Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Vor sechs Jahren unternahm das Frankfurter Liebieghaus, Ort der Sammlung vor allem antiker und klassischer Skulpturen, das Wagnis, seine Bestände mit den Werken des Amerikaners Jeff Koons zu konfrontieren und dabei überraschende Bezüge freizusetzen. Was damals gelang, wiederholt sich nun mit den Skulpturen, Zeichnungen, Installationen und Maschinen des südafrikanischen Künstlers William Kentridge.
Vom 22. März bis 26. August 2018 präsentiert die Liebieghaus Skulpturensammlung einen ganz besonderen Gast: In einem umfassenden Ausstellungsprojekt bringt William Kentridge (* 1955) seine Werke in einen Dialog mit der 5.000 Jahre überspannenden Sammlung des Frankfurter Museums. Die groß angelegte Ausstellung „. O Sentimental Machine“ präsentiert anhand von über 80 teils raumfüllenden Arbeiten und Installationen das ganze Spektrum im Oeuvre des Künstlers. Die von Sabine Theunissen inszenierte und von Vinzenz Brinkmann und Kristin Schrader kuratierte Ausstellung erstreckt sich über nahezu alle Bereiche und Räume der Liebieghaus Skulpturensammlung: von der Antikensammlung über die Mittelalterräume bis in die Dachräume der historistischen Villa Liebieg.
Der Besuch der Ausstellung wird fast zu einer „Schnitzeljagd“
Natürlich fallen die großen Konstrukte und Projektionen unmittelbar ins Auge. Aber raffiniert plaziert finden sich auch viele kleine Objekte so eingereiht zwischen den ausgestellten klassischen Köpfen und Büsten, dass der eilige Besucher ohne weiteres an ihnen vorbei eilt – was sehr schade wäre, denn dieses Zusammenspiel eröffnet neue Perspektiven für die Kunst Kentridges wie auch für die antiken Objekte. Und die Ausstellung greift auch umfassendere Bezüge auf. William Kentridge kommt aus Südafrika und einer Familie, die sich schon immer gegen die Apartheit gestemmt hat. Mit seiner Installation, die an den Genozit an den Hereros durch deutsche Konolialtruppen erinnert findet er zu einem Bezug zum Museumsort:, der historistischen Villa des erfolgreichen Industriellen Liebieg aus dem Jahre 1894, der wie das damalige Bürgertum insgesamt,an dem, diesem Massaker zugrundeliegendem Kolonialismus, sich bereichern konnte. Die Vielfalt der Ausstellung ist hier nicht darstellbar – es sei daher auf die Homepage des Museums und das auch hier wieder angebotene Tutorial zur Ausstellung verwiesen.(kentridge.liebieghaus.de)
Nur eine Villa weiter
Neben dem Liebieghaus, nur eine Villa weiter, befindet sich das Museum Giersch, vom IT-Kaufmann Giersch zunächst für seine Sammlung von primär Gemälden Frankfurter Provenienz des 19.Jahrhunderts gestifteten und eingerichteten Museums. Inzwischen ist das Haus in die Regie der J.W.Goethe-Universität übergegangen. Pünktlich zum „68er Jubiläum“ greift das Museum ein Ruhmesblatt der damaligen Zeit auf: Zwischen 1964 und 1968 existierte im sogenannten Studentenhaus (heute politisch korrekt Studierendenhaus) eine vom AStA betriebene/unterstützte Studiogalerie von 1964 bis 1968. Die aktuelle Präsentation im Haus Giersch unter dem Titel „Freiraum der Kunst“ belegt, dass es damals möglich war, mit geringsten Mitteln die künstlerische Avantgarde nicht nur Deutschlands, sondern weltweit zu präsentieren. Da diese Galerie nicht unter dem Zwang stand, zu verkaufen, konnte sie aus dem Vollen zeitgenössischer Tendenzen und gutmeinender Leihgeber schöpfen.Verdankt wird dies vor allem dem Engagement von Leuten wie Bartels, Roehr und Maenz. Schon 1964 war hier Arnulf Rainer zu sehen, auch Nam Jun Paik und Charlotte Moorman präsentierten hier Fluxus-Bewegung.
Der Höhepunkt: Serielle Formationen (1967)
Die Geschichte der Studiogalerie endet 1968 in den Studentenunruhen. Zuvor ist es ihr aber geglückt, noch ein Highlight zu setzen, das fortwirkt: 1967 gibt es die Ausstellung „Serielle Formation“, die Künstler präsentiert, die zwar damals noch weitgehend unbekannt waren, heute aber Weltgeltung haben und zu Zigtausenden bis Hunderttausenden gehandelt werden: Judd, Marconi, Uecker, Warhol, Vasarely, Stella, aber auch der zu früh verstorbene Roehr, Mitorganisator der Präsentation. Der Berichterstatter hatte die Chance, als Student im zweiten Semester, diese Ausstellung zu sehen (mehr durch Zufall, denn sie war weder besonders ausgeschildert noch irgendwie bewacht- jeder konnte vorbeischauen) und war nachhaltig beeindruckt – bis heute.
Die Präsentation im Museum Giersch bietet auf drei Ebenen Einblicke in die wichtigsten Ausstellungsprojekte der Studiogalerie – soweit die Exponate heute noch verfügbar sind. Auch ohne persönliche Reminiszenzen unbedingt sehenswert.
Die Daten
Kentridge im Liebieghaus: 22. März bis 26. Augist 2018
Freiraum der Kunst (Museum Giersch) 18. März bis 8. Juli 2018