Stralsund, Deutschland (Weltexpress). Er ist mit Maske quer durch Deutschland gefahren: Nur um als „Hand für Koje“, wie man unbezahlte Hilfskräfte auf Seglern nennt, „meiner ´Gorch Fock`zu helfen“. Der Malboro-Typ streckt einem seine rissige, teerschwarze Pranke entgegen. Spätestens jetzt weiß man, dass der Nichtraucher in Bayern zu Hause ist. Graumähnig, wettergegerbt, freundlich lächelnd und gertenschlank erinnert er an den Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner. Mit dem hat er die Alpenheimat, etwa den Jahrgang und eine Passion gemeinsam: das Bergsteigen. Die 76 Jahre sieht man ihm nicht an. Und man glaubt´s kaum, wenn er sagt: „Ich spring auch jeden Morgen um sechs von Bord aus in den Hafen, dös hält fit!“ Von seiner spartanischen Kabine hat er es nicht weit an die Reling auf der Back.
Mit „bürgerlichem“ Namen heißt er übrigens Josef-Xaver Zintl und lebt in Krailling zwischen München und Starnberger See. Bayerischer geht es nicht. „Joe wurde ich in Kanada genannt, das hat sich bis heute so gehalten“, erklärt Zintl seinen „exotischen“ Vornamen. Als junger Mann zog der Naturfreak nach Nordamerika, um drei Jahre als Holzfäller sein Glück zu versuchen. Dazu Abenteuer pur: „Mit einem Indianerkanu hob i damals monatelang in der Wildnis rumgepaddelt“. Und per Wohnmobil kämpfte er sich quer durch die Sahara. „Dös war eine optimale Abhärtung: tags brennend heiß, nachts eiskalt, dazu heftige Sandstürme und Wassermangel“. Wasser habe er hier genug, sagt er, und Bergsteigen kann ich hier auch“. Ein jung gebliebener Senior, dieses oberbayerische Urgestein, das vor keiner Herausforderung zurückschreckt, „denn wer rastet, der rostet, nicht nur körperlich!“
„Meine Frau hat mir zwei Wochen frei gegeben, die eigentlich für unseren Toskana-Urlaub gedacht waren“, lächelt er, „dafür acker i von morgens früh um Sechse bis spät abends“. Er selbst nennt es „durchwurschteln“. Aber planvoll: „Alles, was ich anfange, bringe ich auch zu Ende, sonst verlierst du dich“, sagt er wieder ernst und zählt die wichtigsten von ihm schon geleisteten Arbeiten auf: „Segellast aufgeräumt, Bootsmannslast entrostet, grundiert, gemalt und neu eingerichtet, Store aufgeräumt, Webleinen der Wanten erneuert. Daran werden alle Besucher ihre Freude haben“. Ein wahres Gebirge von Arbeit für den Segel-Kraxler, wobei er auch seine kleinen schiffshistorischen Entdeckungen gemacht habe. „Ich muss immer wieder herkommen“, gibt er sich den Arbeitsauftrag, „denn es gibt ja noch so viel für den Erhalt des Schiffes zu tun“. Auf dieser Baustelle kann man, und das nimmt man ihm unbesehen ab, seine Energien ganz schön einsetzen.
„Es muss sich immer was rühren, sonst fühl´ ich mich nicht wohl“, schlägt der gelernte Fotograf und Druckvorlagenhersteller den Bogen zur „Gorch Fock“: „Seit 45 Jahren bin ich Segler – zwischen Gardasee, Warnemünder und Kieler Woche. Mein Traum aber waren immer die Großsegler“. Nachdem er Kontakt zu Tall Ship-Friends gefunden hatte, fuhr er als Trainee auf den Viermastern „Sedov“ und „Kruzenshtern“. „Da hab´ ich schon kräftig im über 60 Meter hohen Rigg mitgeholfen“, erzählt er mit leuchtenden Augen, „denn als Bergsteiger kenn ich keine Höhenprobleme“. Spricht´s und schwingt sich in die Wanten, um wieselflink mit Takelwerkzeug aufzuentern. Wenn er dann rittlings auf eine Rah sitzt, fängt er an, Tauwerk zu erneuern. Danach gibt´s echte bayerisch-deftige Brotzeit mit „Kaas, Wurscht, Brot und a Störtebeker-Bier, was bei uns ein Nahrungsmittel ist“.
Den letzten Abend vor seiner Abreise nach Süddeutschland verbringt Joe wie immer im „Klabautermann“. Von der „Gorch Fock“-Traditionsgaststätte aus hat er „seinen“ Segler im Blick, über dessen Mastenfiligran ein milder Vollmond steht. Romantik pur. „Dös hammer doch net bei uns“, muss er gestehen und gönnt sich diesmal ein dunkles Stralsunder Bier.
Joe würde sich freuen, wird der fröhliche Mann nachdenklich, „wenn die ´Gorch Fock` irgendwann in naher Zukunft wieder in einem ruhigeren Fahrwasser schwimmen könnte“. Dieser momentane Schwebezustand, ob die Stadt kauft oder nicht, ziehe sich schon viel zu lange hin, kritisiert er, „die hätten uns mal ein paar Millionen von der verkorksten `Gorch Fock`(II) geben können, dann wär unser schönes Schiff längst wieder flott“. Die Frage stelle sich: „An wem oder was dös liegt? I woaß dös net, komm aber trotzdem immer wieder“. Ob seine Frau „den alten Knast“ dann immer noch ziehen lässt?