Schluss mit ödem Familienleben mit Kindern und Gattin Mette (Charlotte Fich). Bei einem Autounfall begegnet dem Polizeifotografen Jonas (Anders W. Berthelsen) die attraktive Julia (Rebecka Hemse). Als er der nach dem Unfall im Koma liegenden Fremden den Pflichtbesuch im Krankenhaus abstattet, verwechselt ihn deren Familie mit ihrem Lebenspartner Sebastian. „Ein guter film noir beginnt immer mit einer schönen Frau und einem Geheimnis.“, haben das Publikum und Jonas von dessen Freund Frank (Dejan Cucik) gelernt. Von einem peinlichen Hintergrundkommentar ist zwar nicht die Rede, doch den erspart Bornedal einem nicht. Jonas verstrickt sich immer tiefer in seine eigenen Lügen, denn nach dem Erwachen glaubt selbst die unter Amnesie leidende Julia, der Mann, den ihre Familie Sebastian nennt, sei es auch. Immer mehr geht Jonas in der neuen Existenz als Freund der schönen Frau aus reichem Hause auf. Bis der tot geglaubte wahre Sebastian (Nikolaj Lie Kaas) auftaucht. Weil Bornedal die bisherige Handlung viel zu stringent und wahrscheinlich erschien, geht er jetzt richtig in die Vollen: ein verpatzter Diamantenschmuggel, in den Julia verwickelt war, geplanter Doppelselbstmord, ein Mordanschlag, ein Verbrechersyndikat, krankhafte Liebe, Rache, vorgetäuschtes Ableben, ein neuer Mordplan – wer weiß, wann sich wieder die Gelegenheit bietet, das sämtliche Noir – Register „Bedingungslos“ zu ziehen?
Interessant werden die Figuren durch ihre psychologischen Abgründe. Nun ist Ole Bornedal nicht der Regisseur, der vor solchen zurückschreckt und könnte mit Nikolaj Lie Kaas und Rebecka Hemse auch zwei fähige Darsteller aufbieten. Statt auf die beiden konzentriert er sich jedoch auf den ungleich gewöhnlicheren Jonas. Bereits in seinem Erfolgsfilm „Nachtwache“ beschäftigte Bornedal sich mit Nekrophilie und emotionalem Sadismus. Film noir scheint ein willkommenes Metier für den Regisseur, ist doch eines dessen Grundthemen die Nachtseite von Filmgestalten. Mit Hauptcharakter Jonas teilt Bornedal leider die gleiche fatale Schwäche: Beide haben eine übermäßige Faszination für das Klischeehafte. Das zeichnet sich schon an der Eingangsszene ab, die von Jonas aus dem Off kommentiert wird. Wie perfekt und filmisch das alles sei! Irrtum, das Gezeigte ist ein überstrapaziertes Standardbild. Julia interessiert Jonas nur als perfekte Verkörperung der femme fatale. Als Mensch ist sie ihm gleichgültig, genau wie seine Frau Mette. Sein psychopathischer Widersacher Sebastian erscheint sympathischer. Seine fanatische Liebe für Julia ist wenigsten echt. Die anderen benutzt Jonas zum Ausleben seiner Filmfantasien. Mit derselben Oberflächlichkeit, mit der er seine Mitmenschen behandelt, handhabt Ole Bornedal seine Protagonisten. „Bedingungslos“ hinterfragt dieses Verhalten nicht, sondern etabliert es mit seiner angestrengten, mystifizierenden Atmosphäre. Seine angeblichen filmischen Vorbilder siedelt Bornedal wohl nur im film noir an, um seinem missglückten Krimi den Nimbus des Künstlerischen zu geben.
Tatsächlich orientiert sich „Bedingungslos“ wie schon „Nachtwache“ am amerikanischen Thrillergenre. Um billige – wenn auch in ihrer Machart gelungene – Schockeffekte geht es. Wird das Nagelbrett schon ominös ins Bild gerückt, muss es unweigerlich jemandem ins Gehirn gehauen werden. Das Bornedal außerdem mit Vorliebe Leichen und Verwundete filmt, löst aufgrund des reißerischen, gezielt die Ablehnung des Zuschauers herausfordernden Impetus Abscheu aus. Anstatt Voreingenommenheit zu kritisieren, will „Bedingungslos“ von ihr profitiere. Sind Tote nicht hässlich, Kranke oder Verletzte abstoßend, scheinen manche Bilder zu schreien. Reaktionären Klischees folgend lauert unter der physischen Abweichung die psychische. Passenderweise tritt der geisteskranke Sebastian als bandagierter Rollstuhlfahrer auf. Die Perversionen der übrigen Figuren werden hingegen beflissen übergangen. Jonas Freund Frank etwa wird trotz seiner menschenverachtenden Äußerungen als ungemindert sympathisch dargestellt. Nicht nur dem Chefarzt kommt Jonas Besessenheit für eine schwerstverwundeten Frau verdächtig vor. Ausschlaggebend ist für Jonas die Macht, die ihre Verfassung ihm über Julia gibt. Als sie gegen Ende fast gesund ist, schwindet auch sein Interesse.
Liebe im Film ist etwas Tolles. Liebe zum Film aber auch und an letzter mangelt es Bornedal gewaltig. Fast ließe sich der tragische Schluss als glückliches Ende interpretieren. Jonas kann sich für immer als der Noir-Heroe imaginieren, der er gerne wäre, Bornedal als der Neo-Noir-Regisseur, der er wiederum sein möchte, und der Zuschauer als klassikerbewanderter Filmfreund. Kunst und Spannung bleiben dabei allerdings „Bedingungslos“ auf der Strecke. Für den Zuschauer gilt dasselbe wie für den Regisseur: Besser die echten films noirs von damals noch mal ansehen. Darin ist nichts „Wie im Film“, sondern wie im richtigen Leben.
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Titel: Bedingungslos
Originaltitel: Just another Love Story
Genre: Thriller-Drama
Land/Jahr: Dänemark 2007
Kinostart: 9. April 2009
Regie und Drehbuch: Ole Bornedal
Darsteller: Anders W. Berthelsen, Rebecka Hemse, Nikolaj Lie Kaas, Charlotte Finch
Verleih: MFA
Laufzeit: 104 Minuten
FSK: Ab 16