Wenn dies tatsächlich so kommen sollte, dann dürfte VfB-Meistermacher Stelian
Moculescu daran ein gehöriges Stückchen Anteil haben. Als seine Schützlinge am letzten Sonntag eine 2:0-Führung in der Schmeling-Halle noch aus der Hand gaben und 2:3 verloren, erklärte der gebürtige Rumäne lapidar: "In den nächsten Spielen sollten nicht nur zwei oder drei Spieler ihre Leistung bringen sondern alle." Und dann fügte der ehemalige Bundestrainer für die weiteren Halbfinalduelle an: "Es müssen nicht einmal hundert Prozent sein, aber eine anständige Vorstellung. Dann funktioniert das auch und wir gewinnen…!"
Auch wenn nur ein kleiner Teil des multinationalen Berliner Aufgebots sich in die deutschsprachige Presse vertieft, die Antwort gaben die Volleys mit dem 3:1 im dritten Playoff-Kampf vor 1800 Zuschauern in der ZF-Arena. Der erste Erfolg der Berliner seit 2007 in der Höhle des Löwen und folgenden 14-Auswärtsniederlagen! Hochmut kommt auch im Sport dann und wann vor dem Fall! Wie der erklärte Fachmann Moculescu die Leistungspotenziale der beiden Kontrahenten – noch unter dem Eindruck des 2:3, als seine Spieler in der zweiten Halbzeit mental und körperlich ausgelaugt wirkten – so weit auseinander liegend beurteilen konnte, das wird sein Geheimnis bleiben. Es war eine Fehleinschätzung nahe eines black-outs!
Berlin hat seine mehr als überraschende Playoff-Führung ohne den nominellen Hauptangreifer Paul Carroll herausgeschmettert. Jener ist nach Schulterverletzung noch nicht wieder bei 100 Prozent. Management und BR-Trainer Mark Lebedew verweisen immer wieder darauf, dass die Siegermentalität des US-Olympiasiegers Scott Touzinsky die Mannschaft "wie Pattex" zusammenhalte.
Der in der Tat in jeder Phase typisch US-amerikanisches Positiv-Denken ausstrahlende Außenannahmespieler, zudem kommunikativ sehr aktiv, hat gewiss Verdienste an der Leistungsoffenbarung. Doch beim 3:1-Auswärtscoup musste er im zweiten Satz knieverletzt raus. Und da zeigte sich, dass der zurückhaltende Ersatz-Hauptangreifer (für Carroll bzw. Aleksandar Spirovski) Urpo Sivula (MVP, Topscorer mit 18 Punkten und 39 von insgesamt 105 Angriffsbällen), der für Rico Galandi eingewechselte Mittelblocker Felix Fischer (16 Punkte), neben Spirovski, Kapitän Jaro Skach schon bei den Meisterehren 2003/04 dabei, Mittelblocker Tomas Kmet (9 Punkte, 2 Asse) und der US-Spielmacher Kawika Shoji wie die restlichen Kollegen nicht weniger wertvoll sind. Aber das Etikett Olympiasieger lässt sich halt bei zumal volleyballerisch wenig vertrauten Beobachtern besser verkaufen.
Es dürfte spannend werden, ob Moculescu, aufgrund zahlreicher und großartiger Meriten als "Volleyball-Guru" geadelt, seine Optik wieder so auf realitätskonform eingestellt bekommt, dass ein vorzeitiges Scheitern des VfB am Sonntag verhindert werden kann. Das Friedrichshafen im Pokal-Endspiel 0:3 unterlegene Generali Haching hat mit einem 3:0 über Moers das Playoff-Finale auf direktem Wege erreicht.