Die Rolle des Kunsthandels in der Nazizeit war bisher ein weitgehend unaufgeklärtes Kapitel. Nach der Erforschung des Schicksals von jüdischen Sammlern und ihrer Kunstwerke, die 2008 exemplarisch in der Ausstellung »Raub und Restitution« im Jüdischen Museum Berlin dargestellt wurden, hat sich nunmehr das Aktive Museum Faschismus und Widerstand aus Berlin diesem Thema zugewandt. Nach zweijähriger Arbeit eröffnete es gemeinsam mit der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum seine Ausstellung »Gute Geschäfte. Kunsthandel in Berlin 1933 – 1945«. Ein Team von 19 Historikern und Kunsthistorikern unter Leitung der Kuratorin Christine Fischer-Defoy durchleuchtete akribisch den Berliner Kunsthandel in der Nazizeit: Auf dem Markt agierten zirka 800 Händler und Auktionatoren, von denen etwa ein Drittel als »nichtarisch« galt. Letztere wurden nach 1933 systematisch verdrängt, verfolgt, beraubt und – soweit sie nicht emigrieren konnten – ermordet. Für ihre Entrechtung und Verfolgung schufen die Nazis, wie in der Ausstellung anschaulich dokumentiert wird, Schritt für Schritt die gesetzlichen Grundlagen, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nichts gemein hatten. 1933 mußten sich alle Kunsthändler in der Reichskulturkammer registrieren lassen, 1934 wurde 312 Berliner jüdischen Kunsthändlern Berufsverbot erteilt. Zunächst wurden Ausnahmen mit Händlern gemacht, die Devisen erwirtschafteten. 1938 wurde Kunsthändlern jüdischer Herkunft endgültig ihre Tätigkeit verboten. Jüdisches Eigentum war beim Verkauf zu kennzeichnen, damit auch kein heimlicher Verkauf möglich war.
So schlug die Stunde der Hehler und Profiteure. Ähnlich wie bei den jüdischen Kassenärzten, Rechtsanwälten und Künstlern verdrängten »arische« Händler und Auktionatoren ihre jüdischen Konkurrenten, »arisierten« deren Geschäfte und Eigentum und nahmen Juden Kunstwerke zu erpresserischen Preisen ab. Hinzu kam ab 1937 der Handel mit in den deutschen Museen als »entartet« beschlagnahmten Werken der Moderne und nach 1939 der Handel mit Beutekunst aus den überfallenen Ländern.
Die Autoren der Ausstellung charakterisieren die Szene an Hand der Geschichte von vierzehn Kunsthandlungen und Auktionshäusern. Dazu gehören die Schicksale jüdischer Kunsthändler wie Franz Catzenstein und Paul Graupe. Die Mehrzahl der untersuchten Fälle sind Profiteure wie Karl Haberstock, der Hitler persönlich für sein geplantes »Führermuseum« in Linz belieferte und sich besonders an in Frankreich geraubten Kunstwerken bereicherte. Oder der Pg. Hansjoachim Quandtmeyer, der sich seiner Freundschaft mit Göring rühmte. Quandtmeyer war nicht nur Profiteur, sondern auch Schreibtischtäter. 1938 stellte er im Fachverband eine Liste der jüdischen Unternehmen auf, die »arisiert« oder liquidiert werden sollten. Eduard Plietzsch, zunächst Teilhaber jüdischer Geschäfte, seit 1935 selbständig, wählte für Hitler, Göring und andere Nazigrößen in Belgien, Frankreich und den Niederlanden beschlagnahmte Kunstwerke aus und tat sich mit dem Aufspüren versteckter Kunstsammlungen hervor.
Das Namhaftmachen der Täter und Profiteure – jedem ist eine Tafel gewidmet – ist das interessanteste und verdienstvollste Resultat der Ausstellungsmacher. Jedoch wie bei den meisten belasteten Diplomaten, Militärs, Gestapoleuten, Polizisten, Richtern und Ärzten erst nach ihrem Tode. Nur einer wurde nach der Befreiung belangt. Quandtmeyer wurde von sowjetischen Offizieren verhaftet und starb im Gefangenenlager. Seine Firmen wurden vom Magistrat von Großberlin enteignet. Leo Spik, NSDAP-Mitglied, Profiteur der Zwangsversteigerung von jüdischen Kunstsammlungen, Villen und Wohnungseinrichtungen, geriet für kurze Zeit in sowjetische Gefangenschaft, ließ sich nach seiner Entlassung entnazifizieren, eröffnete 1947 ein neues Unternehmen in Berlin mit Dependancen in München und Bad Kissingen und erhielt 1965 das Bundesverdienstkreuz. Von Belangtwerden kann entgegen dem Begleitbuch nicht die Rede sein. Auch die meisten anderen machten weiter. Auffallend ist der zurückhaltende Umgang der Autoren im Begleitbuch mit den Kollaborateuren der Nazis. Sie wollten Urteile vermeiden, so eine Mitwirkende. Eine deutliche Sprache, die zum Beispiel die Autoren des Buches »Die Charité im Dritten Reich« (Paderborn 2008) sprechen, wäre auch hier am Platze gewesen.
Ein fast unscheinbares Einzelschicksal offenbart ein Aktenordner in einer Nische der Ausstellung. Er dokumentiert die Zwangsversteigerung des Praxis- und Wohnungsinventars, darunter Gemälde und Grafiken, des Zahnarztes Dr. Ludwig Wertheim am 5. September 1938 durch die Auktionatorin Helene Scheduikat. Grundlage war das Gesetz zur Aufhebung der jüdischen Arztpraxen. Erlös: 2 616,50 Reichsmark zugunsten der Oberfinanzdirektion. Käufer waren »harmlose« Mitbürger. Den Opfern wurde alles geraubt wie später allen deportierten Juden. Kunstauktion und radikale Enteignung verzahnten sich auf perfide Weise.
"Gute Geschäfte". Kunsthandel in Berlin 1933 -1945. Ausstellung des Aktiven Museums Faschismus und Widerstand im Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28-30, bis 31. Juli 2011, mit Begleitprogramm. Website: www.centrumjudaicum.de