Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das hat gerade noch gefehlt. In den neuerlichen Auseinandersetzungen zischen Armenien und Aserbeidschan sterben wieder Menschen, Soldaten und Zivilisten. Als ob in den Jahren seit dem Anfang der neunziger Jahre nicht schon genug Menschen wegen des Zankapfels Berg-Karabach ihre Leben verloren haben würden. Auch in einer geradezu makabren Abart des Krieges. Wenn an den Fronten Ruhe herrschte, massakrierten sich die Scharfschützen auf beiden Seiten. Die Tötungen sollten die Wunden ständig aufreißen. Diejenigen, die seit Jahrhunderten friedlich miteinander leben konnten, sollten dies nicht mehr können. Die Welt wusste Bescheid und hat weggesehen. Wie eigentlich immer, wenn ausgetestet werden soll, wie weit man gehen kann.
Merkwürdig an dem jüngsten Ausbruch von Feindseligkeiten sind zwei Umstände. Fast rechtzeitig vor dem neuerlichen Ausbruch der Kämpfe brach die einzige Organisation, die intensives Bemühen um den gesamten Kaukasus zeigte, an der Spitze auseinander. Das wurde deutlich an der mangelnden Unterstützung der Führungsspitze der OSZE, an der Spitze der aus der Schweiz stammende und äußerst engagierte Diplomat und Generalsekretär der OSZE, Herr Thomas Greminger. Es war gerade dieser Generalsekretär, der über das Führungspersonal der OSZE dem Kaukasus große Aufmerksamkeit schenkte. Das war dem politischen Berlin in allen Facetten bekannt, als man die deutsche Diplomatin, Frau Schmidt, als Nachfolgerin von Herrn Greminger ins Gespräch brachte, obwohl die Schweiz an einer erneuten Kandidatur ihres Diplomaten festhielt. Sieht so ein „gut-nachbarschaftliches Verhalten“ aus? In der Schweiz und auch in Deutschland wird man darauf eine Antwort finden. Es war gerade die Schweiz, die in Zeiten zunehmender Aggressivität des Westens gegen alles das, was „russisch“ genannt werden konnte, versuchte, valide Gesprächsfäden druckfest zu etablieren, um den Rest an Verstand nicht auch noch zu beseitigen.
Es war aber nicht nur die diplomatische Fehlzündung bei der OSZE-Führungssitze. Geradezu zeitgleich findet in der Region Kaukasus ein spektakuläres Großmanöver der Russischen Föderation mit Partnern aus u.a. China und Pakistan statt. Es gibt wenige Gebiete weltweit, in der seit mehr als einhundert Jahren die Interessen zentraler Mächte sich wie in einem Brennglas bündeln. Dazu zählt neben Burma der Kaukasus. Das musste der frischgebackene deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder 1998 erleben, als ihn der Bündnispartner USA nötigte, die Teilnahme an Erdgas-und Erdölkonsortien im Kaspischen Meer aufzugeben, die kurz zuvor Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem Präsidenten Alijev aus Aserbeidschan vereinbart hatte.
Frankreich hat seine armenische Diaspora wie auch die USA mit allen sich daraus ergebenden Rücksichtnahmen bei Wahlen. Wie zu hören ist, werden Biowaffen-Labore in Georgien ebenso betrieben wie israelische Luftwaffenstützpunkte. Auch mit Baku kann Tel Aviv es gut, was die Erdölversorgung anbelangt, abgesehen davon, dass man sich dort im Rücken des Iran befindet, der es mit Armenien besonders gut kann. Nicht ohne Grund hat Washington seine größte Botschaft im kleinen Eriwan, der Hauptstadt Armeniens. China ist auch mit von der Partie, wie chinesische Landkarten aus dem 19. Jahrhundert zeigen.
Amerikanische Diplomaten klagen in der BBC über nachlassendes Interesse der USA in dieser Region. Nutzt jemand diese Lage oder wird ausgetestet, wie weit man gehen kann? Wenn das Kriegsfeuer dort nicht ausgetreten wird, hat der Kaukasus Potential, das nach dem 3. November 2020 für mehr stehen könnte, als nur den Kaukasus.