Mit dieser Beschreibung Gaus ´ durch Almut ist bereits das Motto des Buches vorgeben. Stefan Moster erzählt in seinem umfangreichen Debütroman von Almut der Psychologin, ihrem Barmusik klimpernden Sohn Sebastian, dem Ex-Stasi Mann Gaus, einem Schiff und der Musik. Es gibt ein paar wenige Nebenfiguren, ein Flüchtlingsdrama, eine Handvoll trauriger Geschichten und zwei Landgänge. Geschildert wird aus wechselnder Perspektive, Almut beginnt, Sebastian setzt fort. Was die beiden nicht wissen, die vor Monaten im Streit auseinanderliefen, ist der gemeinsame Aufenthaltsort – ein Kreuzfahrtschiff. Das Universum eines Riesenschiffes mit all seinen Reichen und Bediensteten wird grandios beschrieben. Bis in die Balkan-Odessa-Region hinab, wie Sebastian die Gefilde der mütterlichen Putzfrauen im Schiffslaib nennt. Almut hört sich an, was Menschen in Ausnahmesituationen wie dieser zu erzählen haben, spielt sich durch ihre musikalischen Leidenschaften und diskutiert mit und gegen Gaus. Dieser treibt ein doppeltes Spiel, indem er Mutter und Sohn ohne deren Wissen auf dem Schiff unterbrachte, die Mutter mit Details aus ihrer eigenen Geschichte konfrontiert und provoziert, bis diese begreifen muss, was Odessa wirklich bedeutet”¦
Moster gelingt es meisterhaft, die Sprache einer einsamen, klugen Frau jenseits der Vierzig zu treffen, die hinschaut und zuhört. Leidet und dürstet, doch nur darauf harrend, genießen zu können. Ihre Stimme ist stark und tragend, während die Einschübe zur Figur Sebastian oft gestelzt und leblos wirken. Zu häufig bemüht der Autor die vermeintlich jugendliche Sprache eines Anfang-Zwanzigjährigen, umso bedauerlicher, da er streckenweise den poetischen Duktus der Almut-Kapitel erreicht. Besonders gelungen ist Moster die Figur des Kabinennachbarn Sebastians, Tintin. Dieser widerborstige, nach einigen Aufsässigkeiten degradierte Kellner gönnt sich die perfide Rache, kurz vor der großen Weihnachtsabendgala alle teuren Weinflaschen aus dem Verantwortungsbereich des Schiffssommeliers nicht nur ihrer Etiketten zu berauben, sondern sie auch noch mit den billigen Supermarktweinen der unteren Klassen zu vertauschen und vermischen. Ein herrlicher Einfall!
Wir erfahren die verhängnisvolle Verkettung der Mutter-Sohn-Beziehung von Almut und Sebastian, dem Leben in Rostock und Leipzig – im Hause Sehn- und Fernsucht, wo Literaten wie Heinrich Böll gefeiert werden und Musik mehr ist als Unterhaltung. Auf dem Kreuzfahrtschiff wird ständig musiziert oder über Musik gesprochen. Warum das vierhändige Spiel unmöglich bleibt, soll hier nicht verraten werden – nur so viel; es ist wieder einmal einem in Westdeutschland geborenen Autor gelungen, sich in DDR-Biografien einzufühlen und pointiert die Wunden aufzuspüren, die noch heute schwären. Musik und Liebe allein, könnte man nach dieser herzweitenden Lektüre mutmaßen, überwinden Verrat und Schmerz.
Wir sind auf weiteres von Stefan Moster, dem in Finnland lebenden Autor, Lektor und Übersetzer gespannt!
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Stefan Moster, Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels, Roman, 443 Seiten, mare verlag Hamburg, 2009, 22 €