Berlin, Deutschland (Weltexpress). Immer wenn die Tage kürzer werden und der Herbst in den letzten Zügen liegen, wird in Berlin ein Zelt aufgeschlagen. In der kalten Jahreszeit und also von November bis März steht an der Spree ein Spiegelzelt, in dem fast jeden Abend in der Woche viele Leute bei einer sinnlichen Dinner-Show feine Feste feiern.
Vor zehn Jahren begann der Spaß am Hauptbahnhof, fand zwischendurch beim Ostbahnhof statt und findet jetzt auf einer der immer rarer werdenden Freiflächen beim Ostkreuz seine Fortsetzung. Am 1. November baten Kolja Kleeberg und Hans-Peter Wodarz erneut im warmen Spiegelpalast genannten Großzelt zur Medien-Gala und einen Tag später zur Premiere mit Prominenten zu Tisch. Dabei waren jedes Mal ein König und jede Menge Enten.
Ein König
Der junge König kommt aus Old England und heißt mit bürgerlichem Namen Jean-Pierre Poissonnet. Als Spross einer Zirkusfamilie rollte er 30 Jahre über die Bretter, die die Welt bedeuten. Er war der eine des Rollschuh-Duos „Skating Willers“ und tourte durch die Welt. Dass er im März 2016 beim Artistika-Festival in der Schweiz für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, wundert daher wenig. Als König in der aktuellen Palazzo-Dinner-Show „Kings & Queens“ führt er nicht nur ein wenig durch das Programm, sondern singt, wie er aussieht: wie der „King of Rock ’n’ Roll“.
Dem König und den Kunden zum Wohlgefallen steppt zwar nicht der russische Bär, aber das Stepptanz-Duo Roman und Slava aus der Ukraine. Die Zwillinge beeindrucken vor allem vierbeinig auf einem Tisch. Auf ihre Weise ist auch Olivia Weinstein aus Kanada humorvoll. Die Akrobatin ist der Clown des Abends.
Die Kanadierin Marjorie Nantel turnt am Vertikaltuch, während der Kanadier William Jutras als Sportturner mit Hula-Hoop Beifall bekommt. Ebenfalls als Turner und sogar als Olymionike gilt der Spanier Omar Cortes Gonzalez, der mit dem Cirque du Soleil durch die USA tourte und nun mit einer Strapaten-Nummer überzeugt.
Andere Attraktionen und weiterer Artisten sind anmutend und der Gesang von Denise Beiler ist bewegend. Die Österreicherin kann nicht nur beim Speisen im Hintergrund leichte Lieder mit der soliden wie saloppen Band bestehend aus Ex-Rockern Bandleader Scott White (Bass und Posaune), Kay Lübke (Schlagzeug), Tobias Tinker (Klavier, Waldhorn) und Stephan Bienwald (Gitarre) an ihrer Seite locker vortragen, sie kann auch super solo singen. Insgesamt gilt: So gut wie dieses Mal waren die musikalischen Darbietungen im Palazzo in Berlin noch nie – auch wenn sie vor allem bekannte Lieder für ein breites Publikum zu Gehör bringt.
Zwei Köche
Bei einer Dinner-Show ist und bleibt das A und O das Essen. Dafür stehen Hans-Peter Wodarz und Kolja Kleeberg. Mit Handschlag und guten Worten begrüßte der Pionier der Erlebnis-Gastronomie und Witzigmann-Schüler Wodarz die ersten Gäste bereits vor der Tür. Toll.
Drinnen gab es gleich feine Getränke, Sekt oder Selters, Champagner floss, keine Tränen, Bier und Wein wurden gereicht, vor allem auch beim Essen. Dazu schüttelte Kleeberg seine Mähne und jede Menge Hände.
Im Zelt begrüßten beide das „verehrte Publikum“, nicht ohne politische Randbemerkungen und Hauptbemerkunen zum Hauptgang. Ente.
Und jede Menge Enten
Die Ente schmeckt so gut wie einst im Nassauer Hof in Wiesbaden, wo Wodarz vor allem in den 80er Jahren des 19ten Jahrhunderts das Zepter schwang. Nein, die Ente gibt es nicht ganz, aber immerhin als confierte Keule – mit Feigensacue, Chicorée, Granatapfel und einem Klecks Kartoffelkrapfen. Zu Beginn wird als Vorspeise Thunfisch-Tatar mit Zitronen-Kräuter Sauce, Avocado-Olivensalat und Minz-Taboulé gereicht.
Als Zwischengang gibt es eine wirklich gute und heiße Suppe. Diese rassige Rote-Bete-Karottensuppe mit Ingwer, Orange und kleinen Jakobsmuscheln, die man allerdings fischen muss, duftet exotisch, mundet umami und passt perfekt zur kalten Jahreszeit. Bravo. Das wird bald auch in der Redaktionsstube schmecken.
Vegetarierer können selbstverständlich Tolles ohne Tier wählen. Das Dessert ist jedoch für alle gleich. Auf dem Teller tummeln sich neben einem kleinen Ring Schokoladenkuchen, der auf den Titel „Königin von Saba“ hört, eingelegte Kirschen. Dazu schmilzt ein Stracciatella-Eis.
„Königin von Saba“? Zum Schluss schließt sich also der Kreis: der König kriegt Kuchen. Das ist doch wieder typisch Berlin. Und wer kriegt die Königstochter? Sehen Sie selbst! Im Spiegelpalast!
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Palazzo, Spiegelpalast am Bahnhof Ostkreuz in der Kynaststraße, vom 2. November 2016 bis zum 5. März 2016, Web: www.palazzo.org