19 KünstlerInnen aus 15 Ländern werden vier Wochen lang in Berlin zu Gast sein mit internationalen, interkontinentalen und interdisziplinären Performances.
Foreign Affairs, benannt nach dem gleichnamigen, satirischen Berlin-Film von Billy Wilder, ist das Nachfolgefestival der spielzeit’europa, die sich mit ihren auf vier Monate verteilten Veranstaltungen als zu lang erwiesen hatte.
Mit der belgischen Kuratorin Frie Leysen hat Thomas Oberender eine hochkarätige Spezialistin für die Gestaltung des neuen Festivals ausgewählt.
Frie Leysen gilt als eine der erfahrensten Persönlichkeiten der internationalen Theaterszene. Als sich in Belgien der Konflikt zwischen Flamen und Wallonen zuspitzte, arbeitete sie mit den Mitteln der Kunst erfolgreich für Integration und Verständigung. 1980 bis 1991 baute Frie Leysen das internationale Kunstencentrum deSingel in Antwerpen auf und gründete 1992 in Brüssel das multidisziplinäre Kunstenfestivaldesarts, das sie mehr als zehn Jahre leitete und zu einem der einflussreichsten Festivals Europas entwickelte.
Danach konzentrierte sich Frie Leysen vorwiegend auf den arabischen Raum und kuratierte dort 2007 Meeting Points 5, ein internationales Festival in neun arabischen Städten von Damaskus bis Rabat. 2010 gestaltete sie das Festival Theater der Welt in Mülheim und Essen.
Foreign Affairs wird von Frie Leysen lediglich an den Start gebracht. Ab 2013 übernimmt Matthias von Hartz, der auch in die diesjährige Programmgestaltung mit einbezogen wurde, die Leitung des Festivals.
Im Mittelpunkt des diesjährigen Programms stehen, nach Frie Leysens Aussage, starke künstlerische Persönlichkeiten aus der ganzen Welt als BerichterstatterInnen unserer Zeit mit ihren Visionen, ihren Befürchtungen und Träumen, ihren persönlichen Perspektiven und kritischen Analysen der Gegenwart.
Neben bisher Unbekannten, die Frie Leysen auf ihren Reisen entdeckt hat, sind auch bereits etablierte KünstlerInnen beim Festival vertreten.
Festivalpartner sind die Sophiensaele, die während des Festivals zwei Wochen lang bespielt werden. Weitere Veranstaltungsorte sind, neben dem Haus der Berliner Festspiele, der Kleine Wasserspeicher sowie das Ballhaus Ost.
Damit auch Kulturinteressierte mit wenig Geld sich den Festivalbesuch leisten können, wurden die Eintrittspreise gesenkt und liegen jetzt bei 25,-, 15,- und 10,-€.
Einen originellen, persönlichen Blick hinter die Kulissen ermöglicht Frie Leysen mit ihrem Angebot von Hausbesuchen, zu denen sie eingeladen werden kann und bei denen sie, im privaten Rahmen, über das Festivalprogramm und die mitwirkenden KünstlerInnen spricht und von ihren Reisen erzählt.
Durch das Projekt „Fremdgehen“ werden Kontakte auch innerhalb des Publikums aktiviert. Hier sind Interessierte aufgefordert, an vier Samstagen mit einer fremden Person ins Theater zu gehen. In einer Einführungsveranstaltung mit Frie Leysen am 15. September werden die Paare per Los zusammengestellt.
Das umfangreiche Rahmenprogramm beinhaltet außerdem Filme, musikalische Darbietungen, Workshops, einen vorbereitenden VHS-Kurs, ein Symposium zum Thema Kolonialismus wie auch Artist Talks im Anschluss an die Vorstellungen.
Vier Uraufführungen, vier europäische Erstaufführungen und neun deutsche Erstaufführungen sind in der Zeit vom 28. September bis 26. Oktober zu erleben.
Vor dem Haus der Berliner Festspiele errichtet der japanische Architekt Kyohei Sakaguchi ein mobiles Haus auf Rädern aus Materialien, die andere wegwerfen. In der fünfteiligen Wohneinheit wird der italienische Pianist und Dirigent Marino Formenti drei Wochen lang leben und täglich von 11 bis 23 Uhr Klavier spielen, u.a. Stücke von John Cage, Morton Feldman und Louis Couperin, während das Publikum kommen, gehen oder bleiben kann, wann und wie lange es möchte.
Eröffnet wird mit „Las Multitudes“. Der argentinische Autor und Regisseur Federico Léon erarbeitet „Ein Stück für 108 Berliner, 13 Argentinier und fünf Generationen“, eine Suche nach Identität im Spannungsfeld von Individuum und Kollektiv.
Auf die im 19. Jahrhundert beliebten Völkerschauen bezieht sich „Exhibit B“, eine begehbare Installationsperformance, die der südafrikanische Künstler Brett Bailey mit in Berlin lebenden Migranten aus Afrika und Schauspielern aus Namibia realisiert. Von Brett Bailey ist außerdem die Inszenierung „medEia“ zu erleben, in der die griechische Tragödie in ein abgelegenes afrikanisches Dorf versetzt wird und im urbanen Europa ihren Fortgang nimmt.
Der japanische Regisseur Daisuke Miura entwirft ein grellbuntes und zugleich düsteres Bild von einer oberflächlichen Wohlstandsgesellschaft in seinen Stück „Love’s Whirlpool“ mit dem Untertitel „Ein Dating Abend für vier Paare, drei Betten und uns Voyeure“.
Eine wütende Abrechnung mit der westlichen Gesellschaft präsentiert der argentinische Autor und Theaterregisseur Rodrigo Garcia mit seinem Stück „Gólgota Picnic“.
Die isländische Tänzerin und Choreografin Erna Omarsdottir erweckt Albträume zum Leben in ihrer Choreografie „We saw monsters“, eine Mischung aus Rockkonzert und Horrofilm, Totentanz und Orgie.
In seiner Performance „enfant“ für neun Tänzer und zehn Kinder thematisiert der französische Tänzer und Choreograf Boris Charmatz die Beziehungen zwischen der Welt von Kindern und der von Erwachsenen, und die bildende Künstlerin yeesookyung aus Korea lässt die Zeit still stehen in ihrer Performance „Willows became the thread and a nightingale became the shuttle“ mit der traditionellen Vokalmusik koreanischer Höfe, vorgetragen von der Gagok-Vokalistin Min Hee Park.
Weitere KünstlerInnen bei den Foreign Affairs 2012 sind die ChoreografInnen Anne Teresa De Keersmaeker mit Rosas (Brüssel) und Mart Kangro (Tallinn), die Regisseure Fernando Rubio (Buenos Aires) und Romeo Castellucci (Cesena), die Theaterkollektive andcompany&Co. (Berlin) und FC Bergman (Antwerpen), der Filmemacher Manu Riche (Brüssel) mit Patrick Marnham (Oxfordshire), die Performancekünstlerin Cecilie Ullerup Schmidt mit Matthias Meppelink (Berlin), die Theatermacher Markus Öhrn (Niskanpää/Berlin), Institutet (Malmö/Berlin), Nya Rampen (Helsinki/Berlin) und der Schauspieler Fabian Hinrichs (Berlin).