Ein Nachruf auf die Sängerin Etta James

Zehn Jahre darauf tauschte sie die „Musik der Herrn“ gegen die „Teufelsmusik“ und veröffentlichte ihre erste Single. Zuvor war sie vom ebenfalls dieser Tage verstorbenen Johnny Otis bei einer der von ihm organisierten ’Amateur Nights’ entdeckt und mit dem Künstlernamen Etta James ausgestattet worden. Diese Single war eine der damals verbreiteten Antwort-Scheiben auf einen Risqué-Song von Hank Ballard’s “The Midnighters“ mit dem anzüglichen Titel „Work With Me Annie“.  Johnny Otis veröffentlichte sie zunächst unter dem nicht minder eindeutigen Titel „Roll With Me Henry“.  Aber was für Männer damals gerade noch ging, war für Frauen schon zuviel – insbesondere, wenn sie kommerziellen Erfolg anstrebten. Der gleiche Song erschien deshalb kurz darauf unter dem unverfänglicheren Titel „The Wallflower“ und erreichte so 1954 den 2. Platz in den R&B-Charts. “Rhythm ’n’ Blues“ war ein Begriff, der nicht lange zuvor von der Schallplattenindustrie aus Gründen der Political Correctness die bisherige Bezeichnung ’race records’ ersetzt hatte. Er stand für jede Art schwarzer Musik jenseits von Jazz, Gospel oder Country Blues. Etta James’ Karriere war in der Folgezeit ebenso von tiefen persönlichen Krisen, die sie in den 60er Jahren zunächst heroin- und in den 70er Jahren dann kokainabhängig gemacht haben, wie von großen musikalischen Erfolgen gekennzeichnet. Nachdem sie 1960 zum bekannten Chicagoer Blues Label „Chess Records“, der Heimat solcher Blues Stars wie Muddy Waters, Willie Dixon oder Howlin’ Wolf, gewechselt war, spielte sie ihre wichtigsten Hits ein, Hits, die bis heute von bekannten Stars verschiedener musikalischer Provinienz gecovered werden. Die bekanntesten sind “All I Could Do Was Cry“, “Trust In Me“ und “At Last“ und schließlich 1967 “Tell Mama“. Die Rückseite dieser Single – „I’d Rather Go Blind“ – wurde zu einem wahren Standard. Der finanziell seinerzeit wohl erfolgreichste Song war “At Last“, eine Vokalversion eines Stücks aus dem Repertoire der Swing Band Glenn Miller’s von 1941. Dieser Song war recht weit von dem Blues-Anteil des Begriffs R&B entfernt, und in den Jahren seitdem hat sie eine Vielzahl von Songs und Alben aufgenommen, die eher zum Jazz zu rechnen sind. Die bekanntesten hier waren  „Mystery Lady: Songs Of Billy Holiday“, für das sie 1995 den Titel der „Best Jazz Vocal Performance“ erhielt, und das Album “Blue Gardenia“ von 2001. Auf beiden wurde sie von dem bekannten Jazz-Pianisten Cedar Walton begleitet. Insgesamt hat sie vier Grammies erhalten. Sie wurde sowohl in die “Rock ’n’ Roll Hall of Fame“ als auch in die “Blues Hall of Fame“ aufgenommen. Nachdem sie in ihrer Jugend mir R&B- und R&R-Stars wie Johnny Otis, Johnny ’Guitar’ Watson, Little Richard und Ike&Tina Turner getoured war, trat sie Ende der 70er/Anfang der 80er als Opening Act der “Rolling Stones“ auf. Ein Kritiker schrieb jüngst über sie “Vielleicht war ihre Stimme, so rauh und emotional ausdrucksstark für das breite Publikum zu heftig. In der Tat kochten unter der Oberfläche ihres Gesangs Verletzung, Ärger und selbstzerstörerisches Verhalten. Einmal gefragt, ihren Stil zu beschreiben, antwortete sie, dass des Singen es ihr erlaube, „den ganzen Bitch-Scheiß in mir“ rauszulassen.“

Etta James hat auch wenn sie seit langem aus den Schlagzeilen verschwunden ist, ein Erbe hinterlassen. Einst galt sie als das stilistische Vorbild der Hippy-Sängerin Janis Joplin. Jüngst erklärte die britische Sängerin Adele, Etta James habe sie im Alter von 13 Jahren dazu gebracht, singen zu wollen. 2008 spielte die R&B-Diva Beyoncé in dem Film „Cadillac Records“, der die Geschichte der „Chess Records“ verarbeitet, Etta James und nahm im Jahr darauf “At Last“ auf, das Lied, dass sie dann in Washington/D.C. auf dem Einführungsball für Präsident Barack Obama sang, und Ende vergangenen Jahres coverte die US-amerikanische Rocksängerin Beth Hart begleitet vom Bluesrock-Gitarristen Joe Bonamassa auf ihrem Album “Don’t Explain“ zwei Songs von Etta James, nämlich das erwähnte “I’d Rather Go Blind“ und “Something Got A Hold On Me“.

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