Und weil sich Berliner und Dresdner nicht gerade grün sind, begrüßte auch die Polizei ganz persönlich jeden Gast aus dem Elbtal. Immerhin kam auf jeden Dresdner ein gut gepolsterter Beamter. Zum Teil waren die selbst aus Sachsen und aus Niedersachsen angereist. Warum auch nicht? Ein Berlin-Besuch dürfte auch für grün oder schwarz gewandete Ordnungshüter immer ein Erlebnis sein. Zumal diesmal blauer Himmel und Sonnenschein den kalten Wintertag schmückte.
Und letztlich wurde es tatsächlich ein gemütlicher Nachmittag für die Staatsmacht. Mit einem deutlichen 4:0-Sieg hatten die Eisernen den Dynamo kurzgeschlossen, so dass alle Unioner froh und friedlich nach Hause eilten. Und auch die schwarz-gelb bemützten Köpfe der Gäste blieben halbwegs kühl. Ihre Niederlage trugen sie mit Galgenhumor.
Das Spiel im mit 18 432 Zuschauern ausverkauften Stadion an der Alten Försterei hatte knapp zwei Stunden zuvor sofort Fahrt aufgenommen. Vor beiden Toren kam es bald zu guten Chancen. Dabei auf Unioner Seite zwei kurios verpasste Gelegenheiten: Einmal schaffte es John Mosqueira, drei Meter vor dem leeren Tor den Ball einen halben Meter am Torpfosten vorbei zu schieben. Etwas später sprang ein von Patrick Kohlmann aufs Tor geschossener Ball unglücklich an die Wade des Unionverteidigers Markus Karl, um seinen Weg nicht über die Torlinie, sondern zurück ins Spielfeld zu suchen.
Inzwischen hatten die Berliner im Spiel eindeutig Übergewicht erlangt, doch solch vergebene Großchancen können ein Team nerven. Aber an diesem Tag machten die Eisernen ihrem Namen alle Ehren. Sie bissen sich fest. So kam es, dass kurz vor Ablauf der ersten Halbzeit doch noch ein Tor fiel. Dem Dresdner Clemens Walch war augenscheinlich nichts Besseres eingefallen als den Ball, den der Neu-Unioner Tijani Belaid im Strafraum über den Kopf seine Konkurrenten lupfen wollte, mit der Hand aufzuhalten. Der gute Schiedsrichter Peter Sippel stand unmittelbar in der Nähe und zögerte keine Sekunde mit seinem Pfiff: Elfmeter. Einer der jüngsten Unioner – Christopher Quiring – schnappte sich den Ball und ließ Wolfgang Hesl im Dresdner Tor keine Chance.
Mit einem 1:0 in die Pause zu gehen, war für die Gastgeber eine Art Gehirndoping. Ralf Loose, Trainer der Gäste, indes sollte später sagen: „Der Elfmeter war die Vorentscheidung, die Schlüsselszene des Spiels.“
Die Dynamos schienen wie geerdet, alle Energie war wohl den Eisernen zugeflossen. So bedrängten sie gleich nach der Pause die Gäste, störten deren Spielaufbau und setzten sie mit kraftvollen Aktionen unter Druck. Beinahe logisch, dass in der 59. Minute eine herrliche Passfolge von Belaid über Quiring und Simon Terodde den Ball zu Mosquera führte, der mit einem satten Schuss das 2:0 erzielte. Nur sieben Minuten später dann konnte kein Dresdner Terodde stoppen, der aus spitzen Winkel Hesl zum 3:0 überwand. Nun war alles gelaufen.
Aber die Fans wollten mehr. Und auch den Union-Spielern sah man an, dass sie die Schmach aus dem Hinspiel vollständig wettmachen wollten. In der 76. Minute war es wieder Terodde, der genau richtig stand als ein abgewehrter Ball vor seinem Fuß landete und von dort zum 4:0 im Tor der Dresdner. „Wir waren absolut heiß“, gestand nach dem Spiel Patrick Kohlmann, „ Bei diesem Publikum ist das auch kein Wunder.“
Die Fans hätten nichts gegen noch mehr Tore gehabt. Zwei Bälle von dem für Mosquera ins Spiel gekommenen Steven Skrzybski konnte Hesl mit Mühe parieren. Aber auch die Gäste hatten noch ihre Chancen für den Ehrentreffer. Die Unioner, kurzzeitig etwas leichtsinnig, schenkten dem gefährlichsten Dynamo Stürmer Mickael Poté zweimal die Gelegenheit zu verkürzen. Aber wie es dann so ist: Wenn nichts läuft, dann läuft eben nichts. Potè fand frei vor dem Tor an diesem Tag in Torwart Jan Glinker seinen Meister.
Dann war auch bald Schluss. Jubel auf den Rängen. Natürlich vor allem beim Gastgeber. Aber die in den vergangenen Wochen von den Medien so geschmähten Dresdner gaben sich als faire Verlierer. Sie schwenkten ihre gelb-schwarzen Vereinsbanner sowie die grün-weißen Landesfahnen und festigten immer wieder unverdrossen ihr reiches Liedgut. So zogen sie auf dem langen Weg der Fans zum S-Bahnhof Spindlersfeld. Weder ihr uniformierter Geleitschutz noch der am blauen Firmament kreisende Polizeihubschrauber meldete irgendwelche extremen Aktionen. Der Osten scheint gar nicht so gefährlich zu sein, wie der eine oder andere so albträumt.