Denn seine Absicht war nicht, die schon erzählte Historie des eisernen Kicker-Klubs aus Köpenick zu revidieren, sondern sie mit neu ausgegrabenen Fundstücken und aktuellen Entwicklungen anzureichern.
Nach dem Buch “Und niemals vergessen – Eisern Union”-Bücher von Luther & Willmann, das bisher als Bibel der Unionfans galt, hatte Matze Koch die hohe Hürden zu überwinden, etwas zu schaffen, dass es lohnt, noch so ein Werk ins Regal zu stellen. “Immer weiter – ganz nach vorn” betitelt Koch sein Buch, nach einer Zeile aus der Union-Hymne, gesungen von Nina Hagen. Mit knapp 450 Seiten und einem Gewicht von 1,3 Kilo ist es ein ziemlicher Klopper.
Über Matthias Koch selbst ist vielleicht interessant zu wissen, dass er vor etwa 14 Jahren noch als Student der Sportwissenschaften in einer heute nicht mehr existenten Lokalzeitung in Köpenick auftauchte und anbot, über den Nachwuchs-Fußball im Berliner Südosten zu berichten. Er hatte Glück – wurde engagiert. Inzwischen schreibt und fotografiert Koch für diverse Blätter, auch für das "Neue Deutschland".
Nun, gerade rechtzeitig zu Weihnachten, also eine neue Union-Bibel. Klar, manches darin ist bekannt. Fans wissen, dass sich der Ur-Verein der Unioner am 17. Juni 1906 in der Kneipe “Großkopf” an der Luisenstraße 17 gründete. Heute ist das die Adresse Plönzeile 14. Die Straße wurde zu DDR-Zeiten nach Fritz Plön, Schweißer im AEG-Kabelwerk Oberspree, umbenannt, der als kommunistischer Widerstandskämpfer 1944 von den Nazis hingerichtet wurde.
Die für mich interessantesten Teile im Koch-Buch sind die Interviews mit Zeitzeugen. Einige davon traf Koch noch rechtzeitig, bevor sie starben. Heinz Rogge zum Beispiel. Rogge spielte in der Mannschaft der SG Union Oberschöneweide, die 1950 beinahe geschlossen nach Westberlin flüchtete, weil sie als Berliner Vizemeister nicht um die Deutsche Meisterschaft mitspielen durften.
Auch die Gespräche mit Günter Mielis, Wolfgang Wruck, Pedro Brombacher, Horst Kahstein, oder Georgi Wassilew bringen manch Juwel ans Licht. Oder das Interview mit Dirk Zingler, der vom Fan zum Präsidenten wurde. Eine weitere bemerkenswerte Rubrik ist “Große Unioner”. Da darf natürlich Herbert Raddatz nicht fehlen, der 1.600 Spiele für Union absolvierte und noch kurz vor seinem Tod ein letztes Mal in seinem Stadion gefeiert wurde. Klar, dass Günter “Jimmi” Hoge vorgestellt wird und zu Wort kommt. Auch Union-Retter Michael Kölmel. Tom Persich, Olaf Seier oder Sebastian Bönig und viele andere Leitfiguren von der Alten Försterei geben sich die Ehre. Extrakapitel gibt es über Kapitän Torsten Mattuschka oder den Stadionumbau. Natürlich auch darüber wie eiserne Fans das Schiff “Hertha” gekapert haben.
Ein wenig kurz kommen die Frauen von Union. Frauenfußball scheint immer noch ein Stiefkind in dieser von Männern dominierten Sportart zu sein.
Über die Verhältnisse bei Union in der Nazi-Zeit fand Koch wenig Stoff. Vielleicht hätte er sich dafür näher mit der Geschichte des Widerstandes in den Oberschöneweider Industriebetrieben befassen müssen. Von dort kamen ja die meisten Unionfans damals, und dort gab es starken organisierten Widerstand gegen das faschistische Regime.
Zu loben ist die Bildarbeit im Buch. Die ist in ähnlichen Büchern oft unterbelichtet. Welche Fleißarbeit das Buch gekostet haben muss, davon zeugt ein mehrere Seiten starkes Quellen- und Personenverzeichnis. Dazu ein riesiger statistischer Anhang für Freunde von Zahlen und Fakten. Mein Fazit: Daumen hoch – kaufen!
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Matthias Koch, „Immer weiter – ganz nach vorn“, Die Geschichte des 1. FC Union Berlin, VERLAG DIE WERKSTATT, ISBN 978-3-7307-0049-5, 24,90 € (D)