Fast wia im richtigen Leben – Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25.11. 2010

Fair Game

Fair Game

Sicher ist dieser Film, dessen Regie Doug Liman übernahm, in dieser Woche der spektakulärste, weil er – obwohl aus den USA und Hollywood kommend – die geschichtliche Wahrheit ernst nimmt und im Film aufzeigt, die als öffentlicher Skandal in den USA noch hin und hergedreht wurde. Es geht um die gesellschaftliche Dauerwunde des amerikanischen Einmarsches und Krieges gegen den Irak im Jahr 2003, der mit dem Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen offiziell begründet wurde und auch lange – von vielen gerne – geglaubt wurde. Joseph Wilson (Sean Penn) weiß es besser, er war Diplomat unter verschiedenen amerikanischen Regierungen in Afrika und er ist es, der in einem Zeitungsartikel die Regierungslüge öffentlich macht. Die Regierung schlägt zurück. Valerie Plame (Naomi Watts) ist sowohl die Ehefrau des kritischen Wilson, sie ist aber auch Geheimagentin der US-Regierung mit dem Spezialauftrag, irakische Wissenschaftler in die USA zu bringen. Gegen alle amerikanischen Interessen und Fürsorgepflichten wird die CIA-Agentin enttarnt. Die Folge von so etwas geht über die persönliche Entehrung hinaus und bedeutet das, was vogelfrei genannt wird. Die Ungeheuerlichkeit staatlichen Handelns bringt dieser Film überzeugend rüber, der trotz aller Spannung immer inhaltlich am Ball bleibt und vom Mut von wenigen zeugt.

Suicide Club – Manchmal lebt man länger als man denkt

Wie man Selbstmord und Komödie vereint? Indem man eine Tragikomödie inszeniert, wie es Regisseur Olaf Saumer in diesem deutschen Film tut, der auch die Geschichte erfand, die ja eigentlich scharf ist, aber im Film selber dann in 99 Minuten zerfasert. Dabei fängt es stark an. Sie kennen sich nicht, die fünf Lebensmüden, die das Dach des Hochhauses ersteigen, um sich gemeinsam hinunterzustürzen, was dem einzelnen Selbstmörder nicht nur den Schutz der Gruppe im Tod gewährt, sondern zusätzlich dem eigenen kleinen Ich eine größere gesellschaftliche Selbstmordbedeutung gibt. Bis hierin die Tragödie. Allein, es kommt anders. Jetzt also die Komödie. Einem wird schlecht, der das Ganze beobachtet und dokumentiert, er muß sich übergeben und damit ist der Zeitpunkt des geplanten Selbstmordes zu Sonnenaufgang verpaßt. Also bis zum Sonnenuntergang warten. Aber jetzt entwickelt sich eine zwischenmenschliche Dynamik, die den einzelnen Selbstmörder nicht mehr vereinzelt läßt. Was nun also passiert, wollen wir nicht verraten, allerdings ausplaudern, daß der junge Regisseur mit seinem Debütfilm wohl auch einige Selbstmordabsichten verfolgte. Beruflich.

Habermann

Juraj Herz führt in diesem deutsch-tschechisch-österreichischen Film Regie und sein guter Name verspricht mehr, als dieser doch sehr kitschige Film halten kann. Dabei geht es um ein immer noch wichtiges Thema, also der Aufarbeitung der verschiedensten Facetten vom Leben und Sterben im Nationalsozialismus und danach. Konkret geht es um die Vertreibung des deutschen Bevölkerungsanteils nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei. Der deutsche Mühlenbesitzer Habermann (Mark Waschke) hat eine tschechische Frau Jana (Hannah Herzsprung), die aber als Deutsche durch Heirat vertrieben werden soll und in den Zug gepfercht wird. Deutlich arbeitet der Film die Motive heraus, die im rassistischen Haß und der Bereicherungsabsicht am zurückgelassenen Gut der Vertriebenen liegen. Allerdings gibt es ja die Vorgeschichte, in der der nunmehr tragische Held Habermann als der Gute auftritt, der nicht nur seiner halbjüdischen Frau hilft, sondern mit dem Schmuck der Familie und seinem Besitz von den zwanzig zur Erschießung bestimmten Tschechen die Hälfte retten kann. Gegenbild, also der böse Deutsche, ist SS-Sturmbahnführer Koslowski (Ben Becker), der ja außerdem noch korrupt ist. Das ist alles all zu durchsichtig, was bei einem so wichtigen Thema weh tut.

Cyrus

Uns hat das gefallen. Obwohl man die Typen widerlich findet, die die Brüder Jay und Mark Duplass uns in ihrer weißen Mittelschichtswelt vor Augen bringen. Die Männer sind dick und die Frauen, oh je. Ödipus ist nichts dagegen, wenn es um Cyrus (Jonah Hill) und seine schöne Mama (Marisa Tomei) geht. Dabei hat die gerade anderes zu tun, denn sie hat sich in John C. Reilly verliebt, der eben widerlich erscheint, aber auch sympathisch, was diesem Film seine dauernde Ambivalenz gibt, weil der Zuschauer mit seinen eigenen Gefühlen für die Filmfiguren mehr als sonst beschäftigt ist, die mit ihren natürlich auch. Ein sehr ungewöhnlicher Film, der die Mutter und Geliebte zur Sphinx macht, eine Rolle die sie durchhält.

7 oder warum ich auf der Welt bin

Eigentlich eine gute Idee, weltweit in Parallelmontagen Interviews mit Kindern und Jugendlichen zwischen sieben und dreizehn Jahren zu bringen, die thematisch strukturiert sind und so die ähnlichen oder andersartigen Meinungen zum selben Thema in den verschiedenen Weltteilen zu bringen. Die sieben leben in Deutschland, auf Kreta, in Ecuador und Paris, auf Kreta auch. Worüber Kinder räsonieren. Immer auch über die Welt. Warum sie da ist, wie sie ist, wie sie sein sollte, wie sie sein könnte. So ein Sprechfilm ist abhängig davon, wie er inszeniert und geschnitten ist. Regisseurin Antje Starost bringt zuwege, daß das Ganze nicht ermüdet, indem sie viel Außenaufnahmen bringt, die den Worten eine sinnliche Komponente geben und indem sie die Kinderworte nicht kommentiert, sondern den Wert dieses deutschen Films aus ihnen bezieht.

Ein gutes Herz

Die Gemeinschaftsproduktion, von der wir jetzt wegen des isländischen Regisseurs Dagur Kari, der die Geschichte auch erfunden hat, nur Island erwähnen, handelt von den Veränderungen, die mit einem vorgehen, wenn der Tod fast schon da war. Und wie einfach das Leben für Männer ohne Frauen wäre. Aber auch wie grau. Für den alten Haudegen Jacques (Brian Cox) wird sein Herzinfarkt anlaß, im Krankenhaus den obdachlosen Lucas (Paul Dano) kennenzulernen und ihm seine Zuhause als sichere Stätte anzubieten, was der gerne annimmt, soll er doch auch die Arbeit des Wohltäters übernehmen: die Bar The Oystern Tavern zu führen. In die führt den Weg die so schöne Stewardeß”¦hier geht es nicht um Wahrscheinlichkeiten, sondern um die vielen gegeneinanderstehenden Sehnsüchte von Menschen, die sich arrangieren müssen. Aber wie. Der Film ist einerseits wunderlich märchenhaft, andererseits zu bemüht. Wer die Hauptrolle spielt? Eindeutig die Bar.

Villa Amalia

Allein der Name Isabelle Huppert, die die Ann spielt, reicht aus, auf den französisch-schweizerischen Film neugierig zu sein. Auch der Regiename Benoit Jacquot läßt einen aufhorchen. Der Film ist eine Adaption des gleichnamigen Romas von Pascal Quignard und es ist tatsächlich so, daß allein wegen der Filmfigur Ann der Film vom Abschiednehmen über 94 Minuten so sehenswert bleibt. Ann hat herausgefunden, daß ihr Mann eine andere hat. Daß sie Pianistin ist, läßt allzu stark an die „Klavierspielerin“ denken, aber außer dem Klavier sind keine Parallelen. Diese Ann sagt „Schluß“ und handelt auch so. Verläßt ihren Mann, gibt ihre Tournee auf, schmeißt die Kleider weg, alles soll zurückbleiben, wenn sie sich ihrer Zukunft nähert. Wo die Flucht, die dramatische Momente hat, endet, ist nicht wichtig. Es geht um das Unterwegssein zu sich selber. Das geht wohl auf diese Länge nur mit der Huppert.

Es laufen auch „Au Revoir, Taipeh“, „Bödälä – Dance the Rhythm“, „Bon Appétit“, „SAW 3D – Vollendung“ und „Der Schlaf der Prinzessin“ an.

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