Die Werke Richard Wagners standen von Anfang an im Mittelpunkt und in diesem Jahr stehen alle Wagneropern – außer dem ’Holländer` und dem ’Ring` auf dem Programm. Mit seinen Wagner-Inszenierungen hat Gustav Kuhn eine künstlerisch hochwertige Alternative zu den Bayreuther Festspielen geschaffen.
Angefangen hat Gustav Kuhn mit seinen eigenen Festspielen 1998. Ermüdet vom immer oberflächlicher werdenden Kulturbetrieb, wurde ihm klar, dass er, um seinen eigenen künstlerischen Idealen treu zu bleiben, eine eigene Spielstätte finden müsse, und so begab er sich auf die Suche nach einem geeigneten Ort. Zwar hätte er auch einen Spielort in Berlin wählen können, doch sein Instinkt riet ihm sich für den Passionsspielort Erl in Tirol zu entscheiden. Das Haus, mit seinen 1500 Plätzen, grandioser Akustik und großer Bühne, erwies sich als gute Entscheidung; es liegt auf der grünen Wiese inmitten einer ländlichen Idylle, dennoch ist es von München, Salzburg und Innsbruck schnell erreichbar.
Die ersten zwei Jahre finanzierte Kuhn aus eigener Tasche, er setzte seine gesamten Ersparnisse ein und war sich voll bewusst, was der Ausstieg aus einer internationalen Dirigenten-Karriere bedeuten könnte. Doch sein Elan und die visionäre Kraft haben sich durchgesetzt, bis heute lebt er konsequent seine Visionen. Musik ist sein Lebenselixier, sie gibt ihm die Kraft, sich unermüdlich in ihren Dienst zu stellen. So leitet er ab Herbst 2010 auch die neuen Festspiele in Toblach/Dolomiten. Ein weiterer Beweggrund für seine intensive Arbeit ist die Förderung von jungen Künstlern, denen er die Kraft vermitteln möchte, die Liebe zur Musik in der schnelllebigen aktuellen Musikszene am Leben zu erhalten. Die kreative Keimzelle seiner Arbeit bildet die Accademia di Montegral, die Gustav Kuhn schon im Jahre 1987 gründete. Seit 2000 ist das Kloster Convento Dell’Angelo im italienischen Lucca das künstlerische Zentrum der Accademia. Schon im Frühjahr beginnen dort die Proben für die Sänger, die im Sommer in Erl mitwirken werden. Ende Mai beginnt dann die Arbeit mit dem Orchester in Passionsspielhaus. Er hat seinen eigenen Klangkörper, der sehr jung und dynamisch ist. Zukünftig werden auch zeitgenössische Kompositionen verstärkt aufgeführt werden, und endlich wird am 26.12. 2012 das neue winterfeste Festspielhaus eröffnet. Hiermit erhalten Orchester und Chorakademie, Sängerinnen und Sänger, Mitarbeiter der Regie, des Bühnenbilds, der Kostümabteilung sowie Administration und Technik eine neue, gemeinsame Heimat. Dieses Festspielhaus wird eine zweite Bühne für die Tiroler Festspiele Erl im Sommer, einzige Spielstätte in den Jahren der Passion und im Winter sein.
Ein musikalisches Wunderkind war Gustav Kuhn nie, doch schon mit 23 Jahren gewann er seinen ersten internationalen Dirigentenpreis. Vorsitzender der Jury war Bruno Maderna, der ihn fortan förderte. Damit waren für Kuhn frühe Selbstzweifel an seinem Talent beseitigt. Auch Herbert von Karajan gehörte zu den Lehrmeistern des 1945 in Salzburg geborenen Dirigenten, der auch das Studium der Psychologie und Philosophie mit Promotion beendete. 1970 beginnt er seine erfolgreiche Dirigentenlaufbahn in Istanbul. Chefposition an den Opernhäusern in Bern, Bonn, Rom und beim Festival Macerata schließen sich an, ebenso zahlreiche Auftritte mit international renommierten Orchestern. Sein Klangbild beeindruckt mit einem durchgehend schwingenden Ton, nicht einzelne Noten stehen im Raum, sondern auch die Seele der Komposition. Während den reinen Orchesterproben singt er selbst die Gesangsstimmen, und das sehr gut. Auch an die Zukunft denkt Gustav Kuhn schon, mittlerweile hat er sieben fantastische junge Dirigenten in Erl versammelt, die langsam eingearbeitet werden. An alles scheint er zu denken, der arbeitssüchtige Maestro, doch er gönnt sich auch jeden Morgen nach dem Aufwachen zwei Stunden der Stille, in denen er seine Wünsche visualisiert und zu den Sternen sendet. Die scheinen ihm sehr gnädig gestimmt zu sein, so wünschen auch wir ihm weiterhin viel Kraft und Inspiration für all seine spannenden Projekte.