Es lebe die Freiheit! Hinauf, hinauf zum Schloss – Hilfe durch öffentliche Verkehrsmittel ausdrücklich erlaubt – Serie: Durch die Pfalz auf Schusters Rappen (Teil 1/3)

Die Burg, auf der erstmals schwarz-rot-gold zu sehen war: das Hambacher Schloss.

Die Pfalz ist ein Land, das geschichtlich durch wechselvolle Jahre ging: Jahrhundertelang vereinnahmt durch Römer und Bayern, im 12.und 13. Jahrhundert Kerngebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Vorreiter in Sachen Demokratie und nationaler Einheit und heute charmantes Vorbild einer entspannten Lebensart.

In erster Linie wird es in dieser Serie um das „Biosphärenreservat Naturpark Pfälzerwald“ gehen, dem wohl größten zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands.

Erwähnt werden aber auch Eisenbahnromantik, nette Menschen, Glühwürmchen, Bausünden und architektonische Glücksfälle, Flora und Fauna und nicht zuletzt der Wein aus der Pfalz und die große Gastfreundschaft ihrer Bewohner.

Im Pfälzerwald, vor allem in seinem sonnigen Ostrand, der bis zur Weinstraße reicht, wachsen nicht nur einheimische Gehölze: Hier reifen Edelkastanien, Mandelbäume, Feigen, Kiwis, und Zitronen. Sogar Bananenbäume und reihenweise Palmen haben wir auf unserem Ausflug in die Idylle entdecken können.

Der Wald, der die Region benennt, hat sich im Laufe der Jahrhunderte sein Gebiet zurückerobert, durchsetzt mit Baumarten, die eigentlich nicht aus der Gegend stammen können. Der felsenreiche und sandige Boden des Pfälzerwaldes ist heute also weitgehend wieder mit Bäumen bewachsen, außer natürlich dort wo die Weinbauern ihre wertvollen Rebstöcke anbauen.

Das günstige, milde Klima der Region wussten schon die Römer zu schätzen. Sie waren es, die den Weinbau in der Region einführten. Eine wegweisende kulturelle Leistung, die sich bis heute auswirkt: zahlreiche romantische Weindörfer wie Sankt Martin, Maikammer und Rodt sind Zeugen einer Weinkultur, die Gemütlichkeit und Qualität auf ideale Weise verbindet.

Für uns vom „Weltexpress“ sind die Pfälzer Weine die besten in Deutschland, das ist zwar Geschmackssache, klar, aber auch das Fachmagazin „Der Feinschmecker“ sieht das so, zumindest bei den Grauburgundern des Jahrgangs 2007.

Guten Wein und gutes Essen gibt es hier also neben Natur pur und Geschichte satt auch noch reichlich, serviert mit der heiteren Freundlichkeit eines Menschenschlages, der idealerweise auch noch einen sympathischen Dialekt sein eigen nennt.

Die zahlreichen Weindörfer und malerischen Flecken der Pfalz sind gleichzeitig ideale Ausgangspunkte zur Erkundung der Umgebung, für die es zwei bevorzugte Möglichkeiten gibt: Erstens, zu Fuß, auf über 7000 km Wanderwegen der unterschiedlichsten Schwierigkeitsstufen, die entweder im trendy „Nordic Walking“-Stil aber auch klassisch mit Stullenbrot und Flachmann im Rucksack ergangen werden wollen, und, zweitens, mit dem Fahrrad, wobei Mountainbiker und Downhill-Spezialisten hier durch die entsprechende Landschaft besonders gute Bedingungen vorfinden. Natürlich gibt es noch die Möglichkeiten Pferd und Taxi, aber die spielen hier und heute keine Rolle. Dann schon eher Bus und Bahn, die zuverlässig und gesund getaktet größere Entfernungen überbrücken helfen.

Es ist ja so: Reiseziele in Deutschland werden allgemein immer beliebter. Die Wege in die „palatina“, wie einst die Römer die Pfalz nannten, legen die immer zahlreicheren Touristen, wie eigentlich überall, heute noch meist mit dem PKW zurück. Aber es gibt Alternativen, um die zahlreichen Sehenswürdigkeiten und die Schönheit der fast unberührten Natur des Pfälzerwaldes auch ohne Auto zu erreichen.

Dies ist durch eine flächendeckende Erschließung der Region durch den ortsansässigen Betreiber (Verkehrsverbund Rhein-Neckar) mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut möglich, erfordert aber vom Individualreisenden natürlich eine gewisse Grundbereitschaft zur Änderung persönlich lieb gewordener Bequemlichkeiten.

Schnitt.

Als sich im Jahre 1832 etwa 30 000 Menschen auf den Weg machten, um mit dem „Hambacher Fest“ auf dem gleichnamigen Schloss ein erstes spürbares Signal in Richtung eines demokratisch gesinnten, deutschen Nationalstaates zu setzen, war die Welt noch weit entfernt vom Wahnsinn unserer heutigen Zeit der Individualverkehrten.

Man fuhr höchstens in Droschken oder reiste zu Pferd, die Jüngeren und Ärmeren gingen zu Fuß; eine Fortbewegungsart die heutzutage etwas in Vergessenheit geraten ist, und die doch so gut zur Pfalz passt.

Denn wer sich den Pfälzerwald erwandert, wer nicht nur seines Weges sondern dabei auch noch in sich gehen kann, der wird in diesem „Garten Eden“ am Ende der Tagesetappe nicht nur mit leckerem Essen (Worscht(salat), Fläschknepp un Flammküchle) und einem unnachahmlich erfrischenden Schoppen Wein belohnt (halber Liter Weinschorle, ist in unterschiedlichen Mischungsgraden, von hart bis zart, erhältlich. Die Variante „Für mei Frau“, besteht nur zu 20% aus Alkohol, ist also eher etwas für Spitzensportler und Weicheier. Wie das Getränk mit dem umgekehrten Alkoholverhältnis hieß, kann ich, ähem, nicht mehr so genau sagen, aber dass man beim Anstoßen in der Pfalz „ samma wieder jood“ sagt, ohne das vorher irgendwas war, daran erinnere ich mich noch gut und sehr gerne. Schöne Tradition.).

Der Wanderer nimmt darüber hinaus noch die Erkenntnis in den Alltag mit, dass die Entdeckung der Langsamkeit inmitten von malerischer Natur, des Verweilens und Innehaltens nach ausdauernder Laufleistung einer zu erwandernden Tagesstrecke, Seele und Körper gleichsam strafft. Kurz: Wer sich erholen will und dabei auf Naturerlebnisse, geschichtliche und kulturelle Höhepunkte wert legt, liegt in der Pfalz goldrichtig.

Unter dem Motto „Fahrtziel Natur: Erholen.Erleben.Erhalten.“ haben haben die „Pfalz.Touristik e.V.“, der Verein „Naturpark Pfälzerwald e.V.“ und die Deutsche Bahn das Ziel gesetzt, das „Wander-und Naturerholungsparadies Pfälzerwald“ für Urlauber, die ihrem Blechspielzeug mal eine Pause gönnen wollen, oder solche, die an sich ohne Auto durchs Leben gehen, als Urlaubsziel attraktiver zu machen.

Noch im letzten Jahrzehnt wurden ja Menschen, die im Gespräch zugaben, kein Auto zu besitzen (so auch der Autor dieser Zeilen) in etwa so mitleidig-entsetzt angestarrt, als hätten sie gerade mitgeteilt z.B. keine Nieren zu haben.

Das hat sich Gott sei Dank ziemlich gründlich geändert. Für Großstadtbewohner ist ja spätestens seit Einführung der Umweltzonen Schluss mit lustig, trotz Abwrackprämie steigen viele aus bzw. um. Dabei fällt es im urbanen Dschungel vergleichsweise leicht, ohne eigenen fahrbaren Untersatz sein Ziel zu erreichen. Aber im Urlaub? Da will man doch bequem von A nach B kommen, und das möglichst schnell. Denn oft hat man ja nicht nur die ganze Familienbagage, bestehend aus quengelnder Brut und nörgelnder Gattin, am Hals, sondern unter Umständen auch noch einen Hund und tonnenweise Gepäck. Dafür muss es natürlich praktikable Lösungen geben, wenn die Alternative Sinn machen soll.

Glücklicherweise waren wir ( me, myself and my camera) vom Weltexpress nur mit leichtem Handgepäck ausgestattet als es vom Berliner Hauptbahnhof morgens um sieben gen Süden ging. Ein erfreulich leerer ICE und eine ebenso erfreulich wortkarge Mitreisende im Abteil machten die Fahrt mit der Deutschen Bahn zu einem reinen Vergnügen. Kurz eingenickt: schon an Wolfsburg vorbei, nochmal umdrehen, Braunschweig.

„Nein danke, keinen Kaffee!“, der ist im Zug dann doch zu schlecht und zu teuer, bei aller Liebe.

Lieber einen Blick in die mitgebrachte Fußballzeitschrift und hinaus auf vorbeifliegende Landschaften. Auch die Zeit vergeht wie im Flug, eben noch in Kassel, schon tauchen die heute berüchtigten Frankfurter Bankentürme am Horizont auf.

Frankfurt, eine Ansammlung von Dörfern mit merkwürdig versetzt aufgestellten Häuserinstallationen, war mir als Stadt immer suspekt. Man soll dort aber ganz gut wohnen können, wie ich später auf der Reise erzählt bekommen sollte.

Auf der Brücke, rüber nach Ludwigshafen, ist dann der Spaß aber erst mal vorbei: Ich glaube, selbst englische Stahlhochburgen besitzen noch einen gewissen Charme gegenüber der erbarmungswürdigen Hässlichkeit von Ludwigshafen, dass ja wohl zu 90% aus chemischen Industrieanlagen besteht und dessen Hauptbahnhof aussieht wie Laterne ganz unten. Nun gut, irgendwo müssen die Leute halt arbeiten, es kann ja nicht jeder Weinbauer sein, denke ich beschwichtigend. Trotzdem bin ich zum ersten Mal froh, dass sich im ICE die Fenster nicht öffnen lassen, denn so wie`s draußen aussieht, riescht dat hier nisch so jod. Andererseits liegen laut Karte auch Oggersheim und Leimen in der Nähe, Orte die in goldener Vorzeit mal Prominenten eine Heimat gaben.

Egal, denn glücklicherweise kommt jetzt ganz schnell Mannheim und der Reisende entsteigt entspannt dem Transportmittel. Schon jetzt zeigen sich die Vorteile der Anreise per Bahn: Ausgeruht und aufgeräumt durchschreitet man den hier sauberen Bahnhof und hat genügend Zeit eine Zigarette zu genießen, bevor man in die 15Minuten später abfahrende S-Bahn nach Neustadt (Weinstraße) umsteigt. Keine Hektik, kein Stau, kein Stress.

Die besagte S-Bahn, sie heißt S1, und ist mit 202 km die längste Verbindung ihrer Art in Deutschland, mutet eigentlich mehr wie ein Interegio an und wirkt gefühlte 10 Mal sauberer als ihre Schwester in Berlin. Stoisch summt sie an einladend klingenden Orten wie Haßloch ( by the way, mit 20.000 Einwohnern das größte Dorf Deutschlands, ein Rekord jagt hier den nächsten!) vorbei, bis man dann am Ziel ist.

Erleichterung. Die Szenerie in Neustadt an der Weinstraße ist übersichtlich-kleinstädtisch und freundlich, der Empfang unserer Gastgeber herzlich und das erste Ziel sympathisch: Mittagessen in der „Bürgerstube“ in Lambrecht, einer nahe gelegenen Ortschaft, die wir , ganz im Geiste unserer umweltbewussten Mission, mit der S-Bahn erreichen.

Und dann beginnt das Abenteuer ohne
Auto, das in Kürze im zweiten Teil dieser Serie seinen Lauf nimmt…

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