Der neunjährige Junge wächst in einem mexikanischen Grenzort bei seiner Großmutter auf. Seine alleinstehende illegal in den USA arbeitende Mutter Rosario (Kate De Castillo), die ihm regelmäßig Geld schickt und anruft, hat er vier Jahre nicht gesehen. Durch Arbeit bei der Menschenschmugglerin Dona Carmen (Carmen Salinas) spart sich Carlitos Geld zusammen, mit dem er sich von den Geschwistern Martha (America Ferrera) und David (Jesse Garcia) in die USA bringen lässt. Doch der Grenzübergang misslingt und für Carlitos beginnt eine gefahrvolle Reise auf der Suche nach seiner Mutter. Doch mit einem Lied wird Arbeit finden zum Kinderspiel. Der unwirsche Arbeiter Enrique (Eugenio Derbez) wird zu Carlitos schützendem Freund, die mütterliche Reyna (Maria Royo) nimmt ihn kurzfristig auf und die Gruppe Los Tigros del Norte spielt persönlich auf.
Drehbuchautorin Ligiah Villalobos überzeugte die Dokumentarfilmregisseurin Patricia Riggen mit der Zugkraft ihrer Erzählung: “Eine Geschichte zwischen Mutter und Kind beinhaltet große Emotionen. Das lässt sich im Kino gut transportieren.” Das klingt arg nach Massenkompatibilität und genau diese ist die größte Schwäche von “La Misma Luna”. Statt des aufrüttelnden Dramas, welches der Film zu sein versucht, sieht man ein überlanges Melodram. Eingangs kündet die Großaufnahme des Mondes unterlegt mit den zärtlichen Versprechen der Mutter von der Sentimentalität der Handlung und romantisierend geht es weiter. Schlechte Menschen gibt es jenseits der mexikanischen Grenze nicht.
Die Menschenschmugglerin Dona Carmen sorgt sich um Carlitos wie eine Großmutter. Das Geschwisterpaar, welches den Jungen über die Grenze bringt, braucht nur Geld fürs Studium. Carlitos Vater vergießt reumütig Tränen, der mürrische Illegale Enrique entdeckt seinen Beschützerinstinkt und Rosarios Verehrer Paco ist ein Ausbund and Einfühlsamkeit. Schmutz und Elend sieht man in Mexiko kaum. Im Sonnenschein wird im Familienkreis gefeiert, man ist fröhlich und hilfsbereit. Verständlich, daß Rosario lieber aus den anstrengenden Vereinigten Staaten zurückkehren möchte. Einzig Carlitos Begegnung mit einem Drogensüchtigen, der ihn an einen Kinderhändler verkaufen will, rührt an die Schattenseiten des Menschenschmuggels. Doch Regisseurin Riggen lässt Carlitos sogleich von Reyna gerettet werden. Die kocht für liebenswerter Schwarzarbeiter, die sich beim Fußballgucken zuprosten. Lustig ist das Emigrantenleben. Obendrein lädt die mexikanische Musikgruppe Los Tigres del Norte zum Mitsingen ein. In solchen Momenten erscheint “La Misma Luna” wie ein Kinderfilm. Als erwachsener Zuschauer fühlt man sich durch die Harmlosigkeit der Handlung vorgeführt. Dass Carlitos auf seiner Odyssee etwas zustoßen könnte, scheint ausgeschlossen.
Den Mangel an Spannung versucht das Melodram durch Sentimentalität auszugleichen. Mit großen Kulleraugen muss Kinderdarsteller Adrian Alonso in die Kamera blicken und sein vehement positives Weltbild verkünden. Seine widrigen Lebensumstände, die jahrelange Trennung von der Mutter, das Weggehen des Vaters haben den Kleinen weder frustriert noch verletzt. Mit seiner naiv-gutgläubigen Art wirkt Carlitos nicht unbedarft, sondern emotionslos. Dies liegt neben Villalobos schwachen Filmfiguren an mangelnder schauspielerischen Vielschichtigkeit Adrian Alonsos. Überzeugender sind die Nebendarsteller. Sie machen “La Misma Luna erträglich. An erster Stelle steht Kate De Castillo, deren nuanciertes Spiel bereits in den Einwandererdramen “Bordertown” und “Trade – Willkommen in Amerika” überzeugte. Die Grand Dame des mexikanischen Kinos Carmen Salinas macht ihre schmuggelnde “La Coyota” Dona Carmen zu einer der vielschichtigeren Filmfiguren, unter deren Geschäftsgeist menschliche Wärme verborgen liegt. Sie bezeugen das künstlerische Potential, welches im mexikanischen Kino zu finden ist. Doch während sie in amerikanischen Produktionen oft zu Kriminellen oder bloßen Opfern reduziert werden, zwängt Riggen die mexikanischen Schauspieler in Gutmenschenkostüme.
Wie die Verarmung und die daraus resultierende Kriminalität die Menschen korrumpieren, verschweigt der Film. So sieht die Produktion unangenehm nach einem amerikanischen Familienfilm aus. “Under the same Moon” lautet der englische Verleihtitel, welcher im Original “Der selbe Mond” heißt. Der scheint neben den Filmcharakteren auch über den Filmproduktionen diesseits und jenseits der Grenze von Hollywood und wirft ein denkbar schlechtes Licht.
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Originaltitel: La Misma Luna
Genre: Drama
Land/Jahr: Mexiko/USA 2007
Kinostart: 9. Juli 2009
Regie: Patricia Riggen
Drehbuch: Ligiah Villalobos
Darsteller: Adrian Alonso, Kate De Castillo, Carmen Salinas, Maya Zapata, Eugenio Derbez
Verleih: Senator
Laufzeit: 106 Minuten