Eine der zehn eingeladenen Inszenierungen, „Life and Times – Episode 1“ mit der New Yorker Off-Off-Truppe Nature Theater of Oklahoma ist in einer Produktion vom Wiener Burgtheater in englischer Sprache mit deutscher Übertitelung zu erleben, das Schauspiel Köln präsentiert „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth in Koproduktion mit dem NT Gent und De Veenfabrik, und das Schauspielhaus Graz hat in Zusammenarbeit mit der Szputnik Shipping Company, Budapest „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ von Peter Handke auf die Bühne gebracht, bearbeitet und inszeniert von Viktor Bodó.
Während in den vergangenen Jahren Klassikerinterpretationen das Theatertreffen dominierten, bietet das tt 10 vorrangig Gegenwartsdramatik, Elfriede Jelinek, Roland Schimmelpfennig, Dennis Kelly, Dea Loher, Kelly Copper & Pavol Liska statt Schiller und Shakespeare.
Die aus den Fugen geratene kapitalistische Weltordnung wird in fast allen Stücken thematisiert. Rückblicke auf das, gar nicht so unterschiedliche, Leben vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise vor achtzig Jahren bietet neben der Inszenierung von „Kasimir und Karoline“ auch „Kleiner Mann – was nun?“ von Hans Fallada, eine Produktion der Münchner Kammerspiele in der Bühnenfassung und Inszenierung von Luk Perceval.
Bei der Pressekonferenz im Haus der Berliner Festspiele zeigten sich alle Beteiligten erwartungsfroh. Auf dem Podium erschienen Hortensia Völckers, Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, Karin Beier, Intendantin des Schauspiel Köln, Wolfgang Höbel als Vertreter der tt-Jury, Wolfgang Bergmann, Leider von ZDFtheaterkanal, sowie Iris Laufenberg, Leiterin des Theatertreffens und Joachim Sartorius, Intendant der Berliner Festspiele.
Iris Laufenberg, die gern mit provozierenden Fragen Denkanstöße gibt, hatte offenbar keine Schwachstellen an der Auswahl der zehn eingeladenen Inszenierungen entdecken können. Naheliegend erschien allerdings Laufenbergs Überlegung, die Entscheidung, gleich drei Produktionen vom Schauspiel Köln zum Theatertreffen einzuladen, könne als Solidaritätsbekundung gewertet werden angesichts der Finanzkrise in NRW, die neben Theaterschließungen auch Etatkürzungen beim Schauspiel Köln befürchten lässt.
Wolfgang Höbel erklärte, dass die Jury sich davon nicht habe beeinflussen lassen. Die Bevorzugung des Schauspiel Köln sei allein dem, an diesem Theater erkennbaren „erfreulichen Zufall künstlerischer Blüte“ geschuldet.
Eine der Kölner Produktionen, „Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen“, Adaption eines Films von Ettore Scola, eine „mitleidlose Komödie“ über die Selbstzerfleischungen von Menschen der Unterschicht, ist in der Inszenierung von Karin Beier zu erleben, die den Blick richtet auf kulturlose Kreaturen, die weder Schönheit noch Empathie kennen.
Die Bedeutung des Theaters betonte Karin Beier bei der Pressekonferenz und zeigte sich entschlossen, die Erhaltung der Kulturtradition als wesentliches Merkmal deutscher Identität zu verteidigen. Beier erklärte, das Spezifische des Kölner Theaters sei darüber hinaus seine internationale Öffnung. In der Migrationsstadt Köln seien bewusst Schauspieler und Regisseure mit Migrationshintergrund in die Theaterarbeit einbezogen und internationale Koproduktionen realisiert worden.
Der Trend, deutschsprachiges Theater der Welt zu öffnen, der beim tt10 deutlich wird, fand auch Anerkennung bei Hortensia Völckers, Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, durch die das Theatertreffen seit 2004 gefördert wird. In diesem Zusammenhang erwähnte Hortensia Völckers auch das von der Kulturstiftung geförderte Projekt „Wanderlust“, das Stadttheatern die Möglichkeit zum Austausch mit Bühnen anderer Länder und Kulturen bietet.
Erstmals in diesem Jahr werden drei Inszenierungen des Festivals nicht nur als Fernsehübertragungen in 3sat und ZDFtheaterkanal zu sehen sein, auch im Sony Center am Potsdamer Platz sind „Die Kontrakte des Kaufmanns“ von Elfriede Jelinek, „Der goldene Drache“ von Roland Schimmepfennig und „Riesenbutzbach. Eine Dauerkolonie“ von Christoph Marthaler und Anna Viehbrock bei freiem Eintritt zu erleben.
Der Preiskampf um den 3sat Preis für herausragende künstlerische Leistungen des deutschen Schauspiels, im letzten Jahr erstmals von vier JurorInnen live vor laufender Kamera ausgetragen, steht auch in diesem Jahr auf dem Programm. Wie Wolfgang Bergmann erklärte, sollen Entgleisungen in der einstündigen Veranstaltung durch den Einsatz von Tita von Hardenberg als Ringrichterin vermieden werden.
Bewährt hat sich ebenfalls das von Nikola Richter geleitete Theatertreffen-Blog, das 2009 die tt Festivalzeitung ablöste. Sieben junge KulturjournalistInnen werden auch über das tt10 online, multimedial und für alle zugänglich, berichten. Erstmals wird sich auch Joachim Sartorius unter die Blogger mischen und in loser Folge über seine Eindrücke vom Theatertreffen berichten.
Vom 07. bis 24. Mai bietet das 47. Theatertreffen 29 Vorstellungen des Hauptprogramms, 15 Veranstaltungen des Stückemarkts, eine öffentliche Diskussion zum Thema „Kulturnation Deutschland – Exportschlager oder Auslaufmodell“, Publikumsgespräche, Preisverleihungen und die Nachtmusik-Konzerte.
Veranstaltungsorte sind neben dem Haus der Berliner Festspiele: Deutsches Theater Berlin, Berliner Ensemble, Sophiensaele, Hangar 5 Flughafen Tempelhof und Maxim Gorki Theater Berlin.
Das Festival verspricht, spannend zu werden. Der Wolf, der anstelle eines Mottos die Ankündigungen ziert, lockt zähnefletschend in eine multikulturelle Welt voller Abenteuer, Gefahren und Schönheit.