Es ist erfreulich, dass die großen Berliner Theater dem Nachwuchs immer wieder eine Chance geben und verständlich, dass der Nachwuchs diese Chance zu seinem Besten nutzt. Leider erwies sich die vom Ensemble erstellte Fassung von Maxim Gorkis „Nachtasyl“ jedoch nicht als die beste aller Möglichkeiten, und die durchaus professionell agierenden SchauspielerInnen wären gut beraten gewesen, wenn sie für die Bearbeitung des Schauspiels professionelle Hilfe in Anspruch genommen hätten.
Wenn Florian Steffens als Klecs zu Beginn sehr engagiert und temperamentvoll seine Arbeitslosigkeit beklagt und dabei auch Ausländerfeindlichkeit verbalisiert, entsteht der Eindruck, Gorki sei aktualisiert worden. Partiell ist das tatsächlich geschehen, ohne dass allerdings eine neue Interpretation erkennbar wäre.
Gorkis Stück erscheint wie das engagiert in Angriff genommene Pflichtprogramm, neben dem Szenen ablaufen, in denen die Mitwirkenden sich manchmal mit dem Stück oder auch mit ihren eigenen Problemen und Zukunftsperspektiven auseinandersetzen. Die Annäherung gelingt nicht, denn zwischen den heruntergekommenen, hoffnungslosen Außenseitern im „Nachtasyl“ und den jungen Leuten vor Beginn ihrer Karrieren gibt es keine erkennbaren Gemeinsamkeiten.
Runa Schaefer steigt aus ihrer Rolle aus und moniert, dass sie als Anna nichts tun darf als husten und sterben. Jasna Fritzi Bauer (Natasa) sinniert über deprimierende Ablehnungen auf Bewerbungen. Der Schauspieler (Bernardo Arias Porras) nimmt, wie im Stück vorgesehen, ein schreckliches Ende.
Der Schauspieler steht im Mittelpunkt der Inszenierung, und seine Rolle ist deutlich erweitert. Die hinzugefügten Texte sind zu wenig pointiert und aussagekräftig und wirken gelegentlich ermüdend. Dennoch gelingt es Bernardo Arias Porras, eine beeindruckende, skurrile Bühnenpräsenz zu entwickeln.
Anne-Christina Schirmacher gestaltet Vasilisa sehr nunanciert mit erschreckender Kälte und Grausamkeit.
Patrick Bartsch, deutlich viel zu jung für die Rolle des geheimnisvollen Pilgers Luka, offeriert diesen als smarten Pastor-Fliege-Nachfahren, mit vielen falschen Tönen ausgestattet.
Die zweistündige Aufführung, von Manfred Effinger einfühlsam auf dem Akkordeon begleitet, erweist sich als eine Art Gemeinschaftsvorsprechen von elf viel versprechenden jungen Talenten. Es ist zu hoffen, dass die Eine oder der Andere von ihnen nach bestandener Abschlussprüfung im Ensemble der Schaubühne zu erleben sein wird.
„Nachtasyl“, eine Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin, Regie: Peter Kleinert, hatte am 15.01. Premiere in der Schaubühne. Weitere Vorstellungen: 21.01. und 21. – 24.02. 2011.