In den letzten Jahrzehnten wenig beachtet, feiert die am 19. Juli 1810 mit nur 34 Jahren an einer Lungenentzündung verstorbene Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. ein glanzvolles Comeback. Lady Di zum Trotz ist sie die wahre Königin der Herzen. So nämlich wurde Luise kurz nach ihrem unerwarteten Tod von August Wilhelm Schlegel bezeichnet. Er dichtete: "Vor ihrem Blick ist jedes Leid entflohen, sie war in Hütten Königin der Herzen, sie ist der Anmut Göttin auf dem Thron."
Anlässlich des 200. Todestags der Herzenskönigin wurden ihre Gedenkorte auf Vordermann gebracht. Die Luisenwohnung im Berliner Schloss Charlottenburg präsentiert sich frisch tapeziert. Auch ihre Gemächer im Schloss auf der Pfaueninsel und auf dem Landsitz Paretz lassen die unterschiedlichen Vorlieben und den persönlichen Geschmack Königin Luises erkennen. Sonderausstellungen beleuchten weitere Facetten ihrer Persönlichkeit.
Heute vom Straßenlärm der Metropole Berlin beschallt, war das barocke Schloss Charlottenburg zu Luises Zeiten ein beschaulich repräsentativer Wohnsitz auf dem Lande. Rudolf Scharmann, der Schlossbereichsleiter von Charlottenburg, erzählt: "Von Mitte Mai an residierte dann das Herrscherpaar mit dem gesamten, über 100 Personen zählenden Hofstaat zumeist für mehrere Monate im Schloss." Luise hatte ihre Sieben-Zimmer-Wohnung im ersten Obergeschoss des Neuen Flügels. Ein Großteil der Möblierung ist im Original erhalten. Aufwändig in den letzten Jahren geschaffene Nachbildungen sind die farbenfroh bemalten oder bedruckten Stofftapeten. Besonders attraktiv ist das "Ostindische Zitzzimmer". Zitz ist die Bezeichnung für bunt bedrucktes und gewachstes Baumwollgewebe. Damit sind Wände und Decke ausgeschlagen, um den Eindruck zu erwecken, das "Ostindische Zitzzimmer" sei ein sommerlicher Gartenpavillon, der einen exotischen Ausblick auf von Vögeln besuchte Blütensträucher und Blumenampeln bietet.
Hinter dem Museumsschloss von Weltrang lädt eines der bedeutendsten Gartendenkmale Deutschlands zum Lustwandeln ein. Christian Daniel Rauchs Grabskulptur der scheinbar friedlich schlummernden Königin können wir im Mausoleum unsere Aufwartung machen. Das am Ende einer dunklen Tannenallee stehende Bauwerk ist ebenso Grabstätte ihres Gemahls sowie von Kaiser Wilhelm I. und dessen Gattin Augusta.
Weitaus heiterer gibt sich die im Zentrum des 55 Hektar großen Schlossgartens gelegene Luiseninsel. Friedrich Wilhelm III. hat sie als Erinnerungsort an seine gleichsam ewig währende Liebe zu Luise herrichten lassen. Das bezeugen die Bronzeskulpturen von Venus und Amor, die der Büste der Herzenskönigin Gesellschaft leisten. Rudolf Scharmann berichtet: "Königin Luise soll auf der Südspitze der Insel ihren Lieblingsplatz gehabt haben, an dem sie gerne auf einer einfachen Astwerkbank verweilte." An ihren Bruder Georg schrieb sie: "In einer göttlichen Hitze sitze ich in dem bewussten Eckchen auf der Bank und genieße in vollen Zügen die herrlichen lauen Düfte, die das ganze Grün verbreitet. Freue mich im eigentlichen Verstand des Wortes meines Daseins."
Sehr gern hielt sich Luise auch auf der Berliner Pfaueninsel auf. Eine Fähre setzt uns auf das allem Alltagstrubel entrückte, von uralten Eichen und Linden bestandene Eiland über. Unsere Entdeckungstour über die vom berühmten Gartenarchitekten Peter Josef Lenné verschlungen angelegten Pfade begleiten die 30 ortsansässigen Pfaue mit schrill heiseren Rufen, die an die Tonlage rolliger Katzen erinnern. Am Rande einer von Wasserbüffelkühen und ihren Kälbern in Besitz genommenen Weide erhebt sich der dem Andenken an die Königin geweihte Luisentempel. Vor seiner Versetzung auf die Pfaueninsel diente er als Eingangsfront des Charlottenburger Mausoleums. Die Ehrenwache im Luisentempel haben befremdlicherweise in rote und blaue Abfallgroßeimer gepflanzte Hortensien übernommen. Die Hortensie gilt als Lieblingsblume der Königin. Die Hortensien-Armee ist ein Beitrag von Martin Weimar zu der bis Ende Oktober auf der Pfaueninsel aufgebauten Ausstellung, in der sich sechs heutige Künstler mit dem Leben der Königin beschäftigen.
Strahlend orangefarbene Sitzbänke laden uns zum Verweilen ein. Neben jeder ist auf einer Tafel eine Telefonnummer verzeichnet. Nach deren Wahl auf dem Handy läuft ein knapp drei Minuten langes Hörkino ab. Erzählt wird dabei etwa von der königlichen Menagerie: Mehr als 900 Tiere, darunter Alligator, Känguru, Lama und Löwe, lebten auf der "Paradiesinsel". Zu den angesprochenen Themen gehört auch "Luise und der Krieg". Denn Luises Leben war keineswegs stets heiter und unbeschwert. Napoleon diktierte Preußen 1807 harte Friedensbedingungen. Bis zu ihrer legendären, aus preußischer Sicht allerdings erfolglosen Unterredung in Tilsit hatten Napoleon und Luise eine schlechte Meinung voneinander. Napoleon: "Sie war der wahre Herrscher Preußens. Sie wollte Blut." Luise: "Napoleon, ein Mann, der sich aus dem Kot emporgeschwungen hat."
Der Hörbeitrag "Spiele und Feste" betont, dass hochherrschaftliches Amüsement Sinn und Zweck der Pfaueninsel war. "Luise" erzählt uns am Telefon: "Wir hatten ziemlich schönes Wetter und wir waren vergnügt, welches besser ist als alles gute Wetter." Vergnügen bereiteten dem Hof Schäfer- und Kostümfeste, Kegeln und das Blindekuhspiel. Auf Initiative des von der Landwirtschaft begeisterten Königs wurde in spielerischer Form richtige Milchwirtschaft betrieben. Davon kündet noch heute die wie eine Ruine im gotischen Stil errichtete Meierei. Frau Fontain, die als Kastellanin die Insel und ihre Bauten betreut, erzählt uns, dass zwei sorgfältig gepflegte und angenehm duftende Kühe in der Meierei darauf warteten, von der höfischen Gesellschaft gemolken zu werden. Mit den heute als Ausstellungsgut dienenden Gerätschaften stellten die feinen Herrschaften höchstpersönlich Butter her. Nach getaner Arbeit ließen sich Luise und die Gäste Butterbrot und Milch schmecken.
Dass das königliche Landleben aber weit von bäuerlicher Einfachheit entfernt war, verrät schon der Prunksaal der Meierei, vor allem aber das weiße Ruinenschloss. Es sieht aus wie die Theaterkulisse eines Märchenstücks. Da es nach dem Tod Friedrich Wilhelms III. im Jahre 1840 in einen Dornröschenschlaf fiel, ist noch alles an seinem alten Platz. In Filzpantoffeln schlurfen wir durch Repräsentationsräume und Privatgemächer. Ergraut sind die einst fröhlich bunten Zitztapeten. Zu den Erinnerungsstücken im Wohnzimmer gehören zwei Strohhüte der modebewussten Königin. Ihr von Nikolaus Lauer gemaltes Pastellbildnis hängt über weiß lackierten, mit chinesischen Szenen bemalten Sitzmöbeln in Luises Schlafzimmer. Der eindrucksvollste Raum aber ist das "Otaheitische Kabinett", so genannt nach der alten Bezeichnung für Tahiti. Der runde Raum ist von oben bis unten mit illusionistischer Dekorationsmalerei auf Leinwand ausgeschlagen. Sie soll uns den Tagtraum eingeben, in einer Bambushütte zu stehen. Reale Ausblicke durch die Fenster wechseln mit fiktiven Aussichten auf die in die Tropen versetzte Pfaueninsel. Sie wird mit ihrem von Papageien angeflogenen Ruinenschloss unter Palmen zum "märkischen Otaheiti".
Auch im 20 Kilometer nördlich von Potsdam gelegenen Landschloss Paretz entdecken wir die Pfaueninsel als Tapetenmalerei. Und zwar in Luises Schreibzimmer. Der von außen unscheinbare, 66 Meter lange Flachbau überrascht mit seiner luxuriösen Inneneinrichtung und besticht mit seinen vom Königspaar ausgewählten Papiertapeten, die in den letzten Jahren sorgfältig restauriert wurden. Sie waren 1947 von den Wänden genommen worden, bevor ein Jahr später die Bauernhochschule in das Gebäude einzog. Ab 1963 war es Sitz der Tierzuchtbehörde der DDR. Nach der Wiedervereinigung übernahm das Land Brandenburg das Schloss und stellte dessen ursprünglichen Zustand wieder her.
Im Vestibül empfangen uns in voller Lebensgröße Luise und Friedrich Wilhelm III. auf dem von Wilhelm Böttner geschaffenen Gemäldepaar. Die ihrem Gemahl galant eine Rose reichende Königin präsentiert sich entsprechend der von Frankreich ausgegangenen Antikenbegeisterung í -la-grecque – also auffallend tief dekolletiert. Die modebegeisterte Herrscherin machte in deutschen Landen die von Blickdichte weit entfernte Chemise populär, ein luftiges Hemdkleid, das oft nur über einem hauchdünnen Trikot getragen wurde.
Von Juli bis Oktober stellt in den Schlossräumen eine Sonderschau anhand von Bildnissen und originalen Kleidern das nicht selten körperbetonte Auftreten der schönen Luise vor. Von dem liefert uns auch Herr Marr, der Kastellan von Paretz, eine lebendige Beschreibung. Er zitiert die Schilderung eines Studenten, der sich extra von Göttingen nach Kassel begab, um die auf der Durchreise befindliche Schönheitskönigin in Augenschein zu nehmen. Der Student schwärmte: "Sie war in weißen Silberlinon gekleidet und der Unterzug dieses Gewebes war so dünn, dass eine jede Bewegung uns ihre Nymphengestalt zeigte. Ein runder Chemisenzug bedeckte kaum halb die Brust, so dass man völligen Spielraum der Bewunderung hatte."
Dann gibt Kastellan Marr zum Besten, dass Friedrich Wilhelm III. mit Ausnahme der Ausstattung seiner Gemahlin Zeit seines Lebens äußerst knauserig war. Zu David Gilly, unter dessen Leitung das Schloss und die angrenzenden Wirtschaftsgebäude zwischen 1797 und 1800 als landwirtschaftliches Mustergut mitsamt Dorf errichtet wurden, soll der König gesagt haben: "Nur immer daran denken, dass Sie für einen armen Gutsherrn bauen." Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Es ist eines der schönsten Zeugnisse der preußischen Landbaukunst um 1800. Die von Gilly umgestaltete mittelalterliche Dorfkirche ist neben der Meierei der Pfaueninsel Preußens romantischer Gründungsbau der Neogotik.
Deren Königsloge birgt einen einzigartigen Schatz: An der Wand ist das vom berühmten Hofbildhauer Johann Gottfried Schadow geschaffene Tonrelief der "Apotheose der Königin Luise" (1811) angebracht. Diese Verherrlichung Luises, die laut Inschrift "die irdische Krone mit der himmlischen vertauschte", hat ihr Gemahl für diesen Ort erworben. Der Dichter Theodor Fontane verurteilte das sentimentale Relief als gestalterisch überfrachtete Geschmacksverirrung. Über den Luisenkult lästerte Fontane: "Mehr als von der Verleumdung ihrer Feinde hat sie von der Phrasenhaftigkeit ihrer Verherrlicher zu leiden gehabt." Sehenswert ist das Luisenrelief der Paretzer Dorfkirche aber trotzdem.
Service
Touristische Informationen, Hotels:
Berlin Tourismus Marketing, Tel.: 030-250025,Internet: www.berlin-tourist-information.de
TMB Tourismus-Marketing Brandenburg, Tel.: 0331-2004747, Internet: www.reiseland-brandenburg.de
Tourismusverband Havelland, Tel.: 03385-51900, Internet: www.havelland-tourismus.de
Übernachtungstipp: Travel Charme, Am Jägertor, Potsdam. Das in der Innenstadt gelegene 4-Sterne-Hotel bietet Einzelzimmer inkl. Frühstück für 90 bis 165 Euro, Doppelzimmer mit Frühstück für 59 bis 99 Euro pro Person
Adressen, Öffnungszeiten, Sonderausstellungen:
Schloss Charlottenburg, Spandauer Damm 10-22, Berlin. Der Neue Flügel mit der Luisenwohnung ist Di.-So. 10-18 Uhr geöffnet, ebenso das Mausoleum im Schlosspark
Pfaueninsel, Berlin. Mai-August täglich 8-21 Uhr, September täglich 9-19 Uhr, Oktober täglich 9-18 Uhr geöffnet. Parkgebäude und Meierei: Mai-Oktober täglich 10-17 Uhr geöffnet. Schloss: Mai-September Di.-So. 10-18 Uhr, Oktober Di.-So. 10-17 Uhr geöffnet. Bis 31.10.2010 wird auf dem Inselgelände und in einigen Parkgebäuden die Ausstellung "Luise. Die Inselwelt der Königin. Positionen zeitgenössischer Kunst" gezeigt.
Schloss Paretz, Parkring 1, Ketzin. Mai-Oktober Di.-So. 11-17 Uhr geöffnet. Vom 31.7.-31.10.2010 wird die Ausstellung "Luise. Die Kleider der Königin" gezeigt.
Literatur:
Königin Luise von Preußen: Ihre Schlösser und Gärten in Paretz, Charlottenburg und auf der Pfaueninsel. Prestel Verlag, 12 Euro
Ausstellungsführer Luise. Die Inselwelt der Königin. 9,95 Euro
Ausstellungskatalog Luise. Die Kleider der Königin. Hirmer Verlag, 25 Euro in der Ausstellung, 34,90 Euro im Buchhandel
Paretzer Skizzenbuch: Bilder einer märkischen Residenz um 1800. Deutscher Kunstverlag, 19,90 Euro
Königin Luise von Preußen: Briefe und Aufzeichnungen 1786-1810. Deutscher Kunstverlag, 24,90 Euro
Informationen zum Luisenjahr:
Internet: www.spsg.de/luise2010