Berlin, Deutschland (Weltexpress). Harten Stoff zur deutschen Nazigeschichte lotse dieser Tage der Suhrkamp Verlag auf meinen Büchertisch. In dem Buch „‚Weil ich nun mal ein Gerechtigkeitsfanatiker bin‘: Der Fall des SS-Richters Konrad Morgen“ portraitieren die beiden AutorInnen Herlinde Pauer-Studer und J. David Velleman einen SS-Richter, der ihm Rahmen seiner Tätigkeit als Vollstrecker der nationalsozialistischen Justiz so etwas wie Gerechtigkeitssinn im Wurmfortsatz zeihte. Er ermittelte u.a. gegen SS-Schergen aus den deutschen Konzentrationslagern, die sich dort sittlicher Delikte, oder des schnöden Diebstahls verdächtigt gemacht hatten. Morgen verstand sich als faschistischen Gerechtigkeitsfanatiker und war ein nationalsozialistischer Moralapostel. Massenmord ist ok, aber wenigstens sauber und korrekt soll es geschehen. Die beiden AutorInnen nähern sich dem SS-Mann mit der nötigen Distanz und erklären in vielen Details, wie Morgan im Räderwerk der Nazijustiz funktionierte. Obgleich er ein paar Monate an die Ostfront musste, weil er sich mit den falschen Leuten angelegt hatte, zweifelte er doch nie an der Richtigkeit des Faschismus. Aus einer Proletarierfamilie kommend, gelang es ihm mit Bienenfleiß und Gehorsam, im NS-Staat nach oben zu kommen. Im Buch erleben wir seine Wandlung vom Nazi zum überzeugten Demokraten, was ja gerade in Westdeutschland sehr schnell gehen konnte.
Eine lesenswerte Täterbiografie über einen braven Mordbuben (mit Restgewissen) der deutschen Geschichte.
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Herlinde Pauer-Studer und J. David Velleman, „Weil ich nun mal ein Gerechtigkeitsfanatiker bin“, Der Fall des SS-Richters Konrad Morgen, 349 Seiten, Suhrkamp Verlag, Berlin 2017, ISBN: 3-518-42599-2, Preise: 26,00 EUR (D), 26,80 EUR (A), 36,50 SFr