Berlin, Deutschland (Weltexpress). Seit Herbst 2017 rüttet uns der 12 Band der Mühsamschen Tagebücher aus dem Dornröschenschlaf. Tunichtgute aller Farben, es gibt nichts Schöneres als auf dem Sofa zu liegen und in Büchern zu schwelgen, ich weiß. Holt euch den neuen Erich Mühsam und ihr werdet fürstlich belohnt.
Erich sitzt nach wie vor in Festungshaft unter verschärften Bedingungen. Die Inflation wütet, die Weimarer Republik wankt. Im nahen München treibt Hitler sein Unwesen, anfangs hat Mühsam noch ein unbestimmtes Verständnis, was aber schnell fällt, umso mehr er über die sogenannten nationalen Sozialisten erfährt. Die Lage ist hoffnungslos, doch sein Humor und das Sendungsbewusstsein des bürgerlichen Anarchisten Mühsam helfen ihm, auch die ausweglosesten Situationen zu ertragen und zu kritisieren.
Ganz am Ende des Bandes gilt es einen besonders schweren Schlag zu verkraften, einer der Genossen stirbt in der bitteren Haft. Nach Ansicht Mühsams ist mindestens unterlassene Hilfeleistung der Grund für den Tod. Bis zum tragischen Finale erleben wir EM als unerschrockenen Wüterich, mitunter favorisiert er merkwürdige Ansichten, die man immer im Zeitkontext und seiner relativen Abschottung von intellektuellen Strömen der Zeit lesen muss.
Ein schön schwarzrote gebundenes Büchlein, das uns die deutsche Geschichte fein um die Ohren feudelt!
Bibliographische Angaben
Chris Hirte und Conrad Piens (Herausgeber), Erich Mühsam, Tagebücher, Band 12, 1922 – 1923, 510 Seiten, Verbrecher Verlag, Berlin 2017, ISBN: 3-9404-2688-1, Preis: 32 EUR