Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das winterliche Tannheimer Tal in Tirol lässt sich aus verschiedenen Perspektiven erkunden – Schneeschuhwandern und Ballonfahren sind zwei Möglichkeiten.
Klick und noch mal klick. Die vordere Lasche ein wenig strammer gezogen, schon hat Sepp Sint seine roten Schneeschuhe unter die Wanderstiefel geschnallt. Eine kleine Gruppe deutscher und schweizer Touristen macht es ihm nach. Monströs sehen sie aus, die Aluminium-Kunststoffgestelle, aber im Tiefschnee kommt man mit ihnen wunderbar voran ohne einzusinken. „Geht einfach ganz normal vorwärts“, sagt Sepp. Ein wenig breitbeinig macht sich die Gruppe im Gänsemarsch hinter dem Bergwanderführer auf den Weg. Von Schattwald im Tannheimer Tal in Tirol geht es über schneebedeckte Felder und Hügel Richtung Vils-Stausee. Teleskopstöcke helfen, die Balance zu halten. „Wenn Neuschnee gefallen ist, hat es der erste am schwersten“, erklärt Sepp: „Alle weiteren können der Spur folgen.“ Da der Rahmen des Schneeschuhs nach hinten offen ist, rutscht der Schnee bei jedem Schritt nach hinten ab und blockiert den Schuh nicht. Man gleitet fast über die weiße Fläche.
„Schon um 1900 war mein Vater mit Schneeschuhen unterwegs“, erzählt der ehemalige Zöllner: „Für Touristen gibt es das Schneeschuhwandern im Tannheimer Tal seit den 1970er Jahren. Damals waren es noch riesige Bambusschuhe.“ Da es mehrere Tage lang nicht mehr geschneit hat, aber in der Nacht 15 Grad unter null herrschen, ist die Schneeoberfläche leicht vereist, so dass es jetzt bei jedem Schritt knirscht. Am Vils-Stausee entlang geht es auf vereistem Weg abwärts. Schneeschuhe, die zusätzlich mit Stahl-Spikes ausgerüstet sind, geben in steilerem und verharschtem Gelände noch besseren Halt. Mit Raureif überzogene Äste ragen vom Ufer ins Wasser und geben dem schattigen, kleinen See eine mystische Atmosphäre.
Nach kurzem, steilen Anstieg stapft man über verschneite Wiesen weiter bis zum Landhaus Rehbach. Keine Wolke trübt den blauen Himmel. Die Sonne lässt tausende Sterne auf dem gefrorenen Schnee tanzen. Die hinterlassenen Spuren der Schneeschuhwanderer sind nicht die einzigen. Immer wieder kreuzen Fährten von Hirschen, Rehen und Hasen den Weg. Zwischen den Wiesen verläuft eine Langlaufloipe, auf der reger Betrieb herrscht. „Der Vorteil des Schneeschuhwanderns ist, dass man nicht immer die Spur halten muss“, meint Carola aus Zürich: „Eine tolle Alternative zum Langlauf, bei der man auch ganz schön ins Schwitzen kommt.“
In den sechs Ferienorten des Tannheimer Tals Grän-Haldensee, Nesselwängle-Haller, Schattwald, Tannheim, Zöblen und Jungholz leben 3.100 Einwohner. Dazu kommen 7.300 Gästebetten. Doch wer Remmidemmi und gigantische Diskos für Après-Ski sucht, der ist hier falsch. Es ist das Tal für Familien und ruhige Genießer. Es gibt 72 Kilometer geräumte Wanderwege. Das Loipennetz für Langlauf (klassische Technik und Skating) beträgt 140 Kilometer mit einem Höhenunterschied von maximal 50 Metern. Für Alpin-Ski stehen 55 Kilometer präparierte Pisten zur Verfügung.
Und das 1.100 Meter hoch gelegene Tal geizt nicht mit alljährlich wiederkehrenden Events: Internationales Ballonfestival und Ballonglühen, Schlittenhunderennen, Langlaufwettbewerb Ski-Trail, Laternenläufe, Nordic-Fitness-Woche. Sechs Ski-Kinderländer wie das Ice Age Kinderland in Tannheim, der Pumucklhang in Zöblen oder das N’Ice Bear Kinderland in Jungholz sorgen für genügend Abwechslung für die Jüngsten.
Vor ein paar Tagen kamen die ersten Kleinbusse mit Anhängern ins Tal. Zwei Wochen lang wird 25 Heißluftballons der Himmel gehören. Hobby-Ballonfahrer aus verschiedenen europäischen Ländern treffen sich jedes Jahr im Januar in Tannheim, um einmal am Tag in die Luft zu gehen. Rudi Höfer, ein ehemaliger Polizist aus Schwäbisch Hall, organisiert das Festival seit 15 Jahren. „In den Bergen ist Ballonfahren nur im Winter möglich“, berichtet Höfer: „Man braucht Hochdruckwetterlage mit geringer Thermik.“ Für Einheimische und Urlauber, die mal hoch hinaus wollen, ist in dem einen oder anderen Weidenkorb immer ein Plätzchen frei.
Bevor die Fahrt beginnt, muss erst einmal gearbeitet werden. Pilot Peter Pohl und seine Crew vom Ballonteam „Pik-As“ haben bereits den Korb vom Hänger gehoben und beginnen, die endlos erscheinende Ballonhülle auszurollen. Seine Frau Andrea schiebt eine Gebläsemaschine ans untere Ende der rot-gelben Hülle, die kalte Luft hineindrückt. Der lange Wulst wird langsam dicker und nimmt Form an. Nun wird der Korb auf die Seite gedreht und eingehängt. Der Brenner erhitzt die Luft in der Hülle, bis sie warm genug ist und der Ballon sich aufrichtet. Drei-, viermal zischt der Brenner, dann lässt die Bodencrew den Korb los.
„Glück ab und gut Land“, ruft Andrea und schon steigt der Ballon lautlos wie ein Fahrstuhl nach oben. Peter, hauptberuflich Bestattungsunternehmer in Friedrichshafen am Bodensee, lässt den Brenner zischen. „Zwei Meter pro Sekunde geht es aufwärts“, sagt er und kontrolliert ständig Windrichtung und –geschwindigkeit. Schon schwebt der Ballon über der weißen Barockkirche St. Nikolaus, der zweitgrößten Kirche Tirols. Drei Ballons sind bereits in der Luft. Weitere grüne, gelbe, blaue und weiße Nylonhüllen werden auf dem langsam kleiner werdenden Startplatz ausgerollt. Wenn der Wind aus Südwesten kommt, geht die Fahrt Richtung Schloss Neuschwanstein im Allgäu oder ins bayrische Oberland. Aber auch Alpenüberquerungen Richtung Italien haben schon stattgefunden. Doch heute gibt es einfach zu wenig Wind. „Nur zwei bis fünf Kilometer pro Stunde“, brummelt Peter.
Kein Laut ist zu hören. Nur ab und zu durchbricht das Geräusch „schschsch“ des Brenners die Stille. Aus 2.500 Metern Höhe ist der Forggensee bei Füssen deutlich zu erkennen, aber die Ballone bewegen sich kaum vorwärts. Sie drehen ihre Runden durchs Tal. Werfen ihre Schatten auf den Halden- und Vilsalp-See, ziehen an den Bergspitzen Einstein, Gimpel und Rote Flüh vorbei. Straßen wirken wie eine Modellanlage, auf der sich Spielzeugautos überholen. Auf dem 1.862 Meter hohen Neunerköpfle sausen Alpin-Ski-Läufer die Hänge hinab. Paraglider schwingen sich in die Luft und gleiten zwischen den Ballons hindurch. Von der Bergstation der gelben Neunerköpfle-Gondelbahn führt ein kurzer Wanderweg zum größten Gipfelbuch der Alpen. Wem die grandiose Aussicht gefallen hat, der kann sich hier mit einem Dankesspruch verewigen.
Nach zwei Stunden „Logenplatz am Himmel“ wird es Zeit, einen Landeplatz zu finden. Noch 200 Meter. Die Langläufer und Wanderer, die als bunte Stecknadelköpfe der weißen Winterlandschaft ein paar Farbtupfer verleihen, werden wieder größer. Sie bemerken den zischenden Ballon und winken. Auch Sepp ist wieder mit einer Gruppe unterwegs. Das Knirschen der Schneeschuhe ist deutlich zu hören.
Reisehinweise
Anreise:
mit dem PKW: A7 Richtung Ulm/Kempten/Füssen, Ausfahrt Oberjoch/Tannheimer Tal (mautfrei)
mit der Bahn: bis Pfronten, Sonthofen oder Füssen, Taxi-Service ins Tannheimer Tal
mit TUIfly: von Berlin, Hamburg und Köln-Bonn nach Memmingen (Allgäu-Airport), Taxi-Service ins Tannheimer Tal
Unterkünfte:
Pensionen/Gästehäuser: Übernachtung/Frühstück ab 20 Euro pro Person 3-Sterne Hotels: Übernachtung/Frühstück ab 40 Euro pro Person
4-Sterne-Hotels: Übernachtung/Frühstück ab 60 Euro pro Person
Vital-Hotel Zum Ritter
Unterhöfen 19 (im Zentrum von Tannheim)
A-6675 Tannheim
Tel.: 0043-5675-6219
Fax: 0043-5675-6219-39
www.hotel-ritter.at
Preise pro Person inkl. Frühstücksbuffet in der Winter-Saison:
EZ 68 bis 108 Euro, DZ 62 bis 99 Euro, Suite 84 bis 113 Euro Dreiviertel-Pension: 19 Euro pro Tag Diverse Wellness- und Wochen-Pauschalen
Landhotel Rehbach
Rehbach 1 (mitten in der Natur)
A-6677 Schattwald
Tel.: 0043-5675-6694
Fax: 0043-5675-6694-15
www.rehbach.at
Preis pro Person inkl. Frühstück im DZ 45 Euro
Dauer der Ski-Saison im Tannheimer Tal: Mitte Dezember bis Mitte April
Outdoor-Angebote im Winter: Langlauf, Alpin-Ski, Schneeschuhwandern, Rodeln, Eislaufen, Eisstockschießen, Winterbergsteigen und Eisklettern, Pferdeschlittenfahrten
Jährlich wiederkehrende Großereignisse im Tannheimer Tal:
15. Internationales Ballonfestival: 8. bis 23. Januar 2010:
Anmeldung für Mitfahrten direkt am Startplatz oder im Voraus bei: Rudolf Höfer, Tel. 0791-41044 oder 0171-8500854 Preis pro Erwachsener 220 Euro
11. und 18. Januar 2010: Nächtliches Ballonglühen in Tannheim bzw. Jungholz, bei dem die Ballons am Boden bleiben und zu musikalischen Klängen wie Lampions vom Brenner erleuchtet werden. www.ballonfestival-tannheimertal.de
Ski-Trail: 26. bis 31. Januar 2010
Langlaufwettbewerb (Klassisch und Skating) vom Tannheimer Tal nach Bad Hindelang. www.ski-trail.com
Schlittenhunderennen: 6. bis 7. Februar 2010
Husky-Tage in Nesselwängle. 50 Musher treten gegeneinander an. www.schlittenhunderennen.de
Nordic Woche: 24. bis 27. Februar 2010
Langlauf und Biathlon www.nordicwoche.com
Allgemeine Informationen:
Tourismusverband Tannheimer Tal
Oberhöfen 110
A-6675 Tannheim
Tel. 0043-5675-6220-0
Fax 0043-5675-6220-60
www.tannheimertal.com
Anmerkung:
Siehe auch die Beiträge
- Mit dem Wind im Ballon über das winterliche Oberallgäu – Von Oberstdorf bis ins Tannheimer Tal von Monika Hamberger
- Mitten in den Tiroler Bergen: das Marent – Christian und Alexander Marent kochen jetzt in ihrem eigenen Hotel von Henno Heintz
im WELTEXPRESS.
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