Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das Wirken von Friedrich Engels als marxistischer Theoretiker an der Seite von Karl Marx ist allgemein bekannt. Weniger, dass er auch ein Militär ersten Ranges war und in der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee mit der Waffe kämpfte. „Zum Militär war er übrigens wie geschaffen: Helles Auge; rascher Überblick, rasches wägen auch der kleinsten Umstände, rascher Entschluss und unerschütterliche Kaltblütigkeit.“ So schätzte Wilhelm Liebknecht Friedrich Engels ein, der als Stabschef und Adjutant im Freikorps des Obersten August Willich, dem besten Truppenteil der Badisch-Pfälzischen Revolutionsarmee, diese Eigenschaften glänzend bewies.1 Auch Willich schätzte Engels als einen der besten Kommandeure ein, „kaltblütig, geschickt und von raschem, richtigen Überblick“. 2
In mehreren Gefechten und in der Schlacht bei Rastatt stand Engels immer in vorderster Linie und führte dabei auch das Kommando über Einheiten. In ihren „Memoiren einer Frau aus dem Badisch-Pfälzischen Feldzug“ (1853) schrieb die Revolutionsteilnehmerin Franziska Anneke, Engels habe in einem Gefecht bei Rinntal als Kommandeur eines Seitendetachements mehrere Stunden zeitweise im dichtesten Feuer gestanden. „Sein Eifer und sein Mut wurden von seinen Kampfgenossen ungemein lobend hervorgehoben.“
Die militärischen Kenntnisse, die Engels sich vorausschauend als Einjährig-Freiwilliger in der preußischen Garnison in Berlin angeeignet hatte, kamen nun der revolutionären Sache zugute. Er hatte sich für die Artillerie entschieden, die als technische Waffengattung einen bürgerlichen Zuschnitt besaß und von den Offizieren vielseitige mathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse verlangte. Sein militärisches Wissen hatte Engels bereits während seiner Teilnahme am Aufstand in Elberfeld nutzbringend angewandt und zum Beispiel dafür gesorgt, dass beim Bau von Barrikaden berücksichtigt wurde, dass diese bei einem Angriff des Gegners einem Artilleriebeschuss ausgesetzt würden. Auf seinen Vorschlag hin, setzte die Militärkommission den ehemaligen preußischen Artillerieoffizier Otto von Mirbach, der sich der Revolution angeschlossen hatte, zum Oberkommandanten der Stadt ein, dessen Adjutant er dann auch hier bereits wurde.
Als Adjutant im Korps von Willich übernahm Engels gleichzeitig die Aufgaben des Stabschefs. Dazu gehörte die Korrespondenz mit dem Oberkommando und der provisorischen Regierung, die Planung der Gefechtspositionen sowie die Beschaffung des Nachschubs an Munition, Waffen und Nahrungsmitteln. Daneben kümmerte Engels sich sofort um die Gefechtsausbildung. In Karlsruhe führte er eine Sturmübung durch, mit der auch den konterrevolutionären Ambitionen der schwankenden Kleinbürger ein Dämpfer versetzt wurde.
Während des Rückzugs an die Murg, bewies Engels als militärischer Führer hier auch die Fähigkeit, in schwierigen Situationen nicht die Übersicht zu verlieren, von Panik ergriffene Soldaten aufzuhalten, zu ordnen und wieder ins Gefecht zu führen. In der Schlacht an der Murg am 28. und 29. Juni bildete Bichweiler, wo das erste Armeekorps der Preußen angriff, einen Brennpunkt. Engels, der sich sofort in die vorderste Linie begab, schilderte einige Wochen später in seiner „Reichsverfassungskampagne“ die Ereignisse: „Unsere Tirailleure wurden von einem heftigen Feuer empfangen. Es waren preußische Schützen, die ihnen gegenüberstanden, und unsere Arbeiter hatten ihren Spitzkugelbüchsen3 nur Musketen gegenüberzustellen. Sie gingen aber, unterstützt von dem rechten Flügel unserer Schützen, der zu ihnen stieß, so entschlossen vor, dass die kurze Entfernung sehr bald, namentlich auf dem rechten Flügel, die schlechte Qualität der Waffe ausglich und die Preußen geworfen wurden.“ Trotz ihrer kolossalen Überlegenheit wagten die Preußen „keinen ernstlichen Frontalangriff, sondern schlugen uns durch feigen Verrat, indem sie das neutrale, uns verschlossene württembergische Gebiet verletzten“.4 Durch dieses von der Regierung in Stuttgart zugelassene Manöver, konnten die Preußen den rechten Flügel General Mieroslawskis zerschlagen. Während sich ein Teil der Truppen nach der Niederlage in die Festung Rastatt begab, zogen sich etwa 7000 Mann nach Süden zurück. Mit einer Nachhut des Freikorps Willich deckte Engels den Rückzug, der am 12. Juli bei Lottstetten mit dem Übertritt in die Schweiz endete.
Über die letzte Etappe der deutschen Revolution in Baden und der Pfalz hat Engels mit seiner Schrift „die deutsche Reichsverfassungskampagne“ 5 nicht nur eine historische Untersuchung, sondern gleichzeitig den Bericht eines aktiven Teilnehmers vorgelegt. Er verallgemeinerte die Kampferfahrungen der Volksmassen und wichtige Leitsätze über die Taktik der revolutionären Partei im bewaffneten Aufstand und im Bürgerkrieg. Er hob hervor, dass die Partei des Proletariats „ziemlich stark in der badisch-pfälzischen Armee vertreten war“ und hielt fest, „die entschiedensten Kommunisten waren die couragiertesten Soldaten“. Er entlarvte den Verrat der Führer der liberalen Bourgeoisie und der schwankenden kleinbürgerlichen Demokraten, in deren Ergebnis Hunderte in den Kasematten der Festung ohne medizinische Hilfe an Typhus starben, unzählige heimlich ermordet wurden. Tausende im ganzen Land dem Terror der Feudalreaktion zum Opfer fielen, Zehntausende gerichtlich verfolgt wurden, insgesamt 700 000 Teilnehmer an den Erhebungen von 1848/49 in die Emigration getrieben wurden. „Das deutsche Volk wird die Füsilladen und die Kasematten von Rastatt nicht vergessen; es wird die großen Herren nicht vergessen, die diese Infamien befohlen haben, aber auch nicht die Verräter, die sie durch Feigheit verschuldeten: Die Bretanos von Karlsruhe und von Frankfurt.“
Nach 1848/49 bildeten militärwissenschaftliche Studien einen festen Bestandteil der Forschungen von Friedrich Engels. Unter Freunden wurde er in London „General“ genannt. „Und wenn es bei seinen Lebzeiten noch einmal zu einer Revolution im alten romantischen Stil gekommen wäre, hätten wir in Engels unseren Carnot und Moltke gehabt – den Organisator der Armeen und Siege und den Schlachtenlenker“, schrieb Wilhelm Liebknecht und fuhrt fort: „Er hat ja auch verschiedene sehr tüchtige Militärschriften verfasst und sich – allerdings inkognito – die Anerkennung von Fachmilitärs ersten Ranges erworben, die keine Ahnung davon hatten, dass der namenlose Broschürenschreiber einen der anrüchigsten Rebellennamen trug und ein plebejischer Fabrikantensohn aus Barmen war“. So analysierte er die Kriege Piemonts gegen Österreich und enthüllte den Verrat König Carlo Alberto, der lieber kapitulierte, als die Volksmassen zu Hilfe zu rufen. „Wäre die Turiner Regierung revolutionär und hätte sie den Mut, zu revolutionären Mitteln zu greifen -es wäre nichts verloren“, schrieb er in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ am 1. April 1849. „Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren – nicht an der Unbesiegbarkeit der österreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königtums“. Die Analysen, die Engels in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ über den revolutionären Krieg in Ungarn veröffentlichte und die sich als richtig erwiesen, wurden einem hohen Militär in der ungarischen Armee zugeschrieben.
Aus Engels militärischer Tätigkeit zu schlussfolgern, er sei etwa kriegsbegeistert gewesen, wäre jedoch fehl am Platz. Im Badisch-Pfälzischen Krieg folgte er seiner revolutionären Pflicht. Später übte er vernichtende Kritik an den imperialen Kolonialkriegen des deutschen Kaiserreiches. In einem Brief an Karl Marx‘ Schwiegersohn Paul Lafargue vom 3. November 1892 warnte er, die „Ära der Barrikaden und Strassenschlachten ist für immer vorbei“ und es gehe darum, „die sogenannten revolutionären Anwandlungen im Zaum zu halten, auf deren Explodieren unserer Regierenden nur warten.“ Er schlussfolgerte: „Also ist man verpflichtet eine neue revolutionäre Taktik zu finden.“ 6
Anmerkungen:
1 Zit. in: Mohr und General. Erinnerungen an Marx und Engels. Berlin/DDR 1964, S. 425.
2 Friedrich Engels an Jenny Marx in: „1848“ Augenzeugen der Revolution, Berlin/DDR 1973, S. 701.
3 Perkussionsgewehr (Vorderlader) wegen der verwendeten Spitzkugeln auch Spitzkugelbüchse genannt. 1839 in die preußische Armee eingeführt.
4 Die deutsche Reichsverfassungskampagne, MEW, Bd. 7, Berlin/DDR 1960, S. 86 ff.
5 MEW, Bd. 1. , Berlin/DDR 1958, S. 109-197.
6 MEW, Bd. 38, Berlin/DDR 1968, S. 504 f.
Siehe auch die Beiträge
- Gestalten der deutschen Revolution von 1848/49: Michael Bakunin, vom Zaren-Offizier zum Revolutionär von Gerhard Feldbauer
- Gestalten der deutschen Revolution von 1848/49 – Carl Schurz, von der badisch-pfälzischen Revolution in den nordamerikanischen Bürgerkrieg von Gerhard Feldbauer
im WELTEXPRESS.
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