Eine Lesung zwischen Bembel und Goethe – Serie: Frankfurter Krimiabend im kaufhausHessen in Frankfurt am Main (2/3)

Ob sich Lutz Ullrich gewundert hat, daß auch seine Vorgängerin eine „ominöse Wunderdroge“ zum Thema hatte, wissen wir nicht, aber das war schon auffällig, daß gleich zwei dieser Frankfurter Kriminalromane in der Sportszene der Stadt spielen und die Höchstleistungsform von Sportlern zum Inhalt haben, was sich bei Ullrich in der Leichtathletik abspielt und dem Doping, das Hintergrund der Mordfälle ist . Das wurde für diejenigen wie uns, die anders als die Zuhörer, schon alle drei Krimis gelesen hatten, deshalb so interessant, weil bei Lutz Ullrich der Hintergrund das Sport- und Dopingsystem der DDR ist, das in der Bundesrepublik fortgesetzt wird, während bei Chris Silberer der Hintergrund im Rassenwahn der Nazis liegt, der aber ebenfalls selbst über 60 Jahre nach dem Krieg in Deutschland Spuren legt. Also ganz unterschiedliche geschichtliche Herleitungen und inhaltliche Bedeutungen, die aber die Gemeinsamkeit in der angestrebten Formbarkeit des Menschen durch Chemie haben.

Lutz Ullrich also las aus „Tod in der Sauna“, seinem zweiten Krimi nach „Der Kandidat“. Wie seine Kollegen schreibt er von Kindesbeinen an und auch beruflich. Da allerdings als Rechtanwalt Schriftsätze. Er begann die Lesung mit dem „Prolog“, in dem sich das Unheil, das Startrainer Klaus Mommsen anrichtet und in das er dann selber gerät, schon knüppeldick andeutet. Das alles wird frankfurtnah erzählt, wie überhaupt alle drei Krimis tatsächlich die Lokalitäten von Frankfurt mit Straßen und Gebäuden, Kneipen und sozialen Einrichtungen so beschreiben, daß sich der Stadtbewohner beim Lesen oder Hören sofort zurechtfindet und sich schon darüber freut.

Hier sind es Hauptkommissar Tom Bohlan und seine junge Kollegin Julia Will, die ermitteln, allerdings spielt eine auflagenstarke Boulevardzeitung auch eine Rolle und auch deren Starreporterin, die sich den Kommissar angelt. Und dann passiert noch ein Mord und wieder ahnt schon der Leser, daß dies mit dem Doping zusammenhängen muß, was schließlich zur Aufklärung auch die Kriminalpolizei beweisen kann. Eigentlich geht es bei Dopemittel um Geld, denn man kann mit gedopten Sportlern und ihren Leistungserfolgen viel Geld verdienen. Da liegen Verbrechen immer nahe, auch Erpressung oder eben Mord. Aber es geht auch um die Männer und die Frauen und um so vieles, so daß Sie zur Auflösung diesen Krimi – wie auch die anderen – schon selbst lesen müssen, worauf alle drei Autoren verwiesen hatten.

Schließlich war dafür dieser Abend ja auch da, der als Angebot für Krimilektüre vom kaufhausHessen vorgesehen war. Wir befragten einzelne Krimikäufer nach ihrer Kaufauswahl an diesem Abend und das war spannend, wie unterschiedliche die Lesungen Kaufreize ausgelöst hatten. Wir aber müssen noch von diesem umwerfenden kaufhausHessen berichten, das Kari Deppe und Katja Zöller seit dem 1. März des Vorjahres betreiben und zwar da, wo Frankfurt so richtig gemütlich und ein klein wenig pittoresk wird, in der oberen Bergerstraße in Bornheim. Das Hessische am Kaufhaus bedeutet, daß es hier nur Waren gibt, die in Hessen hergestellt werden, einschließlich der Caféecke, die auch Handfestes anbietet, bei der wir nicht überprüften, ob auch die Frankfurter Würstchen und der Handkäs dabei sind. Den Äppelwoi dagegen sah man in vielen Gläsern.

Was in einen einzigen, wenngleich großen Raum alles an Hessischem hineingeht, man glaubt es kaum. Wenn die beiden Existenzgründerinnen –für die Idee und Umsetzung haben sie längst Würdigungen erfahren – heute von 2 800 Artikeln sprechen, die sie anbieten, nachdem sie mit 800 angefangen hatten, dann glauben wir das gerne. Wir haben nicht durchgezählt, sondern uns die Sachen angeschaut. Ja, eines dieser kleinen gelben Wörterbücher von Langenscheidt, wo das Hessische auf Deutsch übersetzt wird – und umgekehrt. Witzig.

Überhaupt fängt es vorne mit den Büchern an. Da hat Frankfurt viel an Verlagen zu bieten, aber es ging eben um die Verlage, die auch Hessenthemen verlegen. Der Cocon Verlag aus Hanau ist da immer für vieles gut, und sein Buch über die alten Traditionsgeschäfte in Frankfurt lag gleich ganz vorne, wo allein schon die Bilder entzücken. Der Cocon Verlag hat sich auf Hessisches spezialisiert, sowohl was Essen (Handkäs) wie auch Trinken (Äppelwoi) angeht, aber auch die Architektur oder die Geschichte, die auch die Geschichte der Juden im Hanauer Raum nicht ausläßt.

Der Peter Meyer Verlag fehlt auch nicht, der für seine Reiseführer ständig Preise einheimst und auch sehr gute für die nähere Umgebung hier anbietet. Societätsverlag, B3 Verlag, wir sehen viele mit Frankfurt- und Hessen-Themen, aber, denken wir auf einmal, wir vermissen doch einen: den Waldemar Kramer Verlag. Aber das aufzuklären, dazu kamen wir nicht mehr, denn schon war die Pause vorbei und beim Platzeinnehmen streiften wir noch rasch die Produkte von koziol, der auch auf Messen seiner farbenfreudigen Objekte wegen Blickfang ist und die Designerpreise gewinnt.

Wir sahen auch die Seifen und Niedlichkeiten aus Seife von Kappus, dieser Firma aus Offenbach, die bei den zwei größten Seifenfirmen Deutschlands dabei ist! Die Goethe-Devotionalien, die T-Shirts, die Marmeladen, die Uhren, den Struwwelpeter als Zinnfigur, die Pilze, Wächtersbacher Keramik oder nein, diese blauen Bembelkulturen heißen anders. Hilft nichts, zum genauen Schauen und Einkaufen muß man dann doch ein andermal kommen, denn jetzt galt es der Lesung mit Lutz Ullrich als Letztem zu lauschen. Fortsetzung folgt.

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Chris Silberer, Korbleger, crimetime Verlag 2010

Gerd Fischer, Der Mann mit den zarten Händen, Mainbook Verlag 2010

Lutz Ullrich, Tod in der Sauna, Röschen Verlag 2010

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