Dazu lesen wir in den Unterlagen nichts, wie die originäre chinesische Wind-Wasser Vorgabe, nicht anders heißt Feng Shui, heute noch Einfluß findet in die Positionierung von Gebäuden in ihren Richtungen und in den Einrichtungen durch die Bewohnern, um Chi, die materielle Natur von Energie durchströmen zu lassen. Der zuständige Architekt Ken Yeang nennt es „Ecomimesis“, was ihn beim Planen und Bauen von Häusern, hier Hochhäusern bewegt, indem er eine Balance zu gewinnen versucht zwischen den notwendigen unorganischen Baumassen wie Stahl, Beton, Glas und den organischen Grünanteilen. Dieser Editt Tower sieht tatsächlich auf eine angenehme Art futuristisch aus und hat nichts mehr gemein mit unseren geraden Betonhäusern, wo Riesenbalkone mit Bäumen und Dachgeschosse als Gärten das Grün nur aufpfropfen und meist auch noch winterharte, eben harte Sträucher dazu nehmen, unsinnlich und nur formal grün.
Eigentlich ist da ja nicht neu, die Forderung nach Grün in der Bauplanung von Häusern und der Anlegung von Städten, denkt man beim Durchstudieren dieser Ausstellung, die in vier Laboratorien drei Themen der Zeit abarbeitet: zweimal „Die Stadt“, „Klima und Komfort“ und „Metabolismen“. Schließlich war doch der Künstler Friedensreich Hundertwasser gerade durch seine begrünten Dächer und die unebenen Böden, aus denen auch schon mal ein Baum erwuchs, berühmt geworden. Letzteres knüpft an eine Richtung der Moderne an, die sich dem Organischen Bauen verschrieben hatte. Da fällt einem sofort Antoni Gaudí ein, der seine Gebäude an organischen Formen wachsen ließ, aber auch Hans Poelzig und Vertreter des Bauhauses, die nicht auf Weiß und Rechteckig, auf Glas und Übersichtlichkeit festgelegt waren, sondern unter „Organisch“ immer das Leben selbst meinten und ihm in ihren architektonischen Formen zu entsprechen versuchten.
Das bleibt alles richtig und dennoch folgt diese Ausstellung nicht einer Architekturplanung, wo das Grün eine fast philosophische Dimension erhält, wo die Natur die Form der Architektur nachahmt, wo die durch Beton beleidigte und vereinsamte Seele durch Grün innerlich wieder aufgerichtet werden soll, wo ästhetische Bedürfnisse Grün erfordern, wo die Gesundheitsaspekte dies erzwingen, nein, das neue Stichwort, unter dem die gesamte Architekturausstellung steht, heißt Nachhaltigkeit. Diese politisch-gesellschaftlich-ökonomische Forderung, die schon dazu führt, daß Weltfirmen ihre Produktionsabteilung verkleinerten und dafür die Reparaturabteilung erst wieder einführten und vergrößerten, hat als Hintergrund die Endlichkeit der Ressourcen auf der Erde, weshalb Umwelt und Ökologie schlagkräftige Begriffe brauchen wie erneuerbare Energien – und nicht nur Begriffe, sondern auch in die Tat umgesetzte Handlungen. Die grüne Architektur ist ein Ausfluß und stellt die Frage an Architekten und Künstler vor ästhetischem Hintergrund, welche Lebensformen in welcher Art von Gebäuden möglich sind, und welchen Anteil an der Erforschung dazu die Wissenschaften tragen können und welchen die Technik. Diese Ausstellung hat auch damit zu tun, daß Ende 2009 im kaum 40 km entfernten Kopenhagen die UN-Klimakonferenz zusammentritt, um zu einem Beschluß für einen Nachfolgevertrag zu dem Kyoto-Protokoll zur Klimareduzierung zu gelangen.
Das klingt alles ernst und bedeutsam, die Ausstellung selber ist bunt mit viel warmen Rot und kühlem Blau, unglaublich vielfältig, wie gesagt vollgestopft und das nicht nur mit den Ausstellungsstücken vorne, hinten, an der Seite, oben und unten, sondern auch mit Menschen. Architektur ist „in“, stellt man hier wieder einmal fest, wenn man die Massen, meist Familien mit Kindern hier ihren Spaß haben sieht. Auch die Öffnungszeiten von 11 bis 22 Uhr zeigen einen lockeren Umgang mit dem Leben. Wir allerdings hatten den Eingang zur Spezialausstellung zweimal verpaßt und durften daraufhin eben dreimal durch diese wunderschöne Gartenanlage stapfen, deren grüne Wiesen so grün sind, wie gemalt, und die einem mit einer anderen Art von Nachhaltigkeit suggeriert beim endlosen Blick über den Öresund, daß man sich eigentlich sofort an Ort und Stelle niedersetzen und dieses kleine Paradies genießen sollte, statt schon wieder Ausstellungen zu verfolgen.
Aber dann ist man froh, den inneren Schweinehund überwunden zu haben, denn diese Ausstellung lohnt sich, gerade wegen ihrer völlig unterschiedlichen Ansätze. Deshalb ist auch kaum möglich, ein Resümee zu ziehen und über alle Objekte kann man einfach nicht berichten. Stattdessen werfen wir einen Blick auf die überraschend hohe Beteiligung von deutschen Architekten. Als Beispiel für natürliche Luftventilation ist die KfW Bank aus Frankfurt, gebaut von Sauerbruch Hutton, Berlin angeführt. Im Detail wird dann an Bildern erklärt, wie dieses System funktioniert und welche Ressourcen es spart. Auch die Norddeutsche Landesbank in Hannover, gebaut von Behnisch, Behnisch & Partnern, Stuttgart, wird als Beispiel herangezogen, wie in einer umtosten Gegend, hier die Innenstadt Hannovers, ein Gebäude, das von außen traditionell wirkt, im Inneren einen absoluten Lärmschutz erreicht und man sich wie in einer Oase fühlt.
Für Tageslichtqualitäten wird dann das SPA von Bad Aibling angeführt, das ebenfalls Behnisch Architekten, Stuttgart erbauten. Die Bilder sehen sehr geheimnisvoll aus, was auch durch die unterschiedliche Beleuchtungsdichte kommt, die immer aber das Tageslicht als Quelle ernst nimmt. Spektakulärere Bauten allerdings finden man woanders, in den USA und vor allem Asien, aber auch in Paris ist was los, wenn man sich die Pläne von Grand Paris und Pari(s) Plus Petit anschaut und die 10 Principles for Metropolitan Paris. Und wem dann mit melancholischer Trauer der Potsdamer Platz und seine modernistische Fadheit in Berlin einfällt, der hat Recht, meinen wir. Aber Architektur ist, wie die Kunst generell, eben auch eine Geschmacksfrage. Die Nachhaltigkeit dagegen ist ein gesellschaftliches Erfordernis, das – so zeigt es die Ausstellung – die Phantasie der Architekten hervorragend in Gang gesetzt hat. Dies ist die zweite Ausstellung einer auf vier Ausstellungen konzipierten Serie: Die Grenzen der Architektur I -IV, die bis ins Jahr 2011 vorgesehen ist. Ein Besuch dieser 2. Staffel ist sehr sehr lohnend.
bis 4. Oktober 2009
www.louisiana.dk
Mit freundlicher Unterstützung durch Polar Kreuzfahrten
www.polar-kreuzfahrten.de