Mit der EM soll dieser Trend fortgesetzt werden. Beim bedeutendsten Handball-Ereignis auf polnischem Boden sind 16 Ländermannschaften am Start. Gespielt wird die Vorrunde in vier Städten mit Hallenkapazitäten zwischen 6500 und 15 000.
Schon beim Spielplan sind touristische Aspekte berücksichtigt: So wird Gastgeber Polen in der im Vorjahr eingeweihten neuen Multifunktions-Arena in Krakow vor 15 000 antreten. Dort wird man auch Semifinals und Finals ausspielen. Sollte sich der EM-Zweite Dänemark für die 16-er Endrunde wie erwartet qualifizieren, dürfen dessen Fans ihr Aufgebot im nahen Gdansk anfeuern. Das kroatische Team ist in der Vorrunde in Katowice zu erwarten. Und die deutsche Mannschaft darf nach erfolgreicher Qualifikation – der Zwischenstand ist positiv – mit der kurzen Anreise bis nach Wroclaw rechnen. „Wir glauben, dass dieses Konzept den Fans entgegen kommt“, erklärte Marcin Herra, Vorsitzender des Org.-Komitees beim Medientreff zur ITB. Ziele seien die Werbung für den Handballsport, für das Land und die Gastgeber-Städte: „Wir streben gute Stimmung, großartige Atmosphäre und möglichst volle Hallen an.“ Dass man sich besonders um Zuschauer aus Deutschland bemühe, sei naheliegend. Es gäbe viele Bezüge zum Nachbarn allein schon dadurch, dass Wroclaw (ehemals Breslau), Katowice (Kattowitz), Krakow (Krakau) und Gdansk (Danzig) lange deutsch waren. Zudem gibt es in Deutschland, der Wiege des Feldhandballs, noch immer wohl die meisten aktiven Handballspieler der Welt. Und die sportliche Rivalität sei mit dem Aufschwung der Sportart in Polen beispielsweise im Finalduell während der WM 2007 in Deutschland sowie bei jüngsten Qualifikation für die kürzlich in Katar beendete WM zum Ausdruck gekommen. Da kehrten die Polen mit Rang drei zurück, während die erst mit einer umstrittenen wild card ins Turnier gekommene deutsche Auswahl da nach guten Leistungen auf Rang sieben einkam. Überdies wird das polnische Nationalteam vom deutschen Trainer Michael Biegler betreut. Den Aufwind nach WM-Bronze nutzen Zudem waren und sind polnische Handball-Profis geschätzte Angestellte in der Bundesliga. Einer von ihnen war Artur Siodmiak. Der 40-jährige warf sich mehr als sechs Jahre bei TuS Lübbecke in den 7-m-Kreis, vertrat in mehr als 140 Länderspielen zwischen 2006 und 2011 die polnischen Farben bei drei Welt-und Europameisterschaften inklusive des olympischen Turniers 2008 in Peking. Heute leitet er von Gdansk aus eine Handball-Akademie mit rund 500 Kindern zwischen acht und 14 Jahren in acht Städten mit 20 Mitarbeitern. Und ist als Handball-TV-Experte für Polsat tätig. „Den Impuls der WM-Medaille wollen wir nutzen“, sagt er und nennt die Verbesserung der Nachwuchsausbildung sowie den Ausbau professioneller Liga-Strukturen „ähnlich wie in Deutschland“. Deutlich vorneweg in der heimischen Liga seien die beiden Topteams und Starter in der Champions League, Kielce und Plock. Die wären mit Etats von etwa sechs bzw. drei Millionen Euro (zum Vergleich THW Kiel über zehn) dem Rest wirtschaftlich und sportlich klar überlegen. Dennoch profitieren auch die Handballer – nach Fußball und Volleyball die Nummer drei der Mannschafts-Sportarten – vom polnischen Wirtschafts-Boom. Viele Topspieler, beispielsweise die Brüder Lijewski, Bielecki, Szmal , sind vor allem aus Deutschland zurückgekehrt. „Weil sie nun auch zuhause gutes Geld verdienen können“, sagt Siodmiak. Vor einigen Jahren war nahezu die komplette Nationalmannschaft in der Bundesliga engagiert. Vom aktuellen Auswahlkader sind es nur noch zwei: Bartlomej Jaszka (Berlin) und Bartosz Jurecki (Magdeburg), der nach dieser Saison seine Karriere daheim ausklingen lassen will. Bemerkenswert sei, dass mit Tobias Reichmann erstmals ein deutscher Auswahlakteur von Kiel nach Kielce gewechselt ist. Hauptstadt Warschau ohne Handball-Erstligist Die polnische Liga besteht aus 14 Mannschaften – Deutschland derzeit 19 -, die aber im Gegensatz zur Bundesliga den Meister im Play-off-Modus mit den acht Besten der Hauptrunde ermittelt. Nicht dabei ist aber die Hauptstadt Warschau: „Da schluckt Fußball alles Geld und alle Aufmerksamkeit. Außerdem existiert momentan keine Halle für mehr als 4500 Zuschauer.“ Das hat selbst die Jahrhundert-Halle von Wroclaw, erbaut von einem deutschen Architekten und denkmalgeschützt als UNESCO-Welterbe, als kleinste EM-Halle mit 6500 Plätzen eine größere Kapazität. Voraussichtlich mit der deutschen Mannschaft sind hier drei Vorrundenbegegnungen vorgesehen. Dazu sechs Partien der Hauptrunde sowie die Platzierungsrunde 5 – 8. Wroclaw auch ohne EM ein attraktives Ziel Wroclaw, eine der größten und ältesten Städte Polens, ist auch unter touristischen Gesichtspunkten eine Reise wert. Zahlreiche historische Sehenswürdigkeiten – Marktplatz, das spätgotische Rathaus, Dominsel, mittelalterliche Mietshäuser, zahlreiche Brücken – laden ebenso ein wie Galerien, Museen, Theater”¦zudem fungiert Wroclaw 2016 als Europäische Kulturhauptstadt mit attraktiven Angeboten. „Kommen Sie zur EM. Wir bieten sportliche Spannung, Emotionen und unsere Gastfreundschaft – dies alles zu günstigen Preisen für Tickets, Hotels oder Gastronomie“, werben die Verantwortlichen. Tickets sind ab Mai zu haben (siehe www.eurohandballpoland2016.pl). Die Gruppenauslosung am 19. Juli in Krakow ist verbunden mit dem Prestigeduell Dänemark gegen Polen. Die Organisatoren wollen mediale Werbemeetings in wichtigen Handball-Ländern sowie beim Finale der Champions League in Köln abhalten. Bislang war der polnischen Auswahl ein Podestplatz bei bisher 11 Kontinent-Titelkämpfen verwehrt worden. Diesmal aber soll sich das ändern und so wünscht sich Artur Siodmiak: „Ein Finale Deutschland gegen Polen – und diesmal gewinnen wir.“