Den anderen Beweis traten die Akteure an, die sich bei Laufen, Springen und Werfen engagiert, inspiriert und leistungsorientiert zeigten. Letzteres verwunderte nicht, denn das kleine und erlesene Starterfeld vereinte Weltstars mit nationalen und lokalen Spitzenathleten. Die Showelemente – Feuerstöße, Licht- und Laserlicht-Effekte – hatte man gegenüber dem Vorjahr ebenso wie die Dauerbeschallung im Phon-Schmerzbereich reduziert (Pressprecher Claus Frömming: „Wir sind ja lernfähig“).
So kamen die Vorzüge der Leichathletik in der Kammerspiel-Version noch besser zum Tragen: Der Zuschauer ist viel näher dran am Geschehen als im weiten Rund beispielsweise des Olympiastadions. Und kann viel besser alles verfolgen, da sich weniger Ereignisse kaum überschneiden. Auf einer Längsseite Stabhochsprung. Auf der anderen dazu zwischendurch Frauen-Weitsprung. Da ist Pause, wenn auf der 60-m-Geraden (nur sechs Bahnen statt acht im Freien) Sprinter und Hürdler in Aktion treten. Alles übersichtlich und mit Live-Interviews ergänzt.
Als Sprünge/Läufe beendet waren, überbrückten ZDF-Moderator Wolf-Dieter Poschmann und Co-Kommentator Robert Harting (nach Kreuzbandriss in der Reha-Behandlung) eine Umbauphase des Innenraums für den Mixed-Wettbewerb im Diskuswerfen.
Die Höhepunkte zuvor lieferten Stabhochspringer Renaud Lavillenie, Sprinterin Dafne Schippers, deren Kollege Kim Collins und der junge Kubaner Orlando Ortega über 60 m Hürden. Sie garnierten ihre Siege mit Prädikaten wie Jahres-Weltbestleistung, Meetingrekord oder persönliche Bestleistung.
Ortega gewann in 7,51 s, Hausrekord, Meeting-Bestleistung und Jahres-Weltbestzeit, und besiegte mit Landsmann Dayron Robles und dem US-Amerikaner Arles Merrit zwei Olympiasieger sowie mit Merrit auch den aktuellen Weltrekordler über 110 m Hürden im Freien. „Das ist meine erste Hallensaison und es war eine tolle Erfahrung, hier mitlaufen zu dürfen.
Natürlich bin ich happy, Robles geschlagen zu haben, denn er war für meinen Bruder und mich die Inspiration, Leichtathlet zu werden.“
Die hochwertigste Leistung und die großartigste Vorstellung des Abends lieferte der „fliegende Franzose“ Renaud Lavillenie. Nach 5,73 m, 5,93 m übersprang er mit dem Stab auch 6,02 m (Saison-Weltbestleistung) und versuchte sich dann dreimal vergeblich an der Verbesserung seines eigenen Hallen-Weltrekordes um einen Zentimeter auf 6,17 m.
Es habe total Spaß gemacht und er sei von Anfang an in der ungewohnt hohen und weiten Halle klar gekommen, habe derzeit eine gute Dynamik, erklärte der 28-Jährige: „Es war das erste Mal, dass ich mit drei Sprüngen über 6 m gekommen bin. Diese Marke habe ich nun zum zehnten Male gemeistert. Benutzt habe ich den Stab wie beim Weltrekord.“
Jenes Kohlefaser-Gerät mit Katapult-Effekt hatte ihm im Vorjahr geholfen, in Donezk, der Heimstatt von „Mister Stabhochsprung“ Sergej Bubka, dessen Weltrekord zu überbieten.
In Berlin gratulierte ihm Bubka, erfolgreichster Stabhochspringer aller Zeiten, heute NOK-Chef in der Ukraine und Vize-Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes mit Ambitionen auf den Präsidentenposten. Eine gute Idee von Meetingdirektor Martin Seeber, die Legende Bubka, der beim Freiluft-Istaf und in der Halle in Berlin einen Teil seiner fast 30 Weltrekorde markiert hatte, als Ehrengast einzuladen. Bubka hatte ja Anfang der 90-er Jahre das Angebot vom damaligen Istaf-Macher Rudi Thiel angenommen, hier zeitweilig zu wohnen und zu trainieren. Und natürlich lobte er Seebers Ansatz, die Leichtathletik mit diesem kreativen Format neuartig-attraktiv zu präsentieren.
Old-Man-Sprintgewinner Kim Collins aus der Karibik (St. Kitts & Nevis) wiederholte in vorzüglichen 6,50 s nicht nur seinen Vorjahreserfolg, sondern kokettierte auch mit seinem Alter. „Dein Körper ist wie ein Fahrzeug, du musst es bewegen, damit es gut funktioniert und lange läuft”¦alles dreht sich um das angemessene Training. Ich bin zu alt, um richtig hart zu trainieren. Du musst klug trainieren“, erklärte der 38-Jährige.
Vor 12 Jahren war er mal überraschender 100-m-Weltmeister im Freien und zählt zumindest auf der Flitzerdistanz in der Halle noch immer zur Weltelite.
Neben vernünftiger Behandlung seines Körpers sicher auch eine Frage ungewöhnlicher Gene. Dass man mit nahe 40 oder darüber in Ausdauerwettbewerben noch vorn dabei sein kann, demonstrieren aktuell das 42-jährige Eislauf-Wunder Claudia Pechstein oder der 40-jährige Ausnahme-Biathlet Ole Einar Björndalen (Norwegen). Doch in der Schnellkraftübung Sprint”¦gibt es kaum Vergleichbares!
Über reichlich Schnelligkeits-Gene- und Talent verfügt auch Dafne Schippers aus den Niederlanden. In Berlin lag die Doppel-Europameisterin des letzten Sommers mit Bestzeit von 7,09 s klar vor zwei ehemaligen Europameisterinnen. Also vor der Deutschen Verena Sailer und der Bulgarin Iwet Lalowa. Ungewöhnlich bei der 22-jährigen Schippers – sie betrieb jahrelang vorrangig Mehrkampf, wird von einem ehemaligen Zehnkämpfer betreut, verwendet noch immer Teile des Mehrkampftrainings, wird aber bei der Freiluft-WM in Peking über 100 m und auf den ihr noch besser zupass kommenden 200 m ihr Glück suchen.
Raphael Holzdeppe indes ist auf einer Suche nach seiner Form. Obwohl angekündigt als Rivale von Lavillenie, trat der erste deutsche Stabhochsprung-Weltmeister (2013 schnappte er Lavillenie völlig unerwartet den Titel weg) und das „größte deutsche Talent“, dann ohne Begründung nicht zum Wettkampf an. Beim Einspringen hatte er völlig missratene Versuche und dürfte auf Anraten seines Umfeldes auf eine denkbare Blamage verzichtet haben. Nach langwierigen Rückenproblemen ist er völlig von der Rolle und die interne Qualifikations-Norm von 5,65 m für die EM in Prag war bislang eine unüberwindbare Hürde für den einstigen 5,90-m-Springer”¦
Dass er in Berlin verabredete Interviews (aus Frust?) platzen ließ, zeigt seine derzeitige psychische Verfassung sowie einen Mangel an professionellem Umgang mit den Medien.
Das Alleinstellungs-Merkmal Diskuswerfen in der Halle, mit fünf Mix-Pärchen ausgetragen, war nicht ganz geglückt. Denn rund 50 % Prozent aller Würfe waren ungültig, weil Netzkäfig und Auswurflücke aus Sicherheitsgründen so eng angelegt waren, dass die Hälfte der Scheiben sich darin verfingen. Beste waren die Deutschen Shanice Craft (62,07 m/Weltbestweite unterm Dach) und Martin Wierig (64,24 m).
Dass die Veranstaltung am Samstag ausverkauft war, zeigt, wie populär Sport-Unterhaltung in der 3,5-Millionen-Metropole an der Spree ist. Denn Freitag gab es an gleicher Stelle Eishockey-Spektakel mit den Eisbären, am Samstag Volleyball mit den BR Volleys in der Schmeling-Halle und Sonntag wieder Eishockey (Umbau der O2-Arena über Nacht binnen 14 Stunden), Fußball mit der Hertha-Pleite im Olympiastadion sowie Basketball mit Alba in der Schmeling-Halle.
Berlin-City – eine Stadt, in der Sport-Entertainment kaum Pausen kennt.