Berlin, Deutschland (Weltexpress). Am 12. August gedenkt das antifaschistische Italien der Opfer des unter dem Besatzungsregime Hitlerdeutschlands in Sant’Anna di Stazzema in der Toskana begangenen Massakers. Am diesem Tag wurden vor 80 Jahren in der Ortschaft von der Aufklärungsabteilung der 16. Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ unter dem Kommando von Obersturmbannführer Walter Reder 560 Einwohner auf bestialische Weise ermordet. Die Eliteeinheit der SS rottete mit Hilfe örtlicher Mussolini-Faschisten die gesamte Bevölkerung des kleinen Dorfes aus und schlachtete vor allem Frauen, Alte und Kinder ab. Enio Mancini, der als sechsjähriges Kind das Morden überlebte, hat in einem Buch des Laika-Verlages „Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema“ (Hamburg 2014) niederschrieben, was geschah. „Schwangeren Frauen wurde der Leib aufgeschlitzt, Kleinkinder in die Luft geworfen und auf sie wie auf Tontauben geschossen, andere mit Bajonetten durchbohrt“, schilderte Mancini und führte weiter an, dass von den Opfern 120 Kinder unter sechszehn Jahren und acht schwangere Frauen waren. Das jüngste Opfer zählte drei Monate, das älteste 86 Jahre. Die SS-Leute durchkämmten die Gehöfte und brannten die Gebäude nieder. 150 Einwohner wurden auf dem Kirchplatz zusammengetrieben und mit zwei Maschinengewehren und Handgranaten regelrecht hingeschlachtet. Die Mörder schichteten die Leichen übereinander, übergossen sie mit Benzin, zündeten sie an und verstümmelten sie bis zur Unkenntlichkeit. Nur 350 Opfer konnten später identifiziert werden. Während des Überfalls befand sich kein einziger Widerstandskämpfer in dem Ort.
Die Mörder von Sant’Anna wurden, wie in den meisten Fällen, in der Bundesrepublik nie zur Verantwortung gezogen. Obersturmbannführer Reder konnte in Italien gefasst werden und erhielt 1951 eine lebenslängliche Haftstrafe für die unter seinem Kommando in Marzabotto in der Toskana im September 1944 ermordeten über 1800 Einwohner. Für das Verbrechen in Sant’Anna wurde er Mangels Beweisen freigesprochen. 1985 wurde er begnadigt. Als schließlich 2005 in Italien zehn der Verbrecher von Sant’Anna zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, verweigerte die Bundesrepublik die Auslieferung der Verurteilten.
Die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, die jahrelang im Namen der Hinterbliebenen der Opfer versuchte, den SS-Henkern von Stazzema den Prozess zu machen, stieß auf schockierenden Widerstand der bundesdeutschen Justiz. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart stellte 2012 ihre Ermittlungen gegen acht noch lebende Beschuldigte von Stazzema ein. 2013 wies das Oberlandgericht Karlsruhe einen Klageerzwingungsantrag als „unzulässig“ zurück.
Zu diesem an Grausamkeit kaum zu überbietenden Völkermordverbrechen gehört die Haltung des in der BRD zum Bundespräsidenten gehievten Joachim Gauck (2012-2017), als er im März 2013 Sant’Anna besuchte. Während er „Versöhnung“ heuchelte, aber kein Wort der Entschuldigung geschweige denn einer Verurteilung fiel, stellte er sich gleichzeitig mit der Erklärung „im Falle des Massakers von Sant Anna reichten die Instrumente des Rechtsstaates nicht aus, um Gerechtigkeit zu schaffen“, schützend vor die SS-Mörder. Welche Chuzpe leistete sich dieser Pastor Gauck, der jahrelang keine Skrupel hatte und sie bis heute nicht zeigt, Bürger der DDR, die sich nach Recht und Gesetz für ihren Staat, auch auf antifaschistischen Positionen einsetzten, mit allen Mitteln des „Rechtsstaates“ zu verfolgen.
Darunter fielen unzählige Juristen der DDR, die wegen ihrer Verurteilung solcher Verbrecher in der von Gauck angeheizten Konterrevolution nach 1989/90 vor Gericht gezerrt und verurteilt wurden. Zu ihnen gehörte Otto Fuchs, der in seiner Dresdener Wohnung im Januar 1992 verhaftet wurde. Seine Frau Martha, eine Jüdin, die KZ-Häftling gewesen war, erlitt einen schweren Nervenzusammenbruch. Die Leipziger Staatsanwaltschaft erhob gegen Otto Fuchs Anklage wegen Rechtsbeugung und Mord. Er war 1950 in den Waldheim-Prozessen gegen Kriegsverbrecher und Naziaktivisten Vorsitzender Richter gewesen. Man warf ihm vor, er habe Unschuldige zum Tode verurteilt. Mit Hilfe seines Anwalts kam er für kurze Zeit aus der Untersuchungshaft frei. Um den Richtern nicht die hämische Genugtuung an „seiner langsamen und qualvollen prozessualen Hinrichtung“ zu ermöglichen, beschlossen er und seine Frau aus dem Leben zu scheiden. Im Abschiedsbrief hieß es: „Meine Frau würde eine Trennung von mir nicht überstehen. Ich versichere Ihnen, dass wir in meiner Strafkammer nur Kriegsverbrecher verurteilt haben und ich bin mir sicher, dass wir uns über kein Urteil schämen müssen. Alle Zeichen deuten aber darauf hin, alles ins Gegenteil zu verkehren und in einem Schauprozess mich zum Verbrecher zu stempeln“. Am 13. Februar 1992 um 23.15 Uhr sprangen Otto und Martha Fuchs vom Balkon ihrer Wohnung aus dem siebten Stock in die Tod.
Anmerkungen:
Siehe auch die Beiträge
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