Amsterdam, Rotterdam, Holland, Niederlande (Weltexpress). Oranje. So und nicht anders ist die Farbe des Autos, mit dem ich von Amsterdam nach Rotterdam fahre. Oranje steht bei Holländern sowohl für die Farbe Orange wie auch für Oranien bzw. das Königshaus Oranien-Nassau, niederländisch Oranje-Nassau.
Das „Haus Nassau“ ist ein weitverzweigtes deutsches Adels- und also Herrschaftsgeschlecht. Durch das niedere Land der parlamentarischen Monarchie mit dem deutschen Adels- und Herrschaftsgeschlechts, durch dieses alte friesische Siedlungs- und Sprachgebiet lenke ich gerade ein Auto namens Aygo.
Heute ist hier Willem-Alexander Claus George Ferdinand, Prinz von Oranien-Nassau, der 1967 in Utrecht geboren wurde, der König. Der Freund des Fußballs, der wie die deutsche Kanzlerin sich gerne in von Männerschweiß getränkten Fußballer-Umkleidekabinen blicken und ablichten läßt, ist der Sohn von Beatrix Wilhelmina Armgard, Prinzessin von Oranien-Nassau, Prinzessin zur Lippe-Biesterfeld, geboren 1938 in Baarn, und Klaus-Georg Wilhelm Otto Friedrich Gerd von Amsberg, einem deutschen Diplomaten, der 1926 in Hitzacker geboren wurde und 2002 in Amsterdam starb.
In Amsterdam nahm ich meinen ersten Aygo in Empfang, dessen Vorgänger erstmals 2005 von Toyota präsentiert wurde. Damals kooperierten die Japaner mit den Franzosen von PSA und ließen das Stadtauto im Toyota-Peugeot-Citroën-Automobile-Werk in Tschechien bauen. Im Laufe der Jahre folgten frische Farben bis zur Hege von Oranje und zwischendurch Modellpflege.
Wie das Königshaus in den Niederlanden aufgefrischt und mit dem neuen König eine Verjüngung erfuhr, verfuhr Toyota mit dem Aygo. Journalisten vermitteln die Verantwortlichen das Design seit Monaten unter dem Begriff „J-Playful“. Was immer das bedeuten mag soll heißen, eine kraftvolle und selbstbewusste Formensprache zu bevorzugen wie es angeblich Jugendliche in Japan tun. Nehmen wir es hin wie das förmlich ins Auge springende X vorne und weniger auffällige X hinten, das an die Sechsecke in den Kulissen der Unterhaltungs- und Spielshow Dalli Dalli. Das von Hans Rosenthal moderierte Format war wie der Aygo ist, alles andere als langweilig.
Da Jugendliche, die das Spitze finden könnten, in den flacheren und höheren Lagen Europas schlicht nicht Auto fahren dürfen, wäre das Automobil etwas für junge Erwachsene in den Städten, die dafür Geld haben oder die den kleinen Kraftwagen von Papa bekommen. Kurz: Das Auto sollte was für Yuppies sein. Das steht für young, urban und professional, wobei jung und städtisch allen Lesern klar sein dürfte, doch professional weniger. Professionell steht im engeren Verständnis für diejenigen unter den jungen Städtern, die in freien Berufe tätig sind. Dazu zählt auch die junge Garde der freiberuflich tätigen Journalisten. Erst im weiteren Sinne werden junge Erwachsene der städtischen oberen Mittelschicht oder auch junge karrierebewusste, großstädtische Menschen darunter subsumiert, die zum Problem der Gentrifizierung in Großstädte wie Amsterdam und Rotterdam oder Berlin, wo der Autor dieses Artikels lebt, beitragen. Die Yuppies der ersten Gruppe tendieren vermutlich mehr denn je zu öffentlichen Verkehrsmitteln sowie zu Leih- und Mietwagen, während die Yuppies der zweiten Gruppe vermutlich einen Stadtwagen wählen, der eine Nummer zu groß, auf jeden Fall größer ausfällt. Oder?
Das Thema Yuppies in der nordamerikanischen und westeuropäischen Kulturgeschichte wird überwiegend übersetzt mit Akzentuierungen auf die Skrupellosigkeit und Sinnentleerung sowie völlige Gefühlsabstumpfung der Akteure dieser Art. Ob es zum „J-Playful“ von Toyota eine Schnittmenge gibt, wer weiß? Und vermutlich altern die Käufer des Aygo wie die Bevölkerung der Bundesrepublik und der Niederlande.
Das Design des Automobils ist auch innen krass und auf eine gewisse parapsychologische Art psychedelisch und bieten der Gähn-Gestaltung der Konkurrenten Renault Twingo, den neuen Smart Forfour und VW Up Paroli. Die Mittelkonsole ist trapezförmig, die A-Säulen sind schlank, die „Armaturen sind mit konzentrischen Rundinstrumenten bestückt“ und in der Mitte befindet sich ein „Multi-Informationsdisplay mit großzügiger Grafik“. Die Sitze waren für meinen Geschmack als Großgewachsener, der in die Breite geht, zu klein, die Kopf- und Beinfreiheit hingegen für einen Kleinwagen gut. Zur Not ist das Lenkrad höhenverstellbar. Hinten sitzen am Besten Bambinies. Die Ablage der Arme an der Tür ist angenehm. Handläufe oben fehlen jedoch. Der Gepäckraum soll um 29 Liter gewachsen sein und jetzt 168 Liter Stauraum bieten, wobei „die um 75 Millimeter breitere Öffnung am Heck … das Be- und Entladen“ erleichtere. Für Kleinkram, kleine Koffer, Tüten und Taschen, die in das schmale Handtuch von Kofferraum passen, ist das richtig.
Von Fahrspaß im niederländischen Verkehr kann kaum die Rede sein. Die Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen waren voll und der Holländer fährt grundsätzlich und nicht zur Freude seiner Gäste dicht auf. Zudem zieht der Japaner, der mit einer Leistung von 69 PS (51 kW) eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreichen soll, nicht wirklich rasant an. Der neue Aygo soll zwar steifer sein als der Alte und gibt sich bei Schlachlöchern, die auch an der Nordsee mehr werden, Mühe, doch die Optimierung ist noch nicht optimal. Die frische Meeresbrise weht leider nicht durch ein Schiebedach ins Innere. Auf ein elektrisches Rolldach aus Stoff, das kommen solle, darf man sich freuen. Der Fahrtwind ist beim Fronttriebler hörbar, der Motor, der 4,1 Liter Super verbrauche und 95 g/km CO2 ausstoße, ist es auch. Chefkonstrukteur David Terai sagt: „Viele befragte AYGO Fahrer lieben den sportlichen Sound ihres 1,0-Liter-Motors, aber einige empfanden das Auto einfach als zu laut. Daher haben wir die Dämpfung der Motoren- und Abrollgeräusche in den Mittelpunkt gestellt, aber zugleich den charakteristischen Motorklang beibehalten und sogar leicht optimiert.“ Anders gesagt: Der Dreizylinder knattert und rattert wie eh und je.
In Städten wie Rotterdam und Amsterdam spielt der Aygo jedoch auf dem richtigen Terrain. Da zeigt er sich wie Willem-Alexander: als König. Er ist wendig, handlich und paßt in jede Parklücke. Ab Juli paßt er in jedes Autokaufhaus und die Händler können ein X für ein Y verkaufen, also einen Aygo an einen Yuppie. Der vierstelligen Einstiegspreis solle gehalten werden und gelte ebenfalls für das „x-touch Multimediasystem, das mit benutzerfreundlicher MirrorLink Smartphone-Connectivity [sic!] besonders die jungen, urbanen Zielgruppen des neuen Aygo“ ansprechen möge. „Schaun` mer mal“, wie der deutsche Kaiser aller Fußballer dieser Erde so sagt und auch wie weit Oranje bei der Männerfußball-Weltmeisterschaft in Brasilien kommt.