Dass es zwischen Technik, Ethik und Ökonomie ein Spannungsfeld gibt, liegt in der Natur der Sache. Aber wo für den Arzt die Lebensqualität des Patienten – vor, nach oder ganz ohne Operation – im Vordergrund steht, sind für die Krankenhäuser, die Krankenkassen und die Politiker die Kosten und Ihre Deckung die maßgeblichen Kriterien. Zur Senkung der Kosten wurden Fallgruppen erfunden, Krankenhausaufenthalte verkürzt und Planzahlen für operative Eingriffe festgelegt. Mehr Arbeit, weniger Personal und zu viel Verwaltungsaufwand belasten den Arbeitsalltag in den Krankenhäusern. Das ständige Gezerre um die Kosten verdirbt auch das Arzt-Patienten-Verhältnis und wird zum Unternehmen-Kunden-Verhältnis, wie die Präsidentin beklagt. Statt Einsicht in vernünftiges Abwägen wird beim Patienten eher das Bestreben geweckt, »seinen Anspruch« durchsetzen zu müssen, über das Sinnvolle hinaus.
Eine Scheinlösung sucht die Große Koalition in einer »Qualitätsoffensive«, die auf eine Verschlankung der Krankenhauslandschaft hinausläuft. Vehikel dafür ist das (Hilfe!) Krankenhausstrukturgesetz, das der Bundestag am 5. November beschlossen hat. Qualitätsvorgaben sollen die Planung der Landeskrankenhäuser mitbestimmen. Staatliche »Indikatoren« für die »Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität« sollen der Bezahlung der Leistung der Krankenhäuser und der Ärzte zugrunde gelegt werden, zum Beispiel durch Qualitätszu- und -abschläge und durch Mindestmengenregelungen.
Die Chirurgen haben große Bedenken. »Haben wir etwa bisher keine Qualität geliefert?«, fragt der Generalsekretär der Gesellschaft, Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer. In aller Regel gäbe es im Krankenhaus kein Qualitätsproblem. Eher ginge es um Einsparungen. Beurteilungskriterien wie »außerordentlich gute«, »normal gute« oder »unzureichende« Qualität sind zum einen schwammig und vor allem bei hochbetagten und multimorbiden Patienten oder bei Kindern – die stimmungsabhängiger als Erwachsene sind – überhaupt nicht zu erfassen. Das eigentliche Problem sieht Meyer in der nicht ausreichenden Ausstattung mit Technik und Personal. Das sehen im Interesse der Qualität der Patientenversorgung und zumutbarer Arbeitsbedingungen so auch die Gewerkschaften und stellen entsprechende Forderungen. »An der Unterdeckung der Investitionsfinanzierung hat sich gar nichts geändert«, stellt Meyer fest. 2012 bis 2014 wurden Investitionen von 5,3 Milliarden Euro pro Jahr finanziert. Nötig wären jedoch 7 Milliarden. Die einfache Reproduktion wird nicht gesichert. Verbesserungen der Qualität und Minderung der Belastung der Patienten sind zum Beispiel mit Robotik-Systemen möglich, die jedoch je System 1,8 Millionen Euro kosten und hohe Wartungs- und Materialkosten mit sich bringen.
Not herrscht in der Kinderchirurgie. Dort fehlen jährlich 5 Millionen Euro. Professor Dr. med. Bernd Tillig, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie am Vivantes Klinikum Neukölln, fordert vom »Gesetzgeber« die Sicherung einer spezialisierten chirurgischen Versorgung der Kinder. Sie haben anatomische und physiologische Besonderheiten und brauchen ein spezielles chirurgisches Vorgehen. Kinder müssten zur Einstimmung früher als Erwachsene ins Krankenhaus aufgenommen werden und die Eltern müssten auch in der Klinik übernachten können. Die häufigen Personaleinsparungen beschneiden die Ausbildung von Kinderchirurgen und -schwestern.
Die Schuld an der Unterfinanzierung sieht Meyer vor allem bei den Ländern. Sie beanspruchen die Hoheit über die Krankenhäuser, finanzieren aber deren Investitionen nur zur Hälfte. Zwar seien unter dem Druck von Protestdemonstrationen für 2017 bis 2020 jährlich 800 Millionen zusätzlich bewilligt worden, aber das reiche nicht aus. Das Gesetz bleibe ein zahnloser Papiertiger.
Auf die Frage, ob die Länder überhaupt mehr Geld geben könnten, da durch die Schrödersche Steuerreform jährlich 50 bis 60 Milliarden Steuern ausfallen, meint der Generalsekretär, das sei eine politische Frage, zu der er sich nicht äußern könne. Die Chirurgen wahren die Etikette.