Hamburg, Deutschland (Weltexpress). Weil die einen, die G20, in die Oper gehen, so lässt sich sagen, machen die anderen Krawall, stecken Autos in Brand und plündern Geschäfte.
Der Krawall oder Beethoven und der schwarze Block
Wie hätte das Beethoven gefunden, der seine 9. Symphonie als das Ringen eines Menschenherzens verstand, das sich aus Mühen und Leiden nach einem Leben in reiner Freude sehnt, das ihm doch in voller Klarheit und Glückseligkeit nicht beschieden ist? Gewiss als Bestätigung, denn offensichtlich hat sich seit ihrer Wiener Uraufführung 1824 zwar technologisch, globalpolitisch und modisch einiges verändert, aber genau das war 1824 auch schon der Fall. Auch kannte die alte Welt durch die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden und den Wiener Kongress entsprechende Mega-Events samt Kulturprogramm.
Zu letzterem sind in der Moderne besagte Krawalle, brennende Autos, Geschäftsplünderungen und bürgerkriegsähnliche Zustände als Hervorbringungen aus der lebensweltlichen Szene zu rechnen. Demnach scheint es eine unveränderliche Seite im Menschsein zu geben, die das Gefühl und des Herzens Regungen in Auseinandersetzung mit der Welt und der Lebensalltäglichkeit betreffen. Beethovens wie Schillers Herzenswunsch: „Diesen Kuss der ganzen Welt“ bedeutet in der musikalischen Umsetzung die Schwierigkeit, diese immer in einem Jetzt-Zustand befindliche Welt nicht nur in ihrer Ganzheit, sondern auch in ihrer gefährdeten Vollkommenheit samt ihrer Gefährder anzunehmen. Mithin ist es die Liebe dieses Kusses, die als Friedenszeichen den Weg zu jenem visionär anmutendem Leben der Freude, Klarheit und Reinheit, kurz, der Glückseligkeit weist.
Das Konzert – Tenor oder Terror
Dass das Konzert des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg unter der Leitung seines amerikanischen Generalmusikdirektors Kent Nagano sich für diesen Kuss der ganzen Welt die Hamburger Elbphilharmonie als Räumlichkeit fand, gab der Stadt, dem Land und schließlich der EU einmal mehr die Gelegenheit, mit ihrer Hymne, nun mehr auf der Ebene der (innen-)architektonischen Hypermodernität, Weltmaßstäbe zu setzen.
Den Bildern der Macht, die sich während des Konzerts und schließlich im Gesang in Klangbilder umsetzten, ist dabei eigentümlich, dass sie sich nur als Konsensualprodukte des kollektiven Zeitgeistes verstehen lassen. Soll heißen wenn der klare Klang der deutschen Sprache aus dem Männermund des Tenors Klaus Florian Vogt als Drohung gen Osten gehört wird, dann wird einmal mehr verständlich, dass es heißt „nicht in diesen Tönen, sondern …“, was zwar nichts an der Richtung ändert, aber an der Intention, am Ziel und am Objekt des Begehrens, das als solches seiner freien Entscheidung folgend, Loslösungs- und Konsoldierungsprozesse durchläuft, die versprechen für alle Beteiligten Win-Win-Räume zu kreieren. Sie basieren auf innovativen Entwicklungsprojekten, die nicht zu letzt als kompensatorische Leistungen Anschubfinanzierungen erfahren.
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Mehr von Willy Wimmer zum Gipfel der G20 in Hamburg, dem „Tor zur Hölle der Straßenkämpfer und zur Welt der G20„.