelebt, bezeugt und gelehrt“ haben, gehörte Franz von Assisis dazu und er stellte ihn an die Spitze. Und da er auch Franziskus hier einreihte, lieferte er wieder einmal ein Beispiel seiner Sicht auf die Einheit der Kirche, die als „Papst der Einheit“ zu verkörpern vorgibt. Wohl wissend um dessen gegen das Volk gerichtetes Wirken bezog er sich ausdrücklich auf ihn und erklärte, der Tod habe ihn „von einem Feind zu einer Schwester 22 gemacht, ihn gezähmt“. Erst danach erwähnte er seinen Vorgänger Franziskus, der, was er nicht betonte, aber es so im Raum steht, wie Franz von Assisi die „neue, österliche Hoffnung gelebt, bezeugt und gelehrt“ habe, wozu der Herr (also Gott) sie als Hirten eingesetzt habe, und sie „viele zum rechten Tun“ geführt hätten. 23
Zur Durchsetzung der Lehren der Kirchentheoretiker sollen weiterhin auch die mit der Teufelsaustreibung beauftragten Exorxisten beitragen. Wie „Vatikan News“ am 23. September berichtete, sprach Leo XIV. auf einer Konferenz der Internationalen Vereinigung der Exorzisten (AIE) in Rom seine „Wertschätzung für die Priester, die sich dem heiklen und zugleich notwendigen Dienst des Exorzisten widmen“ aus und ermutigte sie, diesen „als Dienst der Befreiung und des Trostes“ zu leben, „indem sie die Gläubigen, die tatsächlich vom Bösen besessen sind, mit Gebet und der wirksamen Anrufung der Gegenwart Christi begleiten, damit der Herr durch das Sakramentale des Exorzismus den Sieg über Satan schenke“. An der Konferenz nahmen etwa 300 Exorzisten aus allen Kontinenten sowie ihre Helfer teil. Nach festgelegten liturgischen Instruktionen soll die »Teufelsaustreibung« angeblich in Gebeten und Lesungen aus der Bibel in aller Stille und ohne flackernde Kerzen erfolgen und die »Besessenen« sollen auch nicht schreien, was aber wohl meist nicht so abläuft. Denn beim Exorzismus werden die Opfer heute zwar nicht mehr wie im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen verbrannt, können aber dennoch zu Tode kommen. Wie oft das der Fall ist liegt im Dunklen. Bekannt wurde, dass am 1. Juli 1976 im deutschen Klingenberg am Main die 22-jährige Studentin Anneliese Michel, die dämonischer Besessenheit beschuldigt wurde, in der Folge mehrere Monate dauernder Exorzismus-Rituale, nach denen sie noch 31 Kilo wog, an Entkräftung starb. In den Fall war der spätere deutsche Ratzinger-Papst Benedikt XVI. verwickelt. Der damalige Theologie-Professor war, wie auch später als Pontifex, ein fanatischer Einpeitscher der Teufelsaustreibung und hatte das Exorzistenteam beraten. Die Exorzisten selbst wurden der fahrlässigen Tötung wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt und zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Josef Höffner, stellte sich schützend vor die Teufelsaustreiber und erklärte, dass eine dämonische Besessenheit möglich sei.
Ich schließe diese Schrift zur Halbzeit Leo XIV. damit ab, dass er nach einer Mitteilung von „Vatikan News“ vom 27. November bis 2. Dezember der Türkei einen offiziellen Staatsbesuch abstatten wird, bei dem es um die Feier des 1700. Jahrestag von Nizäa gehen wird. Danach dürfte aufschlussreich sein, zu verfolgen, was Leo XIV. aus diesem mittelalterlichen Konglomerat für einen „Kompass“ seiner Kirche für die heutige Zeit entnehmen will.
Anmerkungen:
1 Brief Leo XIII. An den Erzbischof von Köln. Zit. in: Ignazio Silone „Der Faschismus“ Frankfurt/Main 1984 (Reprint der Erstausgabe von 1934) , S. 242f.
2 Silone, a. a. O.
3 Texte zur katholischen Soziallehre. Kevelaer 1992, S. I und XI.
4 Sie erweiterte das Wahlrecht auf alle männlichen Bürger, die das 30. Lebensjahr vollendet hatten. Auf diese Weise stieg die Wählerschaft von 7 auf 23,2 % der Bevölkerung. Das seit 1891 geltende Mehrheitswahlsystem wurde beibehalten. Frauen blieben weiterhin von Wahlen ausgeschlossen.
5 Storia del Sindacato in Italia, o. J., o. Ortsangabe, S. 43.
6 Antonio Gramsci: Zu Politik, Geschichte und Kultur, Frankfurt/Main 1986, S. 101 ff.
7 Dietmar Stübler: Geschichte Italiens, Berlin (West) 1987, S. 124 ff.
8 Marco Palla: Mussolini e il Fascismo, Florenz 1993, S. 60.
9 I Giorni della Storia d’ Italia, Novara 1991, S. 459.
10 Stübler, S. 156.
11 „Life“, 14. Dezember 1943.
12 Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher, Berlin/Hamburg, 2006.
13 Ernst Klee: Persilscheine und falsche Pässe, Frankfurt/Main 1990, S. 32.
14 Uli Weyl ff.
15 Der untote Faschismus, Köln 2024.
16 „Historia y Vida (spanische Geschichtszeitschrift), Nr. 467/2007, auch Netzeitung, 18. Oktober 2008.
17 J. R. Grigulevic: Ketzer – Hexen Inquistitoren, Bd. 1, Berlin/DDR 1980, S. 96ff.
18 Der römisch-katholische Orden der Dominikaner, auch Predigerorden, wurde im frühen 13. Jahrhundert von Dominikus gegründet. 1231 übertrug Papst Gregor IX. den Dominikanern die Leitung der 1183 zur Ketzerverfolgung geschaffenen Inquisition. Zur Erpressung von Geständnissen wandte diese seit 1252 die Folter an, die bis zur Verstümmelung und Tötung betrieben wurde. Freisprüche waren selten, denn die Angeklagten mussten ihre Unschuld beweisen. Wer, was selten geschah, dem Tod während der Folter oder durch die Verurteilung entkam, schmachtete meist unter unsäglichen Bedingungen in Kerkern, was einem langsamen Sterben gleichkam (siehe Der Hexenhammer, Reprintverlag Leipzig, o. J.-Angabe). Zu den prominentesten Opfern der Inquisition in Italien gehörte der Philosoph der Renaissance und Denker des aufsteigenden Bürgertums Giordano Bruno, der am 17. Februar 1600 auf dem Campo di Fiori, dem Platz der Blumen, in Rom, dem Feuertod ausgeliefert wurde. Galileo Galilei, der glänzende Verteidiger der kopernikanischen Lehre, entging diesem Schicksal nur, weil er 1633 diesem Weltbild abschwor. Die restlichen neun Jahre seines Lebens verbrachte er im Gefängnis, in dem er 1642 erblindet verstarb.
19 Karlheinz Deschner; Kriminalgeschichte des Christentums, Bad. 7, Hamburg 2002, S. 331.
20 Grigulevic, S. 98.
21 So Helmut Feld: Franziskus und seine Bewegung, Darmstadt 2007.
22 Es müsste wohl Bruder heißen, steht aber so in der Mitteilung von „Vatikan News“.
23 „Vatikan News“, 3. November 2025.
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