Erich lebt noch immer in einer Münchner Pension und gibt sich ganz der Suche nach der ewigen Liebe hin. Wer nicht bei drei auf dem Baum ist, wird von ihm gnadenlos niedergebusselt. Kein Rock ist vor ihm sicher, ein Tag ohne Vögelei ist für ihn ein verschwendeter Tag. Insofern nimmt Sex einen großen Teil seiner Aufzeichnungen ein. Hauptsächlich geht er anarchisch zur Sache, ansonsten spielt der Anarchismus in den 11er und 12er Jahren eine untergeordnete Rolle.
Ihn bestimmen Geldsorgen, sein Vater lebt noch immer, die Erbschaft döst in weiter Ferne. Am Anfang kämpft er noch gegen einen mindestens 10 Meter langen Bandwurm, der irgendwo im Buch auf der Strecke bleibt. Dann kommen die Friedels, Peppis, Consuln, Lottes etc. zur Sprache. Neben exzessiven Sauforgien arbeitet er weiter an seiner Zeitschrift Kain und setzt hier und da in weiteren Schriften einen Mühsamsches Ei ins Nest. Dichten, Pokern, Ficken, Saufen. Was für ein herrliches Lotterlben!
„3. April 1912: Mit dem erotischen Großbetrieb, der „Glückssträhne“, wie Lotte sich in Anlehnung ans Pokerspiel ausdrückt, scheint es wieder mal vorbei zu sein. Tagelang kein Kuss, und alles fort und verreist, wovon man einige Freuden erhoffen könnte. Dabei hätte ich grade jetzt große Regelmäßigkeit nötig, da ich schauderhaft onaniere und wirklich bald üble Folgen davon fürchte.“
Tagebücher. Band 02: 1911-1912, Erich Mühsam (Autor), Chris Hirte (Herausgeber), Conrad Piens (Herausgeber), 375 Seiten, Verbrecher 2012, 28 Euro