Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wenn der besser bezahlte Berliner braun werden will, und zwar von der Sonne, dann bucht er Berlins Badewanne. Dann fährt er volle Kraft voraus nach Vorpommern.
In seinem formvollendeten Straßenkreuzer sitzt er wie Hans Albers in seinen besten Jahren: vor Pferdestärken strotzend. Neu-Berliner in ihren SUV-Berserkern halten weder Ochs noch Esel auf. Und stolz wie Steuermann peilen diese kleinbürgerlichen Buben ihre Brutzelstube an. Immer erste Lage, alles erste Sahne.
Vorpommern ist und bleibt Berlins Hinterhof für Spießer, die, wenn die Sonne über Deutschland lacht wie sie selbst über die Kanzlerin, obwohl sie die Regierungsparteien wählen, voll ist mit Hallodris aller Herrenländer deutscher Zunge.
Vorpommern bietet allerdings allen immer noch beachtliche Natur- und Kulturlandschaften mit Städten, die in Teilen zum Vorzeigen und Flanieren dienen: Stralsund, Greifswald, Grimmen, Anklam und Pasewalk. Hinzu kommen, wie mit Bernd Siegmund ein altgedienter Reporter leichtgängiger Themen notiert, „die schönsten Halbinseln Mitteleuropas: Fischland / Darß /Zingst“. Ob das wirklich die schönste Gegend an Gestaden ist? Geschmackssache!
Die „oft malerischen Flüsse“ vergisst der reisende Reporter nicht: „Peene und Uecker, mit ihren Dörfern, dem weiten Land, den bekannten und dennoch kaum entdeckten touristischen Sehenswürdigkeiten.“
Die geschwätzige Schwärmerei im affirmativen Aftergang führt Siegmund zu einem angenehmen Ausflug in „innovative Industrie“ und „Landwirtschaft“ und so weiter fort. Das ist nicht minder peinlich wie die Überschrift, die nicht Ausdruck von Hirn und Humor ist, sondern totale Reklame.
Dass das Übliche nicht gut und das Gute nicht üblich ist, das dürfte auch Siegmund wissen. Aber sich derart verbiegen zu lassen wie das Leichtmetall zum Maschendrahtzaun, mit dem aus- oder eingesperrt wird, das muss doch nicht sein!
Der Bildband vom Verlag Hinstorff mag bei Hirntoten aufs Angenehmste ankommen, er erzeugt bei kritischen Kritikern hingegen die Übelkeit, die frömmelnde Schwätzerei von Hofberichterstattern nun einmal auslösen.
Selbst Siegmund sollte von den Possen und Pleiten, von dem Klüngel und der Korruption wissen, die auch vor den Herren der Banken und der Industrie in Vorpommern nicht Halt machen. Im Gegenteil: Die Nieten in Nadelstreifen und anderen Gewändern fahren voll drauf ab und mit – der Konjunktur, die eine kapitalistische ist.
Richtig, diese Themen gehören nicht unbedingt in eine Reisereportage und einen Bildband. Nicht unbedingt, aber dann sollten Lohnschreiber, die noch in den Spiegel schauen wollen, auf Huldigungen, die den Bildband unter dem Titel Vorpommern verhunzen, verzichten.
Bilder von leeren Bürogängen (Seite 90ff.) sind wie anderer Unfug überflüssig wie ein Kropf.
Der Lektor, der auf den Namen Thomas Gallien hört, ist anscheinend eine absolute Null.
Dass Fotografen wie Thomas Grundner, der im Grunde sein Handwerk zu beherrschen scheint, die Beine für jeden Groschen – Billignutten gleich – breitmachen, das ist nur noch elendig.
Siegmund und Grundner scheinen zwei abhängige Autoren zu sein, denen ein wirklich freier Verlag fehlt. Es braucht Verleger, die Autoren nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf den PR-Strich schickt, sondern die das Können von Autoren zu schätzen und zu fördern statt auszunutzen wissen.
Bibliographische Angaben
Bernd Siegmund (Texte) und Thomas Grundner (Bilder), Vorpommern, Deutschlands Sonnendeck, 128 Seiten, 142 Farbfotos, Format: 29,5 x 25,5 cm, Hardcover mit Schutzumschlag, Verlag: Hinstorff, 1. Auflage, Rostock, 2011ISBN: 9783356014488, Preis: 29,95 EUR